• 05.01.2012 08:34

  • von Dirk von Zitzewitz

Zitzewitz-Kolumne: "Warum ich mir die Augen reibe"

Folge zwei unserer Dakar-Kolumne: Beifahrer Dirk von Zitzewitz und sein Pilot Giniel de Villiers haben Erfolg nach dem Motto "Weniger ist mehr"

Liebe Leser von 'Motorsport-Total.com',

Titel-Bild zur News: Giniel de Villiers/Dirk von Zitzewitz

Mit meinem Piloten "Ginny" verstehe ich mich seit langer Zeit fast blind

jetzt habe ich mir schon viermal die Augen gerieben: vier Rallye-Dakar-Etappen, viermal unter den Top-4. Wir sind die krassen Außenseiter und doch: Zweite der Gesamtwertung. Soweit, so wundersam. Soweit, so gut funktionierte unsere Strategie, funktionierte unser Imperial Toyota Hilux wie ein Uhrwerk.

Fünf X-raid-Mini sind hier bei der 2012er-Dakar am Start. Sie sind die haushohen Favoriten, denn sie sind das einzige Semi-Werksteam am Start der härtesten Rallye der Welt. Mein Fahrer Giniel de Villiers und ich hatten uns für die Dakar vorgenommen, unter die Top-10 zu fahren. Wenn wir ganz viel Glück hätten, so haben wir uns im Stillen gedacht, könnten wir ohne eigene Probleme vielleicht unter den ersten Fünf landen.

In Sachen Gesamtwertung gilt diese Parole nach wie vor. Es gibt keinen Grund, nach unserem problemfreien Start die Erwartungshaltung zu korrigieren. Und doch hat das erste Dakar-Viertel gezeigt, was mit einer guten Strategie möglich ist. "Ginny" und ich vertreten die gleiche Herangehensweise. Weniger ist mehr - mit diesem Grundsatz haben wir die Rallye Dakar 2009 gewonnen und damit wollen wir 2012 das Ziel in Lima erreichen.

Wir kennen unser Limit ziemlich gut und können die Leistungsfähigkeit des Materials und unseres eigenen Könnens gut einschätzen. Auch wenn bei einer Dakar ein minimaler Fehler zum Aus führen kann: Wenn wir nicht permanent über das Limit gehen, belasten wir das Material weniger und riskieren weniger Fahrfehler. Auf den ersten vier Dakar-Etappen hat diese Methode wunderbar funktioniert.

Die großen Unbekannten in Peru

Auch wenn wir wissen, dass wir mit einem brandneuen Prototyp am Start sind, der liebevoll aufgebaut und vorbereitet ist, aber ein großes Fragezeichen im Gepäck hat: Hält das Material den enormen Belastungen der Dakar stand? Die Hitze auf den südlicheren Argentinien-Etappen war unfassbar groß. Bis auf 50 Grad Celsius kletterte das Thermometer - höher denn je in den vergangenen drei Jahren im gleichen Gebiet. Doch unser Team von Hallspeed bereitet den Imperial Toyota Hilux V8 täglich mit einer großen Akribie vor - ein beruhigendes Gefühl.


Fotos: Rallye Dakar 2012


Wenn wir unter die Geschehnisse des ersten Dakar-Viertels zwei Striche machen und die Summe bilden bleibt die Erkenntnis: Wir haben viel erreicht, nur das Ziel in Lima noch lange nicht. Wir können mit unserer Fahrweise, unserer Leistung und unserem Material mehr als zufrieden sein - ein derartig gutes Zwischenergebnis konnte man einfach nicht erwarten. Doch bis zum Ziel liegen noch 3.280 Prüfungskilometer vor uns.

Und damit Fiambala und die berüchtigten weißen Dünen. Und damit die Schleife rund um Copiapo, bei dem kräftig ausgesiebt werden dürfte. Und damit die Iquique-Etappe, die ein echter Gradmesser werden wird. Wovor ich jedoch den meisten Respekt habe, das sind die vier unbekannten Etappen in Peru. Aber auch Vorfreude: Mir hat Neuland immer gelegen - siehe Dakar 2009, die erste in Südamerika, die Giniel und ich gewonnen haben. Und wer weiß, wie oft ich mir bis dahin noch die Augen reiben darf...

Drückt uns weiter die Daumen,

Euer Dirk