• 22.05.2010 23:18

  • von Britta Weddige & Stefanie Szlapka

Coulthard: "Schön, wenn man einen besseren Tag hat!"

David Coulthard über seine Steigerung, positive Überraschungen, liebevollen Umgang mit Randsteinen und die Vorfreude auf "ein schönes, kühles Bier"

(Motorsport-Total.com) - David Coulthard übt sich zwar weiter in der demütigen Bescheidenheit eines DTM-Lehrlings und betont immer wieder, dass er erst ganz am Anfang steht. Fast entschuldigend begründet er detailliert, warum es ihm so schwer fällt, seinen Fahrstil an sein neues Arbeitsgerät anzupassen und warum er noch nicht vorn mitfährt. Aber erstens erwartet das an seinem erst zweiten DTM-Wochenende auch niemand von ihm. Und zweitens hat er sich in Valencia im Vergleich zum Auftakt in Hockenheim schon enorm gesteigert.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard konnte sich zwar steigern, sieht sich aber noch lange nicht am Ziel

In seinem erst zweiten DTM-Qualifying schaffte der prominente Mercedes-Rookie den Sprung in Q2. Und seine Rundenzeiten konnten sich heute im Vergleich zu den teaminternen Messlatten durchaus sehen lassen. So war Jamie Green, bei den Mercedes-Jahreswagen das Maß aller Dinge, war nur rund zwei Zehntelsekunden schneller. Alle anderen 2008er-C-Klassen ließ "DC" heute hinter sich und holte sich Startplatz 14.#w1#

Fakt ist also: Bei Coulthard ist eine deutliche Steigerung vorhanden. "Ganz ehrlich: die sollte auch da sein", sagt der Schotte selbst dazu. "Wenn ich mich nicht verbessern würde, müsste ich mir Sorgen machen. In Hockenheim habe ich noch kein Land gesehen, ich war der langsamste Mercedes. Es ändert sich also ein bisschen. Es geht einfach nur um das Lernen."

"Wenn ich mich nicht verbessern würde, müsste ich mir Sorgen machen." David Coulthard

Am Ziel angekommen sieht er sich jedenfalls noch lange nicht: "Es wird noch bessere Tage geben - das hoffe ich. Und es wird schlechtere Tage geben - das befürchte ich. Aber was kann ich tun? Ich habe entschieden, mich der Herausforderung zu stellen. Ich werde weiter ehrlich zu mir und zu euch sein."

Heute jedenfalls war ein Tag, den Coulthard als "besser" bezeichnet. Dass er den Sprung in Q2 geschafft hat, hat ihn selbst überrascht - und natürlich gefreut. "Ich bin ohne spezielle Erwartungen ins Qualifying gegangen, ob das jetzt möglich ist oder nicht. Und es ist natürlich schön, wenn man einen besseren Tag hat. Das liegt in der Natur des Menschen: wenn ihr einen guten Tag in der Arbeit habt, fühlt ihr euch gut. Wenn ich in der Arbeit einen guten Tag habe, fühle ich mich auch gut."

¿pbvin|1|2754||0|1pb¿Dass es für ihn ein Vorteil ist, dass er den Kurs in Valencia noch von den Formel-1-Testfahrten kennt, glaubt Coulthard nicht: "Hockenheim kannte ich ja auch schon aus der Formel 1." Er weiß aber inzwischen auch, was ihm beim Auftakt besondere Schwierigkeiten bereitet hat - abgesehen davon, dass das komplette Umfeld und die Abläufe der DTM dort für ihn noch völlig neu waren.

"Das Schwierige war, den Kerb in Kurve eins so zu schneiden und die Ausfahrt von Kurve zwei weit außen zu nehmen", erklärt er. "Das war für mich wie eine andere Kurve, denn in der Formel 1 konnte man sie nicht schneiden. Ich kenne die Kurve - aber ich kenne sie nicht so. Und ich mag es eigentlich nicht, mein Auto herumzuwerfen. Mein Fahrstil ist recht sanft. Wenn man also wirklich superaggressiv über die Randsteine gehen muss, dann fühle ich mich schlecht. Ich fühle mich dabei nicht gut."

"Ich schlage keine Leute und ich könnte mir auch nie vorstellen, ein Boxer zu sein." David Coulthard

Warum das so ist, erläutert der Schotte in seiner unvergleichlichen Art: "Ich bin keine aggressive Person, ich schlage keine Leute und ich könnte mir auch nie vorstellen, ein Boxer zu sein. Mein Trainer ist begeisterter Kampfsportler, er liebt das und als Fahrer würde er den Randstein sehen und sagen: 'Yeah!' Ich sehe ihn und denke mir: 'Nein, ich will den Kerb nicht rammen'. Aber das muss man machen, um damit auf Speed zu kommen."

Coulthard pflegt also eher den liebevollen Umgang mit den Randsteinen. In Valencia muss er sich dabei auch nicht so überwinden. "Die Kerbs hier sind recht flach, die einzig knifflige Stelle ist Kurve acht, die schnelle Schikane vor dem Ende der Runde. Aber da hängt es davon ab, wie man die Kurven schneidet. Dort kannst du recht viel Randstein mitnehmen", erklärt er. Aber auch dort hatte er schon so seine Bedenken: "Im Training bin ich in die Box gekommen und habe das Team gebeten, den Splitter zu checken. Sie haben geschaut und sagten, dass da nichts sei. Ich sagte: 'Ich habe aber das Geräusch gehört!' ... Und sie sagten lachend: 'Ah, das ist schon okay'."


Fotos: DTM in Valencia


Er habe also wohl ein bisschen Zeit verloren weil er "nicht superaggressiv" war, räumt Coulthard ein: "Aber es geht ja darum, dass ich mich langsam weiter steigere. Es ist wichtig, dass ich sehe, dass ich Fortschritte mache. Jeder hat die Chance, sein bestes Qualifying abzuliefern und jeder hat seine Story, warum es nicht geklappt hat. Aber so ist das im Rennsport. Das wissen wir alle. Zeig mir einen Rennfahrer, der sich nie beklagt. Da wäre ich sehr verwundert."

David Coulthard

In Valencia konnte David Coulthard mit seiner C-Klasse in Q2 einziehen Zoom

Manchmal kommen die Steigerungen auch überraschend - so wie heute Morgen im Freien Training, als plötzlich wesentlich mehr Grip da war. "Ich habe am Schluss einen Satz neue Reifen aufgezogen und in einer halben Runde war ich acht Zehntelsekunden schneller. Und ich hatte keine Ahnung, warum ich acht Zehntel schneller war", berichtet der Schotte. "Also habe ich den Rest der Runde damit verbracht, darüber nachzudenken, wie das wohl passiert ist. Und während ich darüber nachgedacht habe, habe ich nur zwei weitere Zehntel gewonnen."

Doch die Steigerung war da und Coulthards Fazit lautet: "Ich setze mir Referenzpunkte und heute war ein weiterer Referenzpunkt. Heute lief es ganz gut, auch wenn man mich mit Jamie vergleicht, der mit diesen Autos schon viel Erfahrung hat." Das morgige Rennen sei dann wieder eine andere Geschichte: "Mein Ziel ist natürlich, das Rennen zu beenden. Das mehr als alles andere. Denn jedes Mal, wenn ich eine volle Renndistanz absolviert habe, kann ich darauf aufbauen."

Der Mercedes-Star rechnet jedoch mit einem schwierigen und anstrengenden Rennen. "Ich denke, dass das Rennen wirklich schwierig wird. Denn die Streckencharakteristik führt zu einer Menge Übersteuern, viel Rutschen. Und ich muss natürlich einen besseren Start machen als in Hockenheim", bekennt er. Zwischen den Rennen hat er in der Nähe von Berlin mit seinem Mücke-Team auch extra Startübungen absolviert.

Nicht perfekt, aber wesentlich besser

"Ich kann nicht sagen, dass es perfekt ist, aber es wird wesentlich besser", berichtet er zu Thema Starten. Immerhin sei es ihm gelungen, in einer durchaus guten Zeit von 2,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen - wenn auch nur einmal, wie er schmunzelnd ergänzt: "Aber wenigstens weiß ich, dass ich dazu in der Lage bin. Das Schwierige ist jedoch, es konstant zu schaffen."

David Coulthard

David Coulthard rechnet mit einem anstrengenden und heißen Rennen Zoom

Im Training fuhr Coulthard auch Longruns - zum einen, um weitere Kilometer abzuspulen und zum anderen, um herauszufinden, wie anstrengend ein Dauerlauf bei der spanischen Hitze im geschlossenen DTM-Boliden werden kann. "Ja, es ist sehr heiß im Auto. Es gibt ja nicht so viel frische Luft. Es wäre schön, wenn es Cabrios wären", witzelt er. "Aber es ist gut, längere Runs zu machen um zu sehen, wo man steht."

Gerade auf einer Strecke wie Valencia sei es wichtig, über die Distanz sanft durch die Kurven zu fahren, weiß der Schotte: "Weil die Reifen recht schnell abbauen können und das Auto zu rutschen beginnt. Ich denke, dass wir in diesem Rennen mehr Abwechslung zwischen den Teams und Fahrern sehen werden. Wenn du einen guten Reifensatz hast und dein Setup bei diesen Bedingungen funktioniert, dann kannst du bei der Rundenzeit viel gewinnen."

Überholen dagegen sei in Valencia eher schwierig. Zwar gibt es Stellen "an denen man innen reinstechen kann". Allerdings sei fraglich, ob man das Auto dann noch abbremsen kann. Denn direkt neben der Ideallinie fehlt schon jeder Grip. Deshalb hat sich Coulthard vorgenommen: "Ich werde einfach meine Linie halten, versuchen, mich am Start aus allem Ärger herauszuhalten und mich dann auf ein schönes, kühles Bier nach dem Rennen freuen. Denn da werde ich ganz schön verschwitzt sein."