• 12.05.2007 11:57

  • von Britta Weddige

Driften im Schmuckstück

'Motorsport-Total.com'-Redakteurin Britta Weddige durfte in Oschersleben mit Norbert Haug im Mercedes-Benz 500 SL Rallye um den Kurs driften

(Motorsport-Total.com) - Wenn Sie an einem DTM-Rennsonntag vor dem Rennen auf die Strecke schauen, dann können Sie nicht nur die Renntaxis der verschiedenen Hersteller und Rennserien im Einsatz bewundern, sondern sie könnten auch ein Schmuckstück sehen, das mit quietschenden Reifen um den Kurs driftet. Dabei handelt es sich um eine wahre Rarität: Einen Mercedes-Benz 500 SL Rallye aus dem Jahr 1980, von dem nur insgesamt vier Stück gebaut wurden.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug, Britta Weddige

Norbert Haug nahm Britta Weddige mit um den Kurs in Oschersleben

Am Steuer dieses ungewöhnlichen Renners: Norbert Haug. Der Mercedes-Motorsportchef lässt es sich nicht nehmen, persönlich mit dem Auto um die Kurse zu driften. In Oschersleben hatte ich die einmalige Chance, dabei zu sein und durfte auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.#w1#

Sonntag, 12:00 Uhr: Während draußen noch der Porsche Carrera Cup läuft, versammelt man sich in einer Box. Zuschauer, die eine Fahrt im Mercedes-Renntaxi gewonnen haben, Gäste und ich. Da werden feuerfeste Anzüge verteilt, Helme aufprobiert und erste Erinnerungsfotos geschossen. Für das Drift-Taxi reichen eine Haube und ein Helm, einen Anzug muss ich nicht anziehen.

Danach setzt sich die Gruppe in Bewegung: Im lockeren Gänsemarsch, die Helme unter dem Arm, ziehen wir quer durchs Fahrerlager ans andere Ende der Boxengasse. Dort warten schon die diversen Renntaxis auf ihren Einsatz. Und da steht es auch, das Schmuckstück. Von außen sieht man noch nicht ganz, was für ein Renner da auf mich wartet.

Aber schon heißt es: Haube auf, Helm auf und rein ins Auto auf den Schalensitz. Ein Mercedes-Mitarbeiter legt mir die Gurte an und zieht sie fest. Festgezurrt sitze ich da und betrachte das Innere des Autos: Knöpfe, Schalter, Hebel, ja, ich sitze in einem Rennfahrzeug. Heiß ist es, der Motor heizt den Wagen ganz schön auf. Als plötzlich um mich herum die Fotoapparate klicken weiß ich, da kommt mein Chauffeur Norbert Haug. Er schüttelt noch ein paar Hände, steigt ein, setzt Helm und Sonnenbrille auf und los geht's.

Britta Weddige

Gleich gehts los: Festgezurrt im Schalensitz im Mercedes 500 SL Rallye Zoom

Mit Vollgas rasen wir raus aus der Boxengasse und kaum auf der Strecke, lässt mich Haug die 324 PS spüren. Mit Vollgas geht es in die ersten Kurven und dann beginnt der Driftspaß. Vollgas, Bremsen, Querstellen, über die Randsteine räubern, nach rechts, nach links - Rallyefeeling auf der Rennstrecke. Schon nach wenigen Kurven rieche ich den unverkennbaren Geruch von verbranntem Gummi.

Ein paar Mal trägt es uns quer stehend bedenklich nah in Richtung Kiesbett, aber jedes Mal, wenn ich denke "Oh Oh, jetzt sind wir weg", fängt Haug das Auto noch gekonnt ab und weiter wird gedriftet in die nächste Kurve. Spätestens nach einer Runde weiß ich: Mein Pilot beherrscht das Fahrzeug absolut und zu 150 Prozent.

Insgesamt drei Runden haben wir in Oschersleben gedreht. Neben dem Spaß hatte das für mich noch einen weiteren Vorteil: Ich konnte die Strecke einmal aus der Rennperspektive kennen lernen und mir direkt einen Eindruck verschaffen, wie die Piloten zum Beispiel die umgebaute erste Kurve von ihrem Cockpit aus erleben.

Fakten zum Fahrzeug

1978 bis 1980 setzte Mercedes-Benz die Coupé-Version der 107-Baureihe bei Langstrecken-Rallyes ein. 450 SLC und 450 SLC 5.0 feierten dabei viel beachtete Siege. 1981 sollte der im Radstand kürzere und damit handlichere 500 SL die Rolle der Mercedes-Rallyewaffe spielen - mit Walter Röhrl am Lenkrad. Dafür wurde die R 107-Bodengruppe und - Karosserie um über 100 Kilogramm erleichtert. Und der abermals leistungsgesteigerte Leichtmetall-V8-Motor des Sport-SL lieferte bei knapp über 6.200 Umdrehungen pro Minute über 320 PS, verbunden mit einem Drehmoment von über 420 Nm.

Leider konnte der Super-500 SL sein Potential nicht wie geplant ausspielen. Ende 1980 beschloss Mercedes-Benz zugunsten der Serienwagen-Entwicklung den Ausstieg aus dem Rallyesport. So blieb es bei einem Testeinsatz anlässlich der Bandama-Rallye ´80 und bei einigen inoffiziellen Einsätzen durch die Scuderia Kassel bei der Deutschen Rallye-Meisterschaft 1982/83. Aber das Schmuckstück verstaubt nicht in einer Halle - immer wieder darf es mit Norbert Haug raus auf die Rennstrecke.