• 06.07.2007 11:43

  • von Britta Weddige

Routine und Adrenalinkick: Der DTM-Boxenstopp

'Motorsport-Total.com'-Hintergrund: Beim Boxenstopp muss alles perfekt ablaufen, gefragt sind Routine, Präzision und Schnelligkeit

(Motorsport-Total.com) - Wie lange brauchen Sie, um Ihr Auto voll zu tanken? Wie viel länger würde es dauern, wenn Sie dabei auch noch alle vier Räder wechseln müssten? Nein, beginnen Sie nicht zu rechnen, in der DTM geht es so oder so viel schneller. Der optimale Boxenstopp ist in dreieinhalb bis vier Sekunden erledigt. So lange braucht ein eingespieltes Team, das aus 16 Mann besteht: Ein Tanker, zwölf Mann für die Räder (pro Rad drei Mann), einer, der zur Sicherheit mit dem Feuerlöscher bereit steht, der Luftlanzenmann und der Mann mit dem Lollipop.

Titel-Bild zur News: Christian Abt

Die Crew vom Audi Sport Team Phoenix ist ein eingespieltes Team beim Stopp

Nicht nur die Piloten müssen trainieren, auch die Boxenstopp-Crews üben immer und immer wieder, damit im Rennen nicht wichtige Zehntelsekunden verloren gehen. "Generell trainieren wir dienstags vor dem Rennen. Da machen wir einen so genannten Rollout und üben etwa 40-50 Boxenstopps", erklärt uns Frank Lynn, der bei den Boxenstopps des Audi Sport Team Phoenix für die Bedienung des Lollipop zuständig ist. "Die Fahrer sind bei diesen Übungen mit dabei. 2006 haben wir über das ganze Jahr etwa 1000 Boxenstopps trainiert."#w1#

Pilot muss punktgenau anhalten

Der Mann mit dem Lollipop steht etwas versetzt zur Boxencrew und zeigt dem Fahrer beim Stopp, wo er einfahren soll. "Er fährt ja durch eine Boxengasse mit vielen Leuten, die wegen ihrer Overalls teilweise gleich aussehen. Er muss also genau die richtige Person finden und sich dann konzentrieren, um punktgenau anhalten zu können", so Lynn weiter.

Steht das Auto, beobachtet Lynn zunächst die Crew, läuft alles perfekt, kann er sich schon auf den Verkehr in der Fastlane konzentrieren, während der Boxenstopp absolviert wird. Das Fahrzeug wird mit einer Luftlanze mit Lufthebesystem angehoben.

Tankkanne wiegt 22 Kilogramm

Dann kommt der Einsatz des Tankers und der Mechaniker an den Rädern. Für das Tanken ist beim Audi Sport Team Phoenix Karsten Fug zuständig. Er steht mit der etwa 22 Kilogramm schweren Tankkanne bereit, die er in Sekundenbruchteilen zielgenau in die Tanköffnung stecken muss. Die Tankkanne ist in der DTM einheitlich, bis sie leer ist, vergehen etwa 3,4 Sekunden. Ist der Stopp beendet, muss er die Kanne genau in dem Moment aus der Öffnung ziehen, wenn das Auto wieder auf den Asphalt fällt, sonst bleibt sie stecken.

"Wenn keine Geräusche mehr da sind, ziehe ich die Kanne heraus." Karsten Fug

Diesen Moment erkennt Fug vom Gefühl her: "Ich schaue nicht auf die anderen, ich schaue auf die Kanne, achte aber auf die Geräusche um mich herum. Wenn keine Geräusche mehr da sind, ziehe ich die Kanne heraus."

Routine am Schlagschrauber

Ebenso routiniert geht gleichzeitig sein Kollege Oliver Emrath ans Werk, der Mann am Schlagschrauber: "Man konzentriert sich nur auf seine Radnabe und darauf, den Schlagschrauber genau auf die Mutter aufzusetzen", so Emrath. "Ist die Mutter gelöst, zieht man das Rad herunter. Ein weiterer Kollege steckt dann schon das neue Rad auf und ich mache es sofort fest." Seit vier Jahren ist er für den Schlagschrauber zuständig, mehrere tausend Mal hat er genau diesen Ablauf absolviert: "Man muss nicht mehr überlegen, was man macht, es ist automatisiert."

Die vier Männer mit den Schlagschraubern betätigen jeweils einen Knopf, sobald sie fertig sind. Sind alle vier Knöpfe gedrückt, wird die Luftlanze automatisch gelöst, das Auto fällt auf die Räder, der Pilot fährt los. Außer, er hat keine freie Fahrt: "Wenn in diesem Moment ein anderes Fahrzeug durch die Fastlane kommen sollte, könnte ich den Piloten noch anhalten, indem ich den Lollipop wieder runtermache", erklärt Lynn. Denn verursacht ein Pilot beim Boxenstopp einen Unfall, droht eine Zeit- oder Durchfahrtsstrafe.

Konzentration wie beim Hundert-Meter-Sprinter

"Vom Drumherum bekommt man gar nichts mit." Oliver Emrath

Wie lange haben Sie bisher zum Lesen gebraucht? Zur Erinnerung: Das eben Geschilderte spielt sich in dreieinhalb bis vier Sekunden ab. Für die Crew ist es jeder Boxenstopp ein Adrenalinkick: "Vom Drumherum bekommt man gar nichts mit, weil man so auf den Punkt konzentriert ist", berichtet Schlagschrauber-Mann Emrath. "Es ist wie bei einem Hundert-Meter-Sprinter, man ist konzentriert, legt dann explosionsartig los und wechselt innerhalb von drei oder dreieinhalb Sekunden das Rad."

Auch Tanker Fug spürt den Kick jedes Mal neu: "Man weiß zum Beispiel nie, wie das Auto genau hereinkommt. In der Regel bleiben die Piloten aber punktgenau stehen, und das ist für mich sehr wichtig, da ich mich ja mit der schweren Kanne bewegen und die Tanköffnung präzise treffen muss. Dazu muss ich noch auf den Kollegen mit dem Schlagschrauber achten, der auch seinen Platz braucht."

Ist das Auto unterwegs zurück in Richtung Strecke, weiß die Crew bereits, ob sie gute Arbeit geleistet hat: "Das hat man im Gefühl, ob es ein wirklich schneller und guter Stopp war", schildert Lynn. "Manchmal schaut man auch in Richtung Boxengassenausgang, ob man jetzt eine Position gewonnen hat oder nicht - und das ist schon die Motivation, jedes Mal einen perfekten Stopp hinzulegen."