• 19.01.2011 12:08

  • von Stefanie Szlapka

Nissen: "Sind jetzt Maßstab in diesem Sport"

Volkswagen-Motorsportdirektor Kris Nissen über den Dakar-Hattrick, den Vorsprung im Vergleich zur Konkurrenz, die Bedeutung der Technik und neue Hersteller

(Motorsport-Total.com) - Volkswagen durfte auch in diesem Jahr bei der Rallye Dakar jubeln: Dreifachsieg und gleichzeitiger Hattrick. An den Wolfsburgern scheint in der Wüste derzeit kein Weg vorbei zu führen. Volkswagen-Motorsport-Direktor Kris Nissen erläutert im Exklusivinterview mit 'Motorsport-Total.com' die Gründe für den Dakar-Erfolg, spricht über die Bedeutung der Technik und neue Hersteller und analysiert, was Sieger Nasser Al-Attiyah in diesem Jahr ausgezeichnet hat.

Titel-Bild zur News: Nasser Al-Attiyah, Kris Nissen

Kris Nissen mit dem Dakar-Sieger des Jahres 2011, Nasser Al-Attiyah

Frage: "Herzlichen Glückwunsch zum Dakar-Sieg und gleichzeitig zum Hattrick. Nach Giniel de Villiers und Carlos Sainz konnte sich nun auch Nasser Al-Attiyah zusammen mit Timo Gottschalk den Gesamtsieg sichern."
Kris Nissen: "Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Schwierigkeitsgrad des Streckenverlaufes der Dakar 2011 hat uns nicht überrascht. Wir wussten, dass die ASO noch mal einen draufgelegt hat. In der Tat war es auch für die Fahrer, Beifahrer und Fahrzeuge eine sehr große Strapaze - lange Etappen mit einem sehr hohen Off-Road-Anteil. Wir sind froh, dass der Race Touareg 3 so viel besser ist als sein Vorgänger."

"Das hat dazu geführt, dass wir von Anfang an eine Strategie fahren konnten, in der wir die Fahrer gebeten haben, kein Risiko einzugehen. Trotzdem konnten wir ein sehr hohes Tempo vorlegen. Dieser Umstand hat mit Sicherheit Stéphane Peterhansel und BMW X-raid etwas überrascht und sie haben dadurch, so meine ich, kleine Fehler gemacht. In der Folge hat sich langsam ein Zeitabstand entwickelt. Sie haben dann versucht, mitzuhalten und weitere kleine Fehler begangen."

"Ich hätte mir schon gewünscht, dass Stéphane Peterhansel nicht innerhalb von zwei Tagen einen so großen Rückstand eingehandelt hätte. Dann hätten wir mehr Spannung vorne und ein noch sportliches Rennen gehabt. Letztendlich können wir uns aber nicht beklagen, wenn die anderen Fehler machen. Wir hatten ein perfektes Rennen und konnten zeigen, wie gut wir sind."

"Ich glaube, ich lüge nicht mit der Behauptung, dass dieses Team das beste der ganzen Welt in diesem Sport ist. Insbesondere das Team war im Service noch besser vorbereitet. Wir hatten über die ganze Dakar hinweg keine technischen Probleme oder Defekte - alle vier Autos schafften es ins Ziel."

¿pbvin|8|3403||0|1pb¿Frage: "Aber der Vorsprung des Volkswagen-Teams war schon beeindruckend..."
Nissen: "Ich muss sagen, der Motorsport ist ein Technik-Sport. Man muss verstehen, wenn ein Team ein bisschen hinterherhinkt, muss es versuchen, große Schritte zu machen, um wieder den Anschluss zu finden. Damit ist es sehr beschäftigt. Das Team, das vorne ist, kann sich darauf konzentrieren, so weiterzumachen wie bisher und parallel dazu Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Das ist schon ein großer Vorteil."

"Das ist ungefähr so wie zwei gleich gute Sportler, die um die Wette laufen und der eine darf ein paar Minuten vorher loslaufen. Es wird dann für den anderen sehr, sehr schwierig einzuholen. Das ist die Situation, die wir im Moment hier haben. Wir sind jetzt Maßstab in diesem Sport - vom Team, aber auch vom Fahrzeug her. Die anderen müssen sich ständig überlegen, wie sie das Fahrzeug schneller und besser machen können, gleichzeitig muss es zuverlässig sein. Die haben mehr Bereiche, in denen sie sich verbessern müssen und das ist natürlich schwierig."

Der Race Touareg gab auch in diesem Jahr das Tempo vor Zoom

Frage: "Tut es der Dakar gut, dass X-raid mit dem MINI ein weiteres Fabrikat bei der Rallye Dakar einführt?"
Nissen: "Es ist gut für die Dakar, wenn Wettbewerb da ist und auch für uns. Die Nummer mit dem MINI finde ich sehr gut. Er ist süß und es war eine große Leistung des Teams, das Auto in so kurzer Zeit zu bauen. Ich bin auch sicher, dass der MINI in der Zukunft ganz vorne mitfahren wird. Da steckt ein gutes Team dahinter und sie haben auch gute Fahrer. Ich glaube, für diesen Sport ist das eine sehr gute Sache und wir würden uns natürlich auch wünschen, dass noch andere Hersteller den Mut hätten, hier einzusteigen. Ich weiß, dass viele Interesse haben und ich kann nach wie vor sagen: Volkswagen hat ein sehr gutes Feedback - wir haben genug Analysen und Mediendaten."

"Zudem fließen einige technische Daten vom Rennfahrzeug in die Serie ein. Wenn wir jetzt den Amarok sehen, mit dem 2Liter-Diesel und Doppelturbo - das stammt ja in einer gewissen Form auch vom Race Touareg. Die Dakar ist eine Motorsportart, in er man beim Fahrzeug viele Freiheiten hat und das bietet den Technikern viele Möglichkeiten, neue Wege zu gehen. Das ist auch eine Herausforderung und so sollte Motorsport auch sein."

"Wenn man zurückgeht, gab es in allen Rennklassen viele Möglichkeiten an Bremse, Getriebe, Motor. Wenn man den Motorsport heute sieht, dann gibt es viele Rennserien, in denen sehr viele Bereiche limitiert sind und Einheitskomponenten eingesetzt werden. Das ist auch völlig in Ordnung, aber bei Veranstaltungen wie Le Mans oder der Dakar, kann man noch sehr viele Sachen entwickeln und der Hersteller kann zeigen, was er kann. In der Formel 1 hat man zwar auch viele Freiheiten, aber hier steckt auch sehr viel Hightech drin und die Rennen sind nicht so lang."


Fotos: Rallye Dakar 2011


"Bei der Dakar handelt es sich um ein sehr langes Rennen, wie auch die 24 Stunden von Le Mans. Wenn zum Beispiel Audi einen Dieselmotor baut, der einen Le-Mans-Sieg einfährt, dann ist er nicht nur stark und schnell, sondern muss auch vom Kraft-Verbrauchsverhältnis und bei der Zuverlässigkeit sehr gut sein. Wir sehen bei der Dakar, dass gerade an den sehr langen Tagen der Race Touareg einen Tick besser war als der BMW. Wir haben einen kleineren Motor, einen geringeren Verbrauch und ein kleineres Gesamtgewicht. Das heißt, dass wir an den Tagen mit 500 - 600 Kilometern auch weniger im Tank hatten und dadurch noch mal ein viel geringeres Gesamtgewicht. Das entlastet die Reifen und das gesamte Fahrwerk, wodurch man mit einem anderen Setting fahren kann."

"Dann ist der Race Touareg auch relativ einfach zu fahren, weil er so ein gutes Fahrwerk und eine leichte Lenkung hat. Das heißt, dass auch die Fahrer über den Tag nicht ganz so beansprucht werden wie in anderen Fahrzeugen und so zum Ende noch frisch und konkurrenzfähig sind."

Frage: "Was hält Hersteller davon ab, in die Rallye Dakar einzusteigen?"
Nissen: "Die Frage kann ich eigentlich nicht beantworten. Aber man hat bei uns gesehen, dass wir ein paar Jahre gebraucht haben, um an die Spitze zu kommen. Damals war Mitsubishi sehr stark und ein sehr gutes Team mit sehr guten Fahrern. Wir haben es dann geschafft. Vielleicht kann man insgesamt zwei Gründe ausmachen: Man hat erkannt, dass man einige Jahre braucht, um an die Spitze zu kommen und dass mit uns die Messlatte sehr hoch liegt."

Nasser Al-Attiyah

Nasser Al-Attiyah war in diesem Jahr der schnellste der VW-Piloten Zoom

Frage: "Al-Attiyah hat mit einem eindeutigen Vorsprung gewonnen. Was hat er dieses Jahr anders gemacht?"
Nissen: "Zum einen muss ich sagen, dass alle unsere vier Fahrer einen sehr guten Job gemacht haben. Wir haben alle Fahrzeuge im Ziel und es gibt wenige Teams, die das von sich sagen können. Carlos und Nasser waren von Anfang an die beiden Stärksten im Team. Zum Schluss haben Nasser und Timo einfach die wenigsten Fehler begangen. Dadurch haben sie auch verdient das Rennen gewonnen."

Frage: "Können sie schon sagen wie die Zukunft von VW-Motorsport bei der Dakar aussieht?"
Nissen: "Wir müssen erst abwarten, wo die nächste Dakar stattfinden wird und wie man das technische Reglement ausschreibt. Dann wird sich der Vorstand zusammensetzen und ich denke, wir werden bis Mitte, spätestens Ende März eine Entscheidung haben."