Tracy - der ewige Kämpfer
Kaum ein anderer nordamerikanischer Rennfahrer polarisiert die Massen derartig, wie Paul Tracy - am Wochenende hat er sein Heimrennen in Toronto
(Motorsport-Total.com) - Paul Tracy ist 38 Jahre alt und hat noch eine Vertragslaufzeit von vier Jahren beim Forsythe-Team - mit anderen Worten: Nach Ablauf seines Vertrages wird er 42 Lenze zählen und womöglich 21 ChampCar-Saisons absolviert haben. Einmal, im Jahr 2003, hat er die Serie gewinnen können und mit 31 Siegen ist er trotz eines Sébastien Bourdais der erfolgreichste aktive ChampCar-Pilot.

© ChampCar
Paul Tracy ist auch nach 38 Jahren noch nicht müde geworden
In der Saison 2003 zeigte er auch die möglicherweise beste Leistung seiner gesamten Karriere, als er in Toronto alle 112 Runden in Führung lag und sein Vorsprung vor der gesamten Konkurrenz so deutlich war, dass er während der ersten Gelbphase in aller Ruhe an die Box zum Service fahren konnte und bereits wieder auf der Strecke war, noch bevor der Zweitplatzierte den Boxeneingang passiert hatte.#w1#
Und dies ausgerechnet vor seinem Heimpublikum, denn Tracy ist geboren in Scarborough, der heute ein Ortsteil von Toronto ist. Trotzdem ist der Kanadier wohl einer der umstrittensten Figuren im nordamerikanischen Formelsport. Tracy polarisiert, wie kein anderer und das Motto ist ein ganz einfaches: Man mag ihn, oder man mag ihn eben nicht.
Ein Relikt aus alten Zeiten?

© ChampCar
Man mag ihn - oder man mag ihn nicht, Paul Tracy polarisiert Zoom
Gründe dafür, ihn nicht zu mögen, gibt es viele. Tracy ist einer der letzten Typen Rennfahrer, die keinem Zwist aus dem Weg gehen und die immer ein offenes Ohr für eine kleine Fehde mit den Konkurrenten haben. In einer Zeit, in der repräsentative Funktionen für große Konzerne im Leben eines Rennfahrers immer wichtiger werden, wäre er wahrscheinlich der absolute Alptraum für Ron Dennis und Co.
Insofern ist Tracy wohl eine Art Relikt aus einer vergangenen Zeit und wollte man die Kollisionen aufzählen, in die er im Laufe seiner bisherigen Karriere verwickelt war, würde man bald aufgeben müssen. Doch eine der unvergessenen geschah 1993 in Phoenix, als der Kanadier klar in Führung lag und den ahnungslosen Jimmy Vasser abräumte.
Heute sind die beiden gute Freunde und leben in unmittelbarer Nachbarschaft in Las Vegas. Vasser sagt über Tracy, er sei einfach ein Showman und das Montréal-Rennen 2006 untermauert diese Vermutung. In die ChampCar-Historie ging diese Episode ein, als die berühmte "French-Helmet-Controversy".
Die "French-Helmet-Controversy"

© ChampCar
Die Fans lieben den Kanadier und seine ungewöhnlichen Aktionen Zoom
Diese begann in San José, als Tracy seinen Landsmann Alex Tagliani traf und sich nach einem heftigen Disput im Anschluss darüber beschwerte, dass dieser bei der Rangelei seinen Helm aufbehielt. Gleich beim nächsten Rennen in Denver geschah ähnliches - nur war es dieses Mal Sébastien Bourdais, der Tracy in die Quere kam.
Bei der anschließenden Pressekonferenz sagte Tracy: "Zu schade, dass er seinen Helm aufbehielt, denn sonst hätten wir die Dinge gleich an Ort und Stelle regeln können. Aber die französischen Jungs lassen offenbar immer ihre Helme an." Der Franco-Kanadier Tagliani und Bourdais waren beleidigt und animierten daraufhin einige Wochen später die Fans in Montréal, Tracy bei dessen Erscheinen kräftig auszubuhen.
So geschah es und Tracy war zwei Tage lang der absolute Buhmann. Doch womit die Kollegen nicht rechneten, war, dass der Kanadier bei der Fahrerparade am Sonntag mit einer blauen Gesichtsmaske und einem Cape in den Farben der Provinz Quebec auftrat und sich selbstironisch als professioneller Wrestler zu erkennen gab. Tracy traf den Geschmack der Zuschauer und als er neben Bourdais als Zweiter auf dem Podium stand, jubelte ihm die Masse zu.
Bourdais als persönlicher Intimfeind

© xpb.cc
Sébastien Bourdais ist Tracys Lieblingskonkurrent und Zielscheibe Zoom
Die Fehde zwischen "PT", wie ihn seine Landsleute nennen, und Bourdais ist mittlerweile eine mit einer großen Historie. Sie begann mit einer Kollision in Miami 2003 und wurde zwei Wochen später im australischen Surfers Paradise fortgesetzt. "Wir hatten 2004 und 2005 einige Zwischenfälle, aber das macht mir nichts", sagte Bourdais vor einiger Zeit einmal. "Ich werde nicht zurückstecken" - und Tracy sicher auch nicht.
Umso gelegener kam dem Kanadier nun der jüngste Verbalausrutscher von Bourdais, als sich der Franzose über ein angebliches Blocking von Robert Doornbos in Mont-Tremblant lautstark beschwerte. "Was in aller Welt ist nur in Sébastien Bourdais gefahren", fragte sich Tracy jetzt bei "Autosport.com'. "Will er wirklich, dass ihn sogar die Leute in Quebec hassen?"
Die Reaktion sei typisch für Bourdais, der jedes Mal, wenn aus irgendeiner Ecke heraus ernsthafte Konkurrenz erwachse, sofort damit anfangen würde, denjenigen zu beschimpfen. "Das kann doch keiner mehr hören, nicht die Besitzer der ChampCarSerie, die Teambesitzer nicht und auch nicht die Fahrer und die Fans", so Tracy, der jedoch im gleichen Atemzug auch einiges über Robert Doornbos zu berichten weiß.
Doornbos auch bereits auf der Liste

© ChampCar
Noch können sie gemeinsam feiern - Paul Tracy und Robert Doornbos Zoom
"Ich kann mir schon denken, was er in Zusammenhang mit Robert Doornbos meint. Er blockt wirklich viel, das haben schon einige Leute gesagt. In Wirklichkeit hat er mich in dieser Saison bereits viermal im Qualifying aufgehalten: Einmal in Las Vegas, zweimal in Cleveland und einmal in Mont-Tremblant", so Tracy und man sollte sich nicht wundern, wenn da nicht eine neue Fehde vor der Tür steht: "Ich hoffe nur, dass wir unser Auto bis zu den europäischen Rennen aussortiert haben, damit ich für Herrn Doornbos dann ein 'Pain in the Assen' sein kann."
Doch bis es soweit kommt, steht dem Forsythe-Team noch einiges an Arbeit bevor - obwohl das Cleveland-Rennen bewiesen hat, dass man einen "PT" niemals zu früh abschreiben sollte. Zwei Kollisionen und zwei neue Frontflügel hielten den Kanadier nicht davon ab, das Rennen in einem Auto zu gewinnen, das mit Sicherheit nicht das Schnellste auf der Strecke war. Und genau das ist es, was die Fans an dem 38-Jährigen so mögen: Er gibt einfach niemals auf und am Wochenende in Toronto steht sein Heimrennen bevor.

