Der Titelverteidiger im Interview: "Coolere Rennen!"
Audi-Pilot Mike Rockenfeller über die Bedeutung der Startnummer 1, den Mangel an Test- und Trainingspraxis sowie Fluch und Segen des neuen Reglements
(Motorsport-Total.com) - Wenn am ersten Mai-Wochenende in Hockenheim die Ampeln für die DTM auf Grün springen, dann ruhen alle Augen auf Mike Rockenfeller. Der 30-jährige Rheinland-Pfälzer will mit seiner Phoenix-Mannschaft die erste DTM-Krone seiner Karriere verteidigen, ist sich seiner Sache aber noch lange nicht sicher - schließlich muss erst das Auto zum Piloten passen. Was er unternimmt, damit das so schnell wie möglich der Fall ist, erklärt er im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

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Mike Rockenfeller hat die Pause genutzt, um die Seele baumeln zu lassen Zoom
Frage: "Mike, du hast die Nummer 1 auf dem Auto. Das muss doch ein absoluter Kindheitstraum gewesen sein, oder?"
Mike Rockenfeller: "Merkwürdigerweise jetzt nicht mehr so sehr. Der Traum war es, die Meisterschaft zu gewinnen. Das habe ich geschafft. Aber die Nummer auf dem Auto? Das hat den Glanz, den es als Kind vielleicht hatte, ein bisschen verloren. Ich weiß, wie schwierig alles ist. Man ist realistisch. Die 1 auf dem Auto ist geil, ganz klar. Umso länger und umso öfter man sie in seiner Karriere hat, umso besser. Aber es ist jetzt kein Thema, über das ich schwer nachdenke. Wenn ich nicht immer darauf angesprochen würde... Ich gucke es mir auf dem Auto an - es sieht geil aus. Aber damit ist es auch gut. Ich habe jetzt andere Sachen im Kopf als die Startnummer."
Frage: "Die Winterpause war lang. Da gibt es Zeit zum Nachdenken. Wie schwierig ist es, nochmal alles von vorne zu beginnen?"
Rockenfeller: "Das macht man sein Leben lang im Motorsport. Ein Beispiel wie Bernd Schneider in der DTM zeigt ganz klar, was immer das Ziel ist: sein Bestes zu geben, egal, wo man fährt. Jeder Sieg, jede Meisterschaft ist in dem Moment, in dem man sie gewinnt, am wichtigsten. Wenn man mich fragt, was wichtiger ist: DTM oder Le Mans? Das kann man so nicht sagen. Alles hat zu seinem Zeitpunkt seine Wichtigkeit. Jeder Titel und jeder Sieg ist etwas Besonderes. Ich fange bei Null an. Für mich ist es Vergangenheit und erledigt. Jetzt geht es wieder bei Null los, genau wie vorher auch."
Winterliche Auszeit hat ihre Vorzüge
Frage: "Sind solche Rekorde wie die von Bernd Schneider Ansporn oder Ziel?"
Rockenfeller: "Nein. Man kann diese Zeiten nicht miteinander vergleichen. Jeder hat seine eigene Karriere, sein eigenes Leben, seine eigene Vita. Ich versuche, für mich das Beste herauszuholen und schaue, was am Ende dabei herauskommt. Ob es dann ein Titel ist, fünf Titel oder zehn? Das ist natürlich übertrieben, aber für mich nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass ich selbst mit mir zufrieden bin und aus dem, was ich an Möglichkeiten habe, hatte und haben werde - ob ich damit zufrieden bin, was ich daraus gemacht habe. Da sind jede Karriere und jede Motorsport-Ära anders."
Frage: "Wie schwierig war es, im Oktober die Saison zu beenden und erst im Mai wieder weitermachen zu dürfen?"
Rockenfeller: "Das ist in der DTM leider immer das Gleiche. Das gehört dazu. Es ist okay, es hat mich nicht traurig gemacht. Jetzt ist es gut, dass wir wieder fahren. Es ist schon okay und nichts Neues gewesen."
Frage: "Gab es in der Winterpause einen Moment mit dem Gefühl: 'Jetzt muss es wieder losgehen!'?"
Rockenfeller: "Der kam relativ spät, weil ich platt war nach dem Jahr mit den ganzen Terminen von Audi und mit der Presse, die man einfach macht und die dazugehören. Dann war ich froh, mal nichts von der Rennerei zu hören. Dann kommt es relativ schnell wieder, dass man froh ist, dass es losgeht. Es war aber nicht so, dass ich im November oder Dezember schon dasaß und dachte: 'Jetzt muss ich aber fahren.'"
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Frage: "Magst du Testfahrten oder sind die Rennwochenende das Wahre?"
Rockenfeller: "Klar, Rennen sind das, worum es geht und was Spaß macht. Da ist nochmal ein ganz anderer Kick, Adrenalin und Anspannung. Tests sind locker, da geht es im Prinzip um nichts. Die Zeitentabelle ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, was man lernt und was man mitnimmt. Der Test (der ITR-Abschlusstest in Hockenheim; Anm. d. Red.) ist ganz wichtig für uns, weil es nur so wenige gibt. Wenn ich dabei sein kann, dann hört man den Funk und versucht, Dinge zu lernen und für sich zu nutzen - auch, wenn ich nicht selbst fahre."
Frage: "Wie sieht denn ein klassischer Testtag aus, wenn du selbst fährst?"
Rockenfeller: "Wir haben am Morgen ein Meeting. Da wird besprochen, was man macht und wie der Tagesplan aussieht. Dann sitzt du im Auto und fährst bis zur Mittagspause und fährst meistens. Ab und zu kann man raus, wenn längere Umbauten stattfinden. Es gibt gewisse Ziele und Vorstellungen, die man sich von bestimmten Schritten erhofft. Du machst die und die Änderung am Tag, dann hoffst du, dass das und das passiert."
"Dann bist du gespannt. Beim Fahren passiert es auch, oder eben nicht. Manchmal spürt man gar nichts, manchmal ist es sehr deutlich, manchmal ist das Ergebnis anders, als man es sich gewünscht hätte. Umso schneller man in das Fenster des Autos kommt, umso schneller man es versteht, umso positiver ist sicherlich das Resümee eines Tests. Wenn du abreist und dann weißt, was genau getan werden muss - das hatten wir im vergangenen Jahr, in diesem noch nicht. Ich hoffe, dass wir es nach dem Test haben werden."
Wenig Trainingszeit: ein zweischneidiges Schwert
Frage: "Am Rennwochenende ist die Zeit für Tests wirklich sehr begrenzt."
Rockenfeller: "Das ist schade und nicht schade. Es ist für alle gleich. Wenn man ein Topauto hat und alles aussortiert ist, ist es gut. Wenn man andersherum noch nicht aussortiert ist, würde man sich mehr Fahrzeit wünschen. Ich finde, solange wir den Zuschauern nichts wegnehmen, ist mir das egal, ganz ehrlich. Klar fahre ich gerne Rennauto und umso mehr man fährt, umso schöner ist es. Keine Frage. Aber es hat mich nie so berührt oder gestört. Ich fände es schöner, im Jahr mehr zu testen, oder im Winter mehr zu testen. Aber an den Rennwochenenden vermisse ich nicht die Fahrzeit. Klar könnte es mehr sein, aber alle haben das gleiche Problem."
Frage: "Die DTM will 2014 für den Zuschauer zugänglicher werden. Wie bewertest du das?"
Rockenfeller: "Wenn es so kommt, wie man es sich erhofft, bewerte ich das positiv. Wenn der Zuschauer die Rennen besser annimmt, dann ist es genau das Richtige."
Frage: "Hast du dir im vergangenen Jahr mal ein Rennen zeitversetzt angeschaut?"
Rockenfeller: "Ich habe mir viele Rennen danach angeschaut. Selbst ist man so im Thema, dass man es gut versteht. Am Fernseher war es auch nie das riesige Problem. Wenn man den Zuschauer ins Boot nimmt und es gut erklärt, hat es sogar einen sehr interessanten Teil. Wenn er sagt, ich nehme die Strategie mit und verstehe, was sie machen - für mich ist das positiv gewesen, ich hätte es sogar noch offener gestaltet vom Gefühl her."
Ziel ist der Titel, aber...
"Aber ich bin da nicht entscheidend. Für die Zuschauer vor Ort war es sehr schwierig, zu verstehen, wer Erster und wer Letzter ist. Da wusste man wirklich nichts mehr. Das ist natürlich nicht so toll. Wenn es möglich ist, zu überholen, dann glaube ich, sind es in diesem Jahr die cooleren Rennen."

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Frage: "Sind die Fahrer mehr gefordert? Können sie eher die Entscheidung auf der Strecke suchen?"
Rockenfeller: "Aber die triffst du nicht mehr. Du kommst nicht mehr von Platz 15 auf Platz drei wie im vergangenen Jahr. Das wäre ja eher unrealistisch, wenn es sein normales Rennen wird. Es sei denn, es gibt einen Unfall, einen Safety-Car-Einsatz oder Regen. Sonst wird das Qualifying sehr entscheidend. Da wird normalerweise nicht mehr allzu viel im Rennen möglich sein. Es sei denn, es hätte sich in diesem Jahr auf einmal alles geändert. Aber du fährst nicht an zehn Autos auf der Strecke vorbei."
Frage: "Mit welchem Gefühl gehst du jetzt in die Saison?"
Rockenfeller: "Das Ziel ist immer ganz klar, die Meisterschaft zu gewinnen, wenn das Material stimmt. Nach dem Test kann ich vielleicht besser sagen, ob ich mich mit dem Auto wohl fühle oder nicht, das muss man noch abwarten. Wenn das so ist, dann ist es das Ziel, die Meisterschaft zu gewinnen. Wenn das nicht so ist, dann muss man sich andere Ziele stecken und schauen, dass es besser wird. Das Gefühl ist bisher wie immer. Ich freue mich, dass es ins Auto geht und ich fahren kann."

