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  • 25.05.2014 18:16

  • von Stefan Ziegler

Im Interview: Die bisher letzte Frau in den DTM-Punkten

Rahel Frey fuhr 2012 für Audi in die Punkte, als bisher letzte Fahrerin in der DTM: Im Interview spricht die Schweizerin über Frauen in der "Männerwelt" Motorsport

(Motorsport-Total.com) - Valencia 2012 war ihre große Stunde. Rahel Frey fuhr mit dem Audi A5 in die Punkte. Bis heute ist die Schweizerin damit die letzte Fahrerin, der in der DTM ein Top-10-Ergebnis gelungen ist. Doch dieses Resultat hat sich Frey hart erkämpfen müssen, denn der dreimalige Tourenwagen-Weltmeister Andy Priaulx machte es ihr nicht leicht. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Frey unter anderem über ihre Punktefahrt von Valencia, aber auch über Erfahrungen als Frau in der "Männerwelt" Motorsport.

Titel-Bild zur News: Rahel Frey

Frau am Steuer: Rahel Frey ist die bis dato letzte Fahrerin, die in der DTM gepunktet hat

Frage: "Rahel, wie geht es dir im Motorsport, in einer von Männern dominierten Welt?"
Rahel Frey: "Danke der Nachfrage. Mir geht es sehr, sehr gut. Ich mache schon seit über 15 Jahren Motorsport. Da weiß man mittlerweile, wie das Ganze funktioniert. Und da habe ich mich sehr, sehr gut eingelebt."

Frage: "War dir am Anfang deiner Karriere im Motorsport bewusst, dass du dich in eine 'Männerwelt' begeben würdest? Oder hast du anfangs überhaupt gar nicht auf dergleichen geachtet?"
Frey: "Ehrlich gesagt: Das war mir nicht bewusst. Ich bin damals mit meinem Vater und mit meinem Bruder an die Kartstrecke gefahren. Da war alles kleiner, familiärer."

"Es wird einem eigentlich erst auf dem Weg dorthin bewusst, dass es viel Aufwand und viel Arbeit bedeutet. Natürlich ist Motorsport nach wie vor von Männern dominiert. Aber wie gesagt: Wenn man es nach und nach wahrnimmt, dann wächst man damit auf und natürlich hinein. Du hast ja immer mit den Männern zu tun, mit den Mechanikern, mit den Fahrzeug-Ingenieuren."

"Man lernt, sich durchzusetzen." Rahel Frey

"Ich hatte bisher beispielsweise nur eine weibliche Fahrzeug-Ingenieurin. Es ist eben wie bei den Fahrerinnen: Du bist da immer in einer Minderheit. Aber damit lernt man umzugehen. Man lernt, sich durchzusetzen. Ich habe schon einige Erfahrungen im Motorsport gesammelt und finde mich auch ganz gut zurecht, kann mich gegen die Männer durchsetzen, glaube ich."

Wie verhalten sich die Rennfahrer-Kollegen?

Frage: "Wie muss ich mir das vorstellen, wenn zum Beispiel, wie in der DTM geschehen, zwei Frauen im Feld gegen 20 Männer antreten? Wie ist da das Verhältnis zu den männlichen Fahrerkollegen?"
Frey: "Ganz ehrlich: Die DTM ist eine der härtesten Rennserien, die sich eine Frau antun kann, wenn ich heute darauf zurückblicke. Der ganze Umfang, die Professionalität. Da wird sehr viel gefordert."

"An die Fahrer und an die Fahrerinnen werden hohe Ansprüche gestellt. Du musst sehr, sehr kompetent sein, musst bei den technischen Meetings mitreden können und musst dich auch noch auf der Strecke beweisen. Da wird viel gefordert, wie gesagt. Ich habe aber auch viel gelernt. Gerade als Frau lernst du enorm viel dazu. Davon profitiere ich bis jetzt, muss ich sagen, auch im GT-Sport."

Frage: "Wie haben sich deine Fahrerkollegen gegenüber dir verhalten?"
Frey: "In der DTM bin ich sehr gut aufgenommen worden. Das ist auch ganz wichtig. Und Audi legt auch sehr viel Wert darauf, dass es wirklich ein Team ist, dass man untereinander kommuniziert. Dass man Antworten bekommt, wenn man Fragen hat."


Fotostrecke: Die beliebtesten DTM-Ären

"Das habe ich so erlebt, sehr positiv erlebt. Ich konnte wirklich meinen Fahrerkollegen Fragen stellen und habe auch Antworten erhalten. Was nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist, denn Rennfahrer sind meist sehr, sehr egoistisch. Jeder will ja das Beste für sich herausholen. Was aber natürlich auch richtig ist."

"Rennfahrer sind meist sehr, sehr egoistisch." Rahel Frey

Frage: "In anderen Sportarten, wie zum Beispiel bei der Leichtathletik, treten Frauen und Männer nach Geschlechtern getrennt an. Hältst du den Motorsport-Modus ohne Geschlechter-Trennung für fair? Oder sollte der Motorsport Frauen und Männer getrennt fahren lassen, sofern genug Frauen und Männer am Start sind?"
Frey: "Genau das ist das Thema: Wenn genügend Frauen am Start sind. Aber das müssen wir gar nicht diskutieren, denn das gibt es schlicht und ergreifend nicht. Ich bin eigentlich auch davon überzeugt, dass es das nie geben wird."

Frauen in der DTM: Das ist auch Marketing

"Von daher: Wenn wir als Frauen Motorsport betreiben wollen, dann müssen wir es auch mit Männern aufnehmen. Das finde ich auch richtig. Ellen Lohr hat es damals schon bewiesen: Sie war bereits in der Formel 3 sehr schnell, hat dann einen tollen Sieg in der DTM herausgefahren. Das hat ihr einen gewissen Status eingebracht. So ist es richtig."

"Wir Frauen müssen uns durchsetzen, wenn wir das machen wollen. Natürlich: Dass wir die Unterstützung bekommen, dafür müssen wir schon sehr, sehr hart kämpfen. In der DTM ist das Thema Marketing sehr wichtig. Natürlich sind wir für das Marketing gepusht worden. Wenn wir auf sportlicher Seite gerade im ersten Jahr noch eine bessere Unterstützung erhalten hätten, dann wäre der Einstieg noch einfacher gewesen."

"Ich glaube, wenn man das Thema Frauen im Motorsport wahrnimmt, dann kann man da auch sehr erfolgreich sein." Rahel Frey

"Ich habe es im zweiten Jahr erlebt: Im zweiten Winter durfte ich sehr, sehr viel testen. Ich bin toll in die Projekte eingebunden worden und war sehr dankbar dafür. Es hat enorm Spaß gemacht. Und dadurch ging es dann auch voran. Ich glaube, wenn man das Thema Frauen im Motorsport wirklich wahrnimmt, dann kann man da auch sehr erfolgreich sein. Davon kann eine Marke auch sehr profitieren."

Frage: "Die DTM hat sich seit der Zeit von Ellen Lohr sehr verändert. Man spricht von unterschiedlichen Ären. Würdest du sagen, es ist in der neuen DTM schwieriger geworden, als Frau vorn reinzufahren?"
Frey: "Wenn man die Leistungsdichte sieht, dann erkennt man: Es muss einfach alles zusammenpassen. Ein kleiner Fehler von Team- oder Fahrerseite, dann bist du nicht mehr vorn dabei."

Rahel Frey

Rahel Frey in der DTM: In zwei Saisons erzielte sie Platz sieben als bestes Ergebnis Zoom

"Aber wie gesagt: Man muss es erst einmal fahren, muss es auf den Punkt bringen. Ellen hat das bei ihrem Sieg geschafft. Sie war damals einfach besser als die anderen. Egal, in welcher Zeit das war. Das muss man auch auf die Reihe bekommen. Dafür muss man ihr großen Respekt zollen."

Im Duell mit Priaulx flogen die Fetzen...

Frage: "Apropos besser sein als die anderen: Da fällt mir dein Duell mit Andy Priaulx, dem dreimaligen Tourenwagen-Weltmeister, ein. Es war einmal in Valencia..."
Frey: "Ja, das hat Spaß gemacht!"

Frage: "So sah es von außen auch aus. Aber könnte das vielleicht ein Fall gewesen sein, wo Andy Priaulx gedacht haben könnte: 'Also nein, von einer Frau lasse ich mich nicht überholen!'"
Frey: "Seien wir ehrlich: Mir würde es genau so gehen. Ich werde ja auch nicht gern von den Männern geschlagen. Jeder Rennfahrer steht gern vorn. Auch ich."

"Natürlich hat sich Andy da gedacht: 'Nein, das will ich mir nicht bieten lassen!' Deshalb hat es umso mehr Spaß gemacht, ganz klar. Wobei: Ich glaube auch, dass so professionelle Rennfahrer wie Andy einschätzen können, wann ein Konkurrent schneller ist und wann nicht. Wann man so viel Risiko eingeht, um sich zu verteidigen. Das haben alle DTM-Fahrer. Die sind alle so professionell, dass das Rennfahren dort sehr viel Spaß macht."

Frage: "Glaubst du, ein Rennfahrer kann ausblenden, dass er sich gerade mit einer Frau duelliert? Oder ist da immer vielleicht immer ein ungutes Gefühl dabei?"
Frey: "Nun, das ist eine Frage, die ich leider nicht beantworten kann (lacht; Anm. d. Red.). Aber natürlich: Man kennt die Fahrzeuge und weiß, wer in welchem Auto sitzt. Wobei ich glaube, dass man da als Rennfahrer keinen Unterschied macht. Ein verlorener Platz ist ein verlorener Platz und ein gewonnener Platz ist ein gewonnener Platz. Um das geht es."


Fotostrecke: Ellen Lohr in der DTM

Frage: "Du bist die bisher letzte Frau, die in der DTM in die Punkte gefahren ist. Macht dich das stolz?"
Frey: "Ganz ehrlich: Ich hoffe, dass es nochmals eine Frau schafft. Ich finde nach wie vor, dass es spannend wäre, wenn in der DTM Frauen fahren würden. Deshalb: Natürlich macht es mich stolz, aber das haben ja auch schon andere geschafft."

"Ellen hat schon ein Rennen gewonnen. Das ist mir leider nicht gelungen. Ich hoffe einfach nur, dass es wieder einmal einer Frau gelingen wird. Und ich hoffe auch, dass wir Vorbild sein und junge Mädels dazu motivieren können, an die Rennstrecke zu gehen. Wir - Frauen wie Ellen, Susie (Wolff; Anm. d. Red.) oder ich. Natürlich kämpfen wir immer auch für uns selbst."

"Ellen hat schon ein Rennen gewonnen. Ich hoffe einfach nur, dass es wieder einmal einer Frau gelingen wird." Rahel Frey

Frage: "Das klingt, als würdest du die DTM für Fahrerinnen empfehlen..."
Frey: "(lacht; Anm. d. Red.) Unbedingt! Ich weiß, was ich da gelernt und wie sehr ich davon profitiert habe. Ich fände es einfach schön, wenn das wieder einmal ein Mädel erleben darf und die Hersteller offen dafür wären."

Frage: "Gibt es noch eine lustige Anekdote aus deiner DTM-Zeit oder aus deiner Karriere, vielleicht mit dem Thema Frauen, Männer und Motorsport? Gab es da ein spezielles Erlebnis?"
Frey: "Gute Frage. Da fällt mir eigentlich nichts Spezielles ein. Ich weiß noch von einem Interview, in dem ich gesagt habe: 'Parken müssen wir auf der Rennstrecke ja nicht können.' Das hat ein Journalist mal sehr, sehr ausgeschlachtet."

Rahel Frey

Als Frau unter Männern: Rahel Frey ist eine von insgesamt nur zehn DTM-Fahrerinnen Zoom

"Das ist mir in Erinnerung geblieben, weil ich es damals sehr, sehr witzig fand. Wobei ich glaube, dass ich auch das hinkriegen würde. Ansonsten: Nein, da fällt mir keine Anekdote ein. Wir Mädels gehen ja zur Rennstrecke, um unsere Arbeit so gut wie möglich zu erledigen. Da fährt man halt gegen 20 andere Autos und nicht speziell gegen 20 Männer."

Frage: "Gibt es noch etwas, was du gern hinzufügen würdest?"
Frey: "Was ich noch wichtig finde: Herzliche Gratulation an Ellen für den Sieg damals. Das hat sie toll gemacht. Wir Frauen kämpfen immer dafür, auf Rennstrecken rund um die Welt noch weitere Siege herausfahren zu können."