Spenglers Favorit: Wie der M3 DTM BMW-Titel beim Comeback ermöglichte

Bruno Spengler über seinen DTM-Titelgewinn 2012, als BMW gegen alle Widerstände gleich beim Comeback den Titel holte - Wie das Märchen gelang

(Motorsport-Total.com) - Die Wahl auf den BMW M3 DTM von 2012 mag ein bisschen offensichtlich sein, wenn man Bruno Spengler nach seinem Lieblingsauto fragt. Der schwarze, von Schnitzer eingesetzte Bolide brachte nicht nur ihm die lang ersehnte DTM-Meisterschaft ein, die er in acht Jahren mit Mercedes immer wieder verfehlt hatte. Sondern er bescherte auch BMW einen sensationellen ersten Titel seit 1989.

Titel-Bild zur News: Der Moment, als Bruno Spengler DTM-Meister wurde: BMW und Schnitzer im siebten Himmel

Der Moment, als Bruno Spengler DTM-Meister wurde: BMW und Schnitzer im siebten Himmel Zoom

BMW scheute weder Kosten noch Mühen, beim DTM-Comeback groß aufzutragen. Der Vorstand hatte seine Motorsportaktivitäten im Zuge der Finanzkrise von 2008 neu ausgerichtet. Das brachte einen Ausstieg aus der Formel 1 mit sich und beinhaltete auch einen werksseitigen Rückzug aus den FIA-gestützten S2000-Serien.

Der Tourenwagensport hatte sich in den 2000er-Jahren weit fragmentiert und S2000 verfügte nicht mehr über den Stellenwert, den die Super-Touring-Regularien in den 1990er-Jahren noch genossen hatten. Im Zuge der Umstellung ging auch Mario Theissen von Bord. Jens Marquardt übernahm ab Mitte 2011.

Für BMW war das Engagement das neue Hauptprogramm nach dem Formel-1-Ausstieg. Entsprechend viele Ressourcen wurden investiert. Mercedes hingegen hatte sein Formel-1-, Audi sein Le-Mans-Projekt parallel laufen.

Bestes Personal auf Schlüsselpositionen

Und so warf BMW alles in die Waagschale: Der amtierende Meister Martin Tomczyk wurde von Audi, Bruno Spengler von Mercedes weggelockt. Mit Andy Priaulx und Augusto Farfus brachte BMW seine Alpha-Garde aus der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) an den Start. Hinzu kamen der US-Amerikaner Joey Hand und Dirk Werner, der viel Entwicklungsarbeit übernahm.

Auch hinter den Kulissen war BMW bärenstark aufgestellt: Als Rennleiter fungierte Andreas Seidl, dessen Wege ihn über das Porsche-LMP1-Projekt mittlerweile bis in die Formel 1 geführt haben. Der 4-Liter-V8-Motor wurde unter der Leitung von Adam Baker entwickelt, der nun als Geschäftsführer der Audi Formula Racing GmbH das Formel-1-Projekt der Ingolstädter anführt.


Offizieller DTM-Jahresclip 2012

Florian Modlinger, heute Projektleiter bei Porsche in der Formel E, war Leiter Chassis-Performance und Aerodynamik. Und er brachte den großen Wurf, das Erfolgsgeheimnis des BMW M3 DTM, mit auf den Weg: Der Bolide, nach den neuen Regularien von 2012 mit größerer Breite und in Coupe-Form aufgebaut, verfügte über mehr Abtrieb als das Mercedes C-Coupe und der Audi A5 DTM.

Natürlich hatte diese Qualität ihren Preis. BMW verfügte über das größte Budget der drei Hersteller. Die enormen Investitionen sorgten langfristig für Kostensteigerungen in der DTM, die schließlich am Ende des Jahrzehnts zum Zusammenbruch der Hersteller-basierten DTM führten.

Spenglers Neuanfang

Bruno Spengler hatte wiederum eine frustrierende Zeit hinter sich. Als er 2006 am Thron von Mercedes-Alphatier Bernd Schneider sägte, galt der Kanadier, der Zeit seiner Karriere von Mercedes gefördert wurde, schon als das "next big thing" in der DTM.

Doch nach einer weiteren knappen Titelniederlage im Jahr darauf gegen Mattias Ekström zeigte die Formkurve nach unten. 2008 und 2009 gewann er kein Rennen und musste sich auch HWA-intern Gary Paffett und Paul di Resta beugen. 2010 gewann er zwar wieder zwei Rennen, war aber wieder nur drittbester Mercedes-Fahrer. Und 2011 waren alle gegen den gewichtserleichterten Vorjahres-Audi von Martin Tomczyk machtlos.

BMW war also ein willkommener Neuanstrich für Spengler. Trotzdem war das erste Jahr eher als Investition in die Zukunft ausgelegt. BMW war der Grünschnabel, Audi und Mercedes hatten eine Dekade Vorsprung mit den etwas eigenwilligen, aerolastigen DTM-Boliden.

Jens Marquardt sagte vor der Saison, dass es "kein Fehlschlag ist, sollten wir kein Rennen gewinnen." Doch das Reglement half BMW, denn die DTM orientierte sich mit dem 2012er-Reglement mehr in Richtung Spec-Racing: 57 Gleichteile sorgten beim Chassis für Augenhöhe. Und noch ahnte Marquardt nicht, dass BMW dank der großartigen Arbeit des Aero-Teams um Modlinger sogar an der Spitze liegen würde.


Bruno Spengler stellt sein DTM-Meisterteam von 2012 vor

Spengler durfte schon im November 2011 den neuen M3 DTM testen. "Das war eine großartige Geste von Mercedes", sagt er gegenüber unserem Schwesterportal 'Autosport'. Und es gab eine positive Überraschung. Der wichtige erste Eindruck passte komplett.

"Wir sind direkt auf dem richtigen Fuß gestartet, alle Basics waren richtig gut", erinnert sich der heute 39-Jährige. "BMW hat einen hervorragenden Job vom Start weg gemacht. Wir haben noch ein bisschen Arbeit mit Martin Tomczyk und mir geleistet und basierend auf unseren Erfahrungen mit unseren bisherigen Boliden kleine Änderungen vorgenommen. So haben wir das Auto weiter in die richtige Richtung entwickelt."

"Es war [als neue Marke] nicht leicht. Sie hatten kein Auto, sondern begannen mit einem weißen Blatt Papier. Okay, das Chassis war für alle gleich. Aber man musste noch immer den Motor beisteuern, die Set-ups ausarbeiten, die Aerodynamik - einfach alles. Das war eine riesige Herausforderung, aber BMW hat immer wieder neue Teile bei jedem Test gebracht. Sind waren offen und motiviert."

Der magische Sieg am Lausitzring

Nach einem wenig erbaulichen Auftakt in Hockenheim (Ausfall nach einer Karambolage, die von Ralf Schumacher ausgelöst wurde) gewann Spengler gleich das zweite Saisonrennen auf dem Lausitzring. Es war der erste BMW-Sieg in der DTM seit Roberto Ravaglias Triumph beim Saisonfinale in Hockenheim 1992 und der 50. in der Geschichte von BMW.

"Dieses Rennen ist mir wirklich in Erinnerung geblieben", erzählt er. "Ich weiß noch genau, wie die BMW- und Schnitzer-Jungs den Sieg mit mir gefeiert haben, als ich nach dem Sieg in den Parc Ferme gefahren bin. Das war unglaublich. Bis heute kriege ich eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Jungs so happy zu sehen, war das große Highlight für mich."


Fotostrecke: Bruno Spenglers magische DTM-Saison 2012

"Es war wirklich großartig, mit dem Team Schnitzer zusammenzuarbeiten. Sie waren Racer aus tiefstem Herzen. Sie haben ständig alles gegeben, Tag und Nacht. Das war fantastisch." Der Lausitzring-Sieg war auch der Punkt, an dem die Ziele justiert wurden: Jetzt war man nicht mehr der Neuling, sondern gestandener Sieger. Der Titel sollte her, so die Ansage von Teamchef Charly Lamm.

Nach Mid-Season-Test nicht mehr zu stoppen

Es folgten weitere Podiumsplätze, aber auch ein Rückschlag mit einem weiteren Ausfall am Red Bull Ring. Nach dem Norisring-Wochenende ging Schnitzer in Magny-Cours testen. Von diesem kam das Team noch einmal stärker zurück. Drei der letzten fünf Rennen gewann Spengler - darunter das titelentscheidende Duell gegen Paffett beim Finale auf dem Hockenheimring.

Der Sieg hievte ihn auf 149 Punkte, womit er den Langzeitführenden Paffett im letzten Rennen abfing. Für diesen war es wiederum die vielleicht frustrierendste Episode seiner Karriere. Er sollte noch sechs Jahre auf seinen zweiten DTM-Titel nach 2005 warten müssen.

"Es war alles andere als einfach, aus dem Stand heraus ein Auto zu entwickeln, das Rennen im ersten DTM-Jahr gewinnen konnte. BMW ist das gelungen und wir haben die Meisterschaft gewonnen. Das war unglaublich. Das war hervorragend", fasst der Kanadier zusammen.

Am Ziel aller Träume: Bruno Spengler feiert den DTM-Titel 2012 im Parc Ferme

Am Ziel aller Träume: Bruno Spengler feiert den DTM-Titel 2012 im Parc Ferme Zoom

Das Märchen blieb auf das Jahr 2012 beschränkt. Im Jahr darauf schlug Audi mit Mike Rockenfeller zurück, während Augusto Farfus aus dem RBM-Team zur BMW-Speerspitze aufstieg. Spengler gewann ein Rennen auf dem Red Bull Ring. Doch vier Nullrunden in Folge in der zweiten Jahreshälfte durchkreuzten alles.

Der BMW M3 DTM wurde 2014 durch den M4 DTM (F82) abgelöst, mit dem das Zeitalter von Marco Wittmann begann. Spengler sollte mit diesem nur noch zwei Siege holen, beide auf dem Norisring: 2017 beim ersten Rennen und 2019 (dann schon unter Class-1-Regularien) im Sonntagsrennen. Den sensationellen Titel von 2012 aber konnte ihm keiner mehr nehmen.