Kommt Mindestreifendruck auch in der DTM? "Dann wird gleich getrickst"

Pirelli wünscht sich in der DTM einen Mindestreifendruck: Was der Grund ist und wieso eine Einführung deutlich komplizierter ist als zu Class-1-Zeiten

(Motorsport-Total.com) - Führt der ADAC 2023 in der DTM einen Mindestreifendruck ein? Das Thema ist alles andere als neu, denn schon in Class-1-Zeiten wurde 2018 während der Saison ein minimaler Luftdruck von in der Regel 1,3 bar eingeführt. Mit Michelin als Reifenhersteller wurde die Regelung ab 2021 fallengelassen, jetzt soll sie auf Wunsch von Pirelli in der DTM wiederkommen.

Titel-Bild zur News: Ricardo Feller

Rückkehr des Mindestreifendrucks in der DTM? Das Thema birgt Zündstoff Zoom

Hintergrund ist, dass die Italiener nach den Reifenschäden im Vorjahr beim ADAC GT Masters in Zandvoort und am Sachsenring bei Audi und Lamborghini fürchten, dass die Teams aus Performance-Gründen riskieren und auf einen zu niedrigen Luftdruck setzen.

Als Versuchsballon wurde beim DTM-Test auf dem Red-Bull-Ring eine eigene Pirelli-Session mit dem geplanten Kalt-Mindestreifendruck von 1,3 bar durchgeführt. Die Umsetzung des Pirelli-Plans ist aber alles andere als einfach, denn die Vorzeichen haben sich im Vergleich zur Hersteller-DTM geändert.

Tomczyk über Sensoren: "Müsste Einheitsbauteil sein"

"Ich sehe es eher kritisch, einen Mindestdruck zu implementieren, weil das mit dem momentanen Stand der Sensorik nicht wirklich möglich ist", stellt der neue Abt-Sportdirektor Martin Tomczyk im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' klar. "Dann müsste es ein Einheitsbauteil geben."

Was der Ex-Rennfahrer damit meint: Während der Luftdruck-Sensor in der Class-1-DTM ein Einheitsbauteil war, sind in den GT3-Boliden je nach Marke unterschiedliche TPMS-Sensoren (Tyre Pressure Monitoring System) verbaut, wodurch es zu Abweichungen und unterschiedlichen Toleranzen kommen könnte.

Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' ist es nicht geplant, die Teams 2023 in der DTM mit einheitlichen Sensoren auszustatten, deren Einsatz vom Reglement vorgeschrieben ist. Das bedeutet: Wenn der von einem Hersteller verbaute Sensor eine Toleranz von 0,1 bar aufweist, während der andere genauer arbeitet, dann würde es sich um ungleiche Voraussetzungen handeln.

"Ohne Einheitsbauteil kann ich das gar nicht richtig überwachen, weil bei jedem Hersteller der Sensor eine andere Streuung hat", erklärt Tomczyk. "Und sobald ich eine Streuung habe, ist das nicht mehr nachvollziehbar. Ich kann nichts vorschreiben, wenn die Ausgangslage nicht gleich ist."

Angst vor Manipulation: "Kann bei Ebay billiges Gerät kaufen"

Zudem besteht durch eine Einführung eines Mindestluftdrucks die Gefahr, dass Teams tricksen: Bei den 24 Stunden von Daytona kam es dieses Jahr Ende Januar beim LMDh-Siegerauto von Acura zu einem Skandal, weil das Meyer-Shank-Team die Software-Daten so manipulierte, dass der bewusst zu niedrig eingestellte Luftdruck nicht angezeigt wurde. Die Sache flog erst Monate später auf.

"Man kann bei Ebay ein billiges Gerät kaufen, mit dem man Sensoren neu programmieren kann", weiß Teamchef Gottfried Grasser vom gleichnamigen Lamborghini-Team. "Und dann passiert das, was wir in Daytona erlebt haben. Man sieht, wie dann gleich getrickst wird." Auch Tomczyk schüttelt in Anbetracht der Ereignisse in Daytona den Kopf: "Damit tut sich weder der Reifenhersteller noch der Promoter einen Gefallen."

Reagieren GT3-Autos unterschiedlich auf Mindestdruck?

Aber das ist nicht das einzige Problem: Denn die Reifen funktionieren bei den GT3-Fahrzeugen, die über eine Balance of Performance angeglichen werden müssen, wegen der verschiedenen Fahrzeugkonzepte in einem unterschiedlichen Arbeitsfenster. Wenn der Reifendruck freigegeben ist, setzt man bei kühlem Wetter schon mal auf einen Wert unter einem bar. Es ist möglich, dass das eine Fahrzeug von einem vorgeschriebenen Mindestreifendruck von 1,3 bar mehr profitieren würde als das andere.


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Um das zu überprüfen, hat der ADAC beim Test in Spielberg Mitte April eine zusätzliche Session am Sonntag durchgeführt. Dabei musste jedes Team einen Piloten nominieren - und die Fahrzeuge wurden mit einem Kaltreifendruck von 1,3 bar losgeschickt. Die gewonnenen Daten sollen Pirelli nun bei der Entscheidungsfindung helfen, ob die Regelung kommt oder nicht.

Ungleiche Verhältnisse bei Messung am Ende der Boxengasse

Aber wo wird der Reifendruck überhaupt gemessen? Eine Frage, die ebenfalls für Kopfzerbrechen sorgt. Ursprünglich war geplant gewesen, dass der Messpunkt, an dem der Druck passen muss, an einer festgelegten Stelle am Ausgang der Boxengasse liegt.

"Dann ist aber die Frage, wo ich in der Pitlane meine Box habe", wirft Grasser im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' ein. Denn dadurch ist der Weg bis zum Messpunkt für jedes Fahrzeug nach dem Verlassen der Box unterschiedlich lang.

Wie es sich auf den Luftdruck auswirkt, ob man aus der ersten oder aus der letzten Box losfährt? "Da sind wir schnell bei einem Unterschied von 0,1 bar, vor allem bei Autos, die vorne sehr große Bremsscheiben haben", erklärt Grasser. "Die Räder heizen sich schnell auf."

Tomczyk: "Reifendruck sollte man Teams überlassen"

Auch das würde bedeuten, dass manche Teams gegenüber anderen einen Vorteil haben. Grasser und Tomczyk hoffen beide, dass der ADAC und Pirelli von einem Mindestreifendruck absehen. "Du musst jede Regel kontrollieren können", sagt Grasser. "Und man sieht, wie dann gleich getrickst wird. Da ist es besser, wenn es freier ist."

Und Tomczyk spricht sich abgesehen vom Thema Überwachung auch aus Wettbewerbs-Gründen für eine Freigabe aus: "Jedem Team sollte es selbst überlassen sein, mit welchem Druck man wann wo rausgehen möchte. Das gilt auch für die Risikoeinschätzung. Das gehört zum Strategiespiel dazu."

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