• 20.02.2008 12:07

  • von Pete Fink

Ist der Donnerstag der Tag des "Mauerfalls"?

Der Donnerstag, der 21. Februar 2008 könnte in die Motorsportgeschichte eingehen - 'Motorsport-Total.com' fasst die aktuelle Situation zusammen

(Motorsport-Total.com) - Immer mehr kristallisiert sich der morgige Donnerstag als der Tag aller Tage heraus, denn nahezu alle US-Medien erwarten dann eine gemeinsame Pressekonferenz der Schlüsselpersonen, auf der über das kommende Schicksal eines wiedervereinten US-amerikanischen Formelsports Bericht erstattet werden soll. Bis dahin geben sich die Beteiligten jedoch noch äußerst vorsichtig.

Titel-Bild zur News: Indianapolis 1991 Start

Alle Zeichen deuten derzeit auf eine wiedervereinigte US-Formelserie

"Die Diskussionen gehen weiter. Ein Agreement muss nach wie vor vervollständigt werden", erklärte etwa John Griffin, der IRL-Vizepräsident für Public Relations gegenüber 'CNN'. "Aber wir bleiben zuversichtlich." Bei 'ESPN' ergänzte Griffin: "Viele IRL-Leute haben dieses Szenario in den vergangenen 13 oder 14 Jahren einige Male durchgemacht. Ich würde es als verfrüht bezeichnen, dieses als beschlossene Sache anzusehen, bevor sich die Schlüsselpersonen beider Seiten nicht im gleichen Raum für eine Pressekonferenz befinden."#w1#

Ins gleiche Horn stieß Fred Nation: "Wir arbeiten die Themen ab", bestätigte der IRL-Sprecher dem 'Indianapolis Star'. "Wir sind optimistisch, dass die Dinge gelöst werden können, aber angesichts der beteiligten Personen ist es jederzeit möglich, dass sich einer davon dazu entscheidet, dass er keine Wiedervereinigung will."

Nation bestätigte auch, dass Tony George direkt mit Kevin Kalkhoven verhandle, der stellvertretend für die restlichen ChampCar-Besitzer Gerald Forsythe, Paul Gentilozzi und Dan Pettit agiere. Kalkhoven wird frühestens am Donnerstag in den USA zurückerwartet.

"Es gibt derzeit kein Agreement, obwohl ich erwarte, dass wir sehr bald eine Ankündigung in Bezug auf unsere Diskussionen mit der IRL sehen werden, so oder so", ließ Davis Higdon, der ChampCar-Vizepräsident für Strategiefragen und Kommunikation gegenüber 'ESPN' verlautbaren. "Solange werden wir unsere Arbeit als ChampCar fortsetzen."

Der genaue Wortlaut wird "Verschmelzung" sein

Verschiedene US-Quellen berichten davon, dass am Dienstag Vertragsentwürfe zwischen beiden Seiten hin und hergeschickt worden seien. Der allgemeine Tenor geht dahin, dass es sich nicht um eine Fusion im klassischen Sinne handeln werde, denn nach der zu erwartenden Vereinbarung wird die IRL als einzige Serie weiterexistieren.

Paul Tracy

Die Panoz-Chassis der ChampCar-Serie werden ausgedient haben Zoom

Es ist jedoch auch keine Übernahme im klassischen Sinne, denn die IRL wird die vorhandenen Güter der ChampCars nicht übernehmen. Die zu erwartende Bezeichnung des Deals lautet "Amalgamation" oder "Verschmelzung". Soll heißen: Die ChampCar-Serie beendet ihre Geschäftstätigkeit und deren Teams schließen sich der IRL an.

Newman-Haas-Lanigan und Walker Racing gelten in diesem Szenario als nahezu sichere Wechselkandidaten, auch Forsythe, PKV, Dale Coyne und Conquest Racing werden erwartet. Ein potenzieller Störenfried könnte Paul Gentilozzi sein, der den Transfer in die IRL nicht mitgehen würde: "Ich kann die Finanzen dazu nicht bereitstellen", erklärte der ChampCar-Mitbesitzer gegenüber dem 'IndyStar.' "Ich habe einen brasilianischen Piloten (Enrique Bernoldi, Anm. d. Red.), der noch nie auf einem Oval war und der auch nicht besonders interessiert daran ist."

Auf der IRL-Seite werden wohl Dreyer & Reinbold und Vision Racing, das Team von Tony George, ihre Mannstärke reduzieren. Der Grund dafür ist ein einfacher: Alleine Vision Racing ist im Besitz von zehn Dallara-Chassis, und wird wohl den Löwenanteil an Fahrzeugen für die ChampCar-Teams stellen müssen.

"Wir haben sicherlich vorausgesehen, was los war und ich würde sagen, dass wir vorbereitet sind", erklärte Larry Curry, der Teammanager von Vision Racing gegenüber 'CNN'. "Wenn wir das letzte Wort erhalten, welches wir noch benötigen, um die Dinge zu verteilen, dann werden wir weitere Antworten haben. Aber um ehrlich zu sein, noch ist das Ganze nicht komplett definiert, wie das alles verteilt werden soll."

Hauen und Stechen um die Dallara-Chassis

Derrick Walker bezeichnete in der 'USA Today' das derzeitige Geschehen im Kampf um die insgesamt etwa 60 zur Verfügung stehenden Dallara-Chassis als "Hauen und Stechen", was wiederum ein klares Indiz dafür ist, dass die ChampCar-Teamchefs das Zusammengehen erwarten: "All die ChampCar-Leute kämpfen um das gleiche Stück Fleisch."

Tomas Scheckter

Vision Racing wird wohl den Löwenanteil an Dallara-Chassis stellen Zoom

Curry sieht dabei vor allem das Problem Zeit: "Wenn sie alles morgen bekannt geben würden, dann käme das nicht zu schnell für mich." Nächste Woche ist der große IRL-Test auf dem Homestead Speedway - bei Vision Racing wurde eine komplette Wochenendschicht anberaumt, denn alle zehn Dallara-Chassis müssen auf die Spezifikationen von 2008 umgerüstet werden. Vision selbst will - gemäß Curry - 2008 zwei Autos an den Start bringen, aber "Tony George muss seine Fahrer noch bekannt geben." Dafür fehlte dem Teamchef logischerweise bislang die Zeit.

Allgemein wird erwartet, dass 16 IRL-Boliden antreten werden, wozu sich acht Autos von ehemaligen ChampCars-Teams gesellen sollen. "16 plus acht ergibt 24", rechnet der Vision-Teammanager vor. "Das wäre schon ziemlich viel, wenn wir das hinbekommen würden. Hoffentlich kommen sie auch alle."

Über die Ovalfähigkeiten der ChampCar-Piloten macht sich Curry wiederum keine Sorgen: "Der Großteil der Fahrer sind exzellente Rundkursracer und natürlich hat Paul Tracy einen Oval-Background, er hat immerhin auf dem Oval Rennen gewonnen." Zudem gäbe es das Beispiel von Ryan Hunter-Reay: "Er kam in die Serie, stieg in ein Auto von Bobby Rahal und hat sich leicht daran gewöhnt."

Curry arbeitet seit 1996 in der Indy Racing League, er begann im Menard-Team mit dem damaligen Fahrer Tony Stewart. "Ich fühle mich extrem erleichtert", beschreibt er seine aktuelle Gemütsverfassung. "Ich bin nun schon so lange dabei und auf einmal geschehen Dinge, die für diesen Sport richtig gut sind."

Ganassi weiß auch nicht mehr

"Hoffentlich", so Curry, "finden beide Seiten nun zu einer großen US-Formelserie zueinander und ganz Amerika kann davon Notiz nehmen. Die Firmen könnten dann an Bord kommen, denn ab sofort würde es Kontinuität und eine Richtung geben."

Ganassi Team 2008

Chip Ganassi (Mitte) weiß noch nicht genau, was auf sein Team zukommen wird Zoom

Dem stimmte Chip Ganassi zu: "Ich weiß genauso viel oder wenig, wie andere", erklärte der Teamchef der 'USA Today'. "Ich hoffe nur, dass es passieren wird. Auf diesem Planeten kann es zusammen keine fünf Menschen geben, die sich dies nicht wünschen."

Ein Problem könnte noch die Zukunft der Formel Atlantic darstellen, die bislang die zweite Liga der ChampCars darstellt. Jene wird in diesem Konglomerat nicht benötigt, da die IRL mit der IndyPro-Serie ihre eigene Nachwuchsliga besitzt. Abhilfe könnte ein Verkauf der Serie an die ALMS darstellen, wo das ChampCar-Team von Pacific Coast Motorsports erwartet wird. PCM unterhält - wie auch Walker Racing und Forsythe- in der Atlantic-Serie ein Rennteam.

"Es gibt soviel zu tun, ich hatte keine Zeit zum schlafen", witzelte IRL-Vizepräsident Brian Barnhardt gegenüber der 'Autoweek' und Mario Andretti, der frühere Fusionsdiskussionen angestoßen hatte, appelliert an höhere Institutionen: "Wenn der liebe Gott es will, dann könnte es dieses Mal geschehen."

Der 9. November 1989 ging in die Geschichte ein, als der Mauerfall die deutsche Wiedervereinigung einleitete. Vielleicht wird der morgige 21. Februar 2008 als das Datum bekannt werden, an dem einer der unnötigsten Kriege im Motorsport sein Ende findet.