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  • 24.04.2014 14:53

  • von Dominik Sharaf

Geheimrezept DTM-Champion: Fünf Zutaten zum Erfolg

Ein Tag im Formel BMW an der Seite von Bruno Spengler und Martin Tomczyk zeigt, welche fünf Tugenden es braucht, um mit Motorsport sein Geld zu verdienen

(Motorsport-Total.com) - Haben Sie sich schonmal gefragt, was es eigentlich braucht, um zu den 23 glücklichen zu gehören, die am kommenden Wochenende als DTM-Piloten in Hockenheim in die erste Startaufstellung des Jahres rollen und sich den Traum von einer Karriere als Profi-Motorsportler erfüllt haben? Ein Spötter und Kritiker des Paydriver-Trends mag behaupten: Geld. In der DTM spielt das keine Rolle mehr. Es gehört weit mehr dazu als vermögender Gönner, wie 'Motorsport-Total.com'-Redakteur Dominik Sharaf erfahren hat.

Titel-Bild zur News: Formel BMW

In den Cockpits der Formel BMW haben sich schon viele Talente offenbart Zoom

Ein Tag hinter dem Steuer eines Formel BMW im spanischen Monteblanco zeigt, wieso es so viele versuchen, auf den Spuren von Sebastian Vettel und Co. zu wandern, aber es nur so wenige an die Spitze schaffen. Reinsetzen, losbrausen und mit Champagner (oder in den meisten Fällen wohl eher mit dem jugendfreien Orangensaft) feiern ist eine Fantasievorstellung, von der sich jedes Karttalent schnell verabschieden muss - auch wenn Begabung im Erfolgsrezept für den Champion natürlich nicht fehlen darf.

Mit dem berühmten Popometer alleine fährt sich ein kleiner Formelwagen längst nicht, oder zumindest nicht besonders lange. 140 PS aus einem Vierzylinder-Reihenmotor, sechs sequenziell geschaltete Gänge (mit Kupplungspedal), keine Servolenkung, kein ESP, kein ABS - klingt harmlos, kann sich bei nur 455 Kilogramm Leergewicht aber zu einer teuflischen Kombination erwachsen - selbst mit den wertvollen Tipps der DTM-Champions Bruno Spengler und Martin Tomczyk.

Tugend Nummer eins: Mut

Die Formel BMW war in der Vergangenheit Prüfstein für spätere Stars aus allen Kategorien des Motorsport. Timo Glock, Nico Rosberg, Sebastian Vettel, Nico Hülkenberg oder Esteban Gutierrez schafften es in die Formel 1, Alexander Rossi, Felipe Nasr und Robin Frijns sind auf dem Weg dahin. Christian Viertoris und Robert Wickens sind in der DTM erfolgreich, Andre Lotterer und Stefan Mücke im Langstrecken-Sport in der Weltspitze vertreten. Dieser kleine Rennwagen ist ein Prüfstein mit Aussagekraft.

Anders als in einem Kart ist alles eng in einem Monoposto, mit dem viele Rohdiamanten ihre ersten Erfahrungen in einem Rennwagen mit Abtrieb machen: Der Helm ist von der Cockpit-Innenwand fast bündig umschlossen, in die Spiegel schauen lässt sich nur per Augenbewegung. Seitenblicke sind unmöglich. Die Musik spielt vorne, wo über dem Lenkrad nur die Vorderräder zu erkennen sind. Wer kein "Gardemaß" von weniger als 1,65 Meter hat, der spürt schnell, wie die Knie, die Ellenbogen und die Hüfte malträtiert werden.


Auf den Spuren der DTM-Stars - im Formel BMW

Eingezwängt wie eine Ölsardine auf das Gas zu steigen, zeigt, was eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,5 Sekunden bedeutet, wenn einen nicht Lederausstattung und Klimaautomatik umgeben. Jeder Pore des Asphalts schlägt unmittelbar in das Lenkrad durch, jedes minimale Durchdrehen der Räder ist spürbar. Das ist nur Anfahren. Kein Ansaugen im Windschatten, keine Zweikämpfe im Millimeterabstand und keine Bremspunkte, bei denen Sekundenbruchteile über Bestzeit oder Kiesbett entscheiden. Wer das durchzieht, ist definitiv kein Weichei.

Tugend Nummer zwei: Disziplin

Wer daran denkt, was im Fall der Fälle ist, der Technik nicht vertraut oder sich seiner körperlichen Verfassung nicht zu 100 Prozent gewiss ist, tuckert vielleicht ein paar Runden um den Kurs. Etwas reißen wird er nicht. Klingt nach einem Sport für Draufgänger. Ja, eine Portion Wagemut gehört in der Tat dazu. Wenn die der Kopf aber nicht steuert und gegebenenfalls im Zaum hält, dann ist es schneller aus mit der Karriere, als der erste Motorsport-Chef ein Auge auf die eigenen Leistungen geworfen hat.

Lenkrad im Formel BMW

Lenkrad im Formel BMW: Hier hat man alle Hände voll zu tun Zoom

Noch fataler als Skrupel beim Steigen auf das Gaspedal ist es nämlich, den Kopf auszuschalten. In einem Formelauto scheint das Limit nie erreicht. Erst sind die Schritte groß, dann werden sie kleiner. Aber der Bremspunkt scheint sich über sehr lange Zeit immer noch ein Stückchen weiter nach hinten legen, die Kurven immer noch einen Tick schneller durchpflügen und die Rundenzeit um eine Tausendstelsekunde drücken zu lassen. Das macht süchtig und verleitet dazu, sich dem Adrenalin hinzugeben, bis der Reifenstapel dem Rausch ein Ende macht.

Tugend Nummer drei: Teamgeist

Früher oder später wird es selbst beim größten Könner Kleinholz geben, keine Frage. Schließlich machen dieser Sport und die Suche nach dem Limit süchtig, das wird schon nach einer Runde klar. Es sind das Risiko und die Befriedigung, ein querstehendes Auto gerade so noch abgefangen zu haben, nach denen sich jeder Pilot die Finger leckt. Die treibenden Fragen: Wann geht's weiter? Wann lassen sich auch die letzten Bruchteile von Sekunden vom Asphalt kratzen? Keine Minuten vergeuden!

Aber insbesondere als junger Rennfahrer ist man nicht nur für sich selbst verantwortlich. Was zu Bruch geht, müssen andere reparieren, die deswegen vielleicht sogar das Feierabend-Bier streichen, Überstunden schieben oder auf Prämien verzichten müssen. Da mag ein schrottreifer Frontflügel manchem Youngster ein schlechtes Gewissen eintreiben und einen (zu) heißblütigen Journalisten zum Grübeln bringen. Eine Portion Demut ist aber ein gesunder Effekt für einen Sportler, der für ein Team als einziges Mitglied Lorbeeren einstreicht - zumindest in den Augen der Öffentlichkeit.


Fotos: BMW-Designs für die DTM 2014


Ein Rennfahrer ist nicht nur für sein eigenes Wohl auf eine Diät erpicht oder verzichtet auf die Samstagabend-Party, er tut es für eine ganze Mannschaft, die von seiner Leistung abhängig ist. Nötig ist Teamgeist auch, weil Motorsport in der Ära von Bits und Bytes eine Atomwissenschaft geworden ist. Wer als Teenager über Rennstrecken rund um die Welt tingelt, hat in den seltensten Fällen die Zeit für ein Ingenieurstudium, wenn dafür in der Jugend überhaupt die Grundlagen geschaffen wurden.

Martin Tomczyk

Martin Tomczyk war ein selbst erfolgreicher Formel-BMW-Pilot Zoom

Schon ein Formel BMW, eigentlich die Quintessenz des Motorsport sowie bewusst simpel und authentisch gehalten, wird von Spezialisten zusammengeschraubt und will perfekt vorbereitet sein. Es braucht ein ganzes Team, um die Autos an die Strecke zu transportieren, vorzubereiten und zu warten. Selbst ein Champion muss sich auf "seine Truppe" verlassen, weil er als junger einfach Pilot nicht versiert genug ist, um Stoßdämpfer zu wechseln - und spätestens in der DTM ist ohnehin alles nobelpreisverdächtig.

Tugend Nummer vier: Selbstbewusstsein

Wer sich nicht in einem Haifisch-Becken zu behaupten weiß, für den ist früher oder später Schluss. Den Traum vom Profi-Motorsport leben viele, in Erfüllung geht er für die wenigsten Talente. Wer sich nicht traut, Fragen zu stellen, der ist limitiert auf seinem Weg nach oben. Die Aufgabe, einen Monoposto zu bewegen, ist für einen Jugendlichen auch nach der besten Kart-Ausbildung kein Kinderspiel. Ein 16-Jähriger kann alle Kniffe und Bremspunkte genauso wenig kennen wie ein Erwachsener, der jedes Jahr 30.000 Kilometer mit dem Auto unterwegs ist.

Er braucht Förderung, die nicht selbstverständlich ist. Sicher ist es ein befriedigendes Gefühl, alles zu wissen, alles zu kennen und sich durch Kompetenz von der Masse abzuheben. Es gilt aber, eigene Defizite ein- und auszuräumen, selbst wenn das den Sprung über den eigenen Schatten erfordert. Ein Edding-Strich der Formel-BMW-Instruktoren Philipp Eng und Julien Gerbi auf den Whiteboard hilft viel mehr als die Sicherheit, sich nicht zu blamieren.

Tugend Nummer fünf: ...und doch Begabung

Menschen können bestimmte Dinge besser oder schlechter als andere. Das liegt an Vorerfahrung, charakterlichen und körperlichen Merkmalen genau wie dem ewigen Mysterium Talent. Wem das fehlt, der ist vielleicht nicht verloren, aber es erfordert so viel mehr Einsatz und Hingabe, um es doch zu schaffen. Egal, was man will: Im Erwachsenenalter ist der Zug abgefahren. Wer selbst in seinen Zwanzigern ohne das nötige Rüstzeug versucht, mitzuhalten, der holt sich eine ramponierte Nase (und das ist nicht nur ein Sinnbild).

Dominik Sharaf

Motorsport-Total.com-Redakteur Dominik Sharaf beim Selbstversuch Zoom

Eines Tages stellt sich die Frage: "Warum bekommt es dieser Kerl mit spielerischer Leichtigkeit hin, wenn ich dafür wochenlang schufte und am Ende doch in den sauren Apfel beiße?" Klar ist aber auch: Wer keinen Spaß daran hat, schnell Auto zu fahren, der setzt sich nicht durch, Tugenden hin oder her. Denn um einen Traum zu leben, muss er erst geträumt werden.

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