• 25.12.2013 14:23

  • von Dominik Sharaf

Kolumne: Tops und Flops der Saison 2013

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Dominik Sharaf haben Merhis Hitzkopf und die Russland-Premiere Freude bereitet, der Zandvoort-Abschied und blaue Flaggen nicht

Titel-Bild zur News: DTM-Pokal

Rank und Zank um den DTM-Pokal - die Zuschauer hat es (fast) immer gefreut Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leserinnen und -Leser,

eine turbulente DTM-Saison liegt hinter Fans, Fahrern und dem gesamten Tross der Tourenwagen-Serie. Was ist Ihnen von 2013 im Gedächtnis geblieben? 'Rockys' Meisterjubel in Zandvoort? Die große Erlösung für Timo Glock, als er auf dem Hockenheimring siegte? Die Farce um Mattias Ekström und zwei Wasserflaschen auf dem Norisring? Oder vielleicht ein ganz persönliches Erlebnis an der Rennstrecke? Mir jedenfalls fällt keine einzelne Szene ein, die ein Jahr gespickt mit Action und Spannung, aber auch Politik und Kontroversen, abbilden würde. Dafür gab es einfach zu viele Tops und Flops.

Top: Champion makellos und die Qual der Wahl

Erinnern Sie sich noch an die Jahre 2008 und 2009? Damals wurde einer Meister, der nicht mit wehenden Fahnen zu Glanz und Glorie fuhr, sondern durch Konstanz - im wahrsten Sinne des Wortes - punktete. Die Rede ist von Timo Scheider. Heute ist der Audi-Pilot zwar sportlich eher im Dauerpech als auf Höhenflügen, dafür aber einer der wenigen Piloten, der über die Szene hinaus größe Popularität genießt. Mike Rockenfeller ist das bisher nicht gelungen, was man weder ihm noch Audi ankreiden kann.

Es liegt am neuen DTM-Champion, ob er einen ähnlichen Weg wie Scheider einschlägt. Der extrovertierte und mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit ausgestattete 35-Jährige machte sich mit seinem Einsatz für wohltätige Zwecke, Stefan Raabs Stock-Car-Veranstaltungen und einem Werbevertrag mit zwei Videospiel-Klempnern einen Namen - vieles passierte in Eigenregie. Es wäre zu begrüßen, sollte der hart arbeitende und extrem ehrgeizige, aber in der Öffentlichkeit stille Rockenfeller auch in Zukunft das tun, was ihm gefällt.

Das gilt mit großer Sicherheit für die Wahl zwischen der DTM und Audis Prototypen-Projekt in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) mit dem Saisonhöhepunkt Le Mans. Wieso nicht beides? Die Umstellung zwischen unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten, der enge Terminplan und das Fehlen von Konzentration auf eine oder andere Rennserie sind die Argumente, unter anderem von DTM-Rennleiter Dieter Gass. Wenn Edoardo Mortara nebenbei Marketing studieren sowie ein Sushi-Restaurant eröffnen und Marco Wittmann im elterlichen Betrieb als Karosseriebauer arbeiten kann, scheint es an Freizeit nicht zu mangeln.

Mike Rockenfeller

Verdienter Champion: Mike Rockenfeller gab sich in der Saison 2013 keine Blöße Zoom

Auch der Kalender mit weiter nur zehn Saisonrennen trägt nicht dazu bei, dass sich die Situation verschärft. Zwar muss Leistung dadurch noch mehr auf den Punkt abgerufen werden, trotzdem gibt es in Kombination mit den Testbeschränkungen mehr Raum. Ich würde im Motorsport gerne mehr Interdisziplinäres sehen: Wie schlagen sich DTM-Profis in der Rallye-Weltmeisterschaft? Was geht im Oval im NASCAR oder sogar beim Indy 500, das einst fast nur von seinen Gaststartern lebte? Und können die vermeintlichen Supertalente wirklich Formel 1? Es ist eine Schattenseite von Werkssport und Professionalisierung, dass solche Überlegungen Träume bleiben.

Flop: Flexibilität flexibel gehandhabt

Für ein beständiges und konsequent durchgesetztes Reglement zu werben, ist vernünftig. Sich an längst überholte Uralt-Vorschriften und per se hoch explosive "Kann"-Bestimmungen zu klammern, blanker Unfug. Das stellte die Rennleitung mit den blauen Flaggen gegen die BMW-Piloten auf dem Norisring unter Beweis, als ihnen die neue Strategievielfalt mit den Option-Reifen plötzlich zum Verhängnis wurde. Verlierer war aber letztendlich die DTM selbst, die sich um spannenden Motorsport betrog.

Was bei mir nicht weniger Kopfschütteln auslöste, war allerdings die Frage, wieso bei der Passage nicht sofort der Rotstift angesetzt wurde. Das Argument, während der Saison Kontinuität den Vorzug vor Modifikation zu geben, entkräfteten die Motorsportchefs und die ITR häufig genug selbst, indem sie das Reglement zur Dauerbaustelle erklärten: In Zandvoort einigte man sich auf ein spontanes DRS-Verbot, Anschieben in der Boxengasse wurde genau wie Pflichtboxenstopps in Safety-Car-Phasen untersagt.

Augusto Farfus

Das Norisring-Rennen sorgte nicht nur wegen des DTM-Watergate für Kontroverse Zoom

Dass es sich um sicherheitsrelevante Themen handelt ist keine Begründung, bei Action und sportlicher Fairness nicht aktiv zu werden. Außerdem lässt sich wohl kaum behaupten, dass ein zusätzlicher Reparaturjoker (also der straffreie Austausch beschädigter Teile nach dem Qualifying) die Wirkung eines Airbag hätte. Ich hoffe daher, dass 2014 der Umgang mit Flexibilität sich auch auf die Themen erstreckt, die die Fans und nicht die individuellen Befindlichkeiten einzelner Hersteller betreffen.

Top: Liebesgrüße in Moskau - per Luftpost

Es mag vieles gegeben haben, was bei der Russland-Premiere noch nicht ausgereift war: von fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten an der Strecke über nicht vorhandene Verkehrskoordination bis hin zur Luftraumsperrung wegen Wladimir Putin. Allerdings lässt sich am Rennen auf dem Moscow Raceway nicht bemängeln, dass es von einheimischen Fans schlecht angenommen worden wäre. Beim Pitwalk war die Boxengasse voll wie in Hockenheim oder auf dem Nürburgring, die Tribünen trotz Ferienzeit gut gefüllt.

Die DTM hat in Russland vielleicht eine Zukunft. Den Erfolg sofort zum Anlass zu nehmen, um wie ITR-Chef Hans Werner Aufrecht über ein zweites DTM-Gastspiel, dann auf der neuen Formel-1-Bahn in Sotschi, zu sprechen, halte ich für über das Ziel hinausgeschossen. Mit dem Rennen in China 2014 gibt es schon ein in der Fanszene und beim TV-Partner unpopuläres Wagnis. Dass Racing im Reich der Mitte nicht unbedingt funktioniert, zeigt die Formel 1 mit ihrer Station in Schanghai, die den Charakter eines Pflichtbesuchs bei einer Taschengeld zahlenden Großtante hat.


Fotostrecke: Backstage auf dem Moscow Raceway

Die DTM ist gut bedient, an ihren sieben deutschen Stationen und dem Lauf im österreichischen Spielberg festzuhalten, sich dazu von Brands Hatch und allen Spanien-Überlegungen zu verabschieden. Dass Zandvoort mit Nordsee-Flair und sogar Ende September prall gefüllten Dünen als willkommene Abwechslung weichen muss, hat seine Gründe, aber vielleicht nicht unbedingt seine Berechtigung. Inwiefern das neue Gastspiel in Budapest die Holland-Party kompensiert, bleibt abzuwarten. Immerhin: Wärmer wird es sein.

Bruno Spengler

Die DTM unternahm einiges, um in Russland neue Freunde zu gewinnen Zoom

Es sollte aber nicht vergessen werden, dass es neben Fernreisen auch ein Anliegen sein muss, in Deutschland neue Anreize zu schaffen. Sind die Bemühungen um ein Rennen auf dem Flughafen Tempelhof etwa begraben, obwohl die Formel E genau das im kommenden Jahr realisiert? Werkelt man hinter den Kulissen tatsächlich an der Machbarkeit eines Events auf der Nordschleife des Nürburgring? Ob man diese Ideen befürwortet oder nicht, ins Gespräch bringen sie die DTM und interessanter machen sie sie auch. Und Tempelhof ist für mich längst ein Herzenswunsch.

Flop: "Wir machen dann auch mal Formel 1"

Das Drag-Reduction-System (DRS) und die Option-Reifen waren mit Spannung erwartet worden und sorgten beim Saisonauftakt mächtig für Furore. Schnell zeigte sich aber, dass die DTM sehr wohl ohne technische Hilfsmittel dazu in der Lage ist, für Unterhaltung zu sorgen. Weil Hankook bei der Entwicklung der Gummimischung die Traute fehlte und die Angst vor einem Pirelli-Desaster offenbar zu groß war, waren die Pneus nur wegen ihrer undeutlichen Kennzeichnung noch der Rede wert. Das hätte man sich sparen können.

Die größte Überholhilfe von allen hieß Roberto Merhi. Es ist an der Zeit, eine Lanze für den viel gescholtenen Spanier zu brechen. Obwohl er beim Saisonfinale mit der einzigen nennenswerten Leistungen in zwei Jahren wie Phoenix aus der Asche kam allerdings nicht wegen seines Talentes. Die DTM braucht einen wie Merhi einfach. Was wäre Tourenwagen-Sport ohne einen bösen Buben, der die Konkurrenz auch mal von der Strecke räumt? Ohne jemanden, der erst macht und dann denkt? Motorsport braucht Hitzköpfe wie Batman den Joker. Wer ist der Gute, wenn es keinen Schurken gibt. Halb so viel Spaß macht es außerdem.

Dominik Sharaf

Redakteur Dominik Sharaf wünscht sich mehr verrückte Typen wie Roberto Merhi Zoom

Auf eine noch bessere Saison 2014!

Dominik Sharaf