Doornbos: "Die Rennen sind härter als in der Formel 1"
Robert Doornbos berichtet in seiner ersten Kolumne von seiner bisherigen ChampCar-Saison, der ungewohnten Nähe zu den Fans und analysiert die Formel 1
Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

© Jeroen Vermeeren
In der ChampCar-Serie fühlt sich Robert Doornbos derzeit pudelwohl
natürlich freue ich mich sehr, hier zum ersten Mal meine eigene Kolumne zu haben. 'Motorsport-Total.com' ist eine tolle, große Webseite, auf der ich auch selbst etliche Stunden verbringe, und dazu ist es gut, wenn die Fans auch durch mich mal einen Insiderblick in die ChampCar-Serie bekommen.
Unser letztes Rennen in Portland war gut, wir haben ein weiteres Podium geholt. Es war natürlich schon eine ganz schöne Herausforderung, da es die erste richtige Rundstrecke war und kein Stadtkurs. Dazu das Regenwetter, das nicht unbedingt zu unseren Gunsten war. Auf der anderen Seite bin ich ja Holländer und fahre gerne im Regen. Wir waren im Nassen die Schnellsten in der Qualifikation, im Trockenen haben wir uns auf Platz zwei qualifiziert - so oder so haben wir für das Rennen damit gut ausgesehen.#w1#
Harter Kampf gegen Wilson in Portland
Es war dann ein trockenes Rennen und ich hatte gleich einen engen Kampf mit Justin Wilson in der ersten Kurve. Danach war es vor allem eine Frage der Strategie, durch die wir leider den zweiten Platz verloren haben und Dritter geworden sind. Dennoch, das ist für uns ein großartiges Resultat, denn das Team ist neu in der Serie, ich auch, und dann gleich dreimal in den ersten vier Rennen auf dem Podium zu stehen, ist nicht schlecht!

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Die Nähe zum Fan wird in Amerika unglaublich groß geschrieben Zoom
Wir müssen uns noch an einiges gewöhnen, zum Beispiel wie nahe die Fans wirklich überall herankommen. Das ist einfach unglaublich! Das Fahrerlager ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Einmal hatte ich sogar einen Fan auf meinem Heckflügel sitzen! Er kam immer näher, schaute ins Auto rein und stellte Fragen! Das ist schon eine ganz andere Welt als die Formel 1, und man sollte diese beiden Serien nicht vergleichen. ChampCar ist mehr eine Art Speed-Festival, das sind drei Tage Spaß, und das Rennen ist das Highlight des Wochenendes, was schön ist. Es ist alles sehr entspannt. Natürlich gibt es auch jede Menge Show, zum Beispiel auf dem Podium mit Feuerwerk und Konfetti, riesigen Champagnerflaschen - das macht schon Spaß.
Auch die Fahrer sind etwas anders. Paul Tracy ist ein gutes Beispiel dafür: Er bringt sein Motorhome zu jedem Rennen und alle seine Autos. Ich habe selbst noch kein eigenes Motorhome, ich muss vielleicht noch etwas später bremsen und mehr Podestplätze einfahren, um mir eines kaufen zu können!
Was mich sehr gefreut hat, als ich in Indianapolis im Fahrerlager angekommen bin, ist, dass die anderen Piloten wie Nick Heidfeld und Giancarlo Fisichella wussten, welche Ergebnisse ich eingefahren hatte, und wissen wollten, wie es ist, die ChampCars zu fahren und welche Storys ich zu erzählen habe. Das ist schon witzig: So anders die Serien sind, die Fahrer sind dennoch eng verbunden.
ChampCars sind ganz anders zu fahren
Es ist auch interessant, wie anders die Autos zu fahren sind. Ich musste tatsächlich mein Training umstellen. Natürlich habe ich auch vorher viel trainiert, als ich in der Formel 1 war, aber da konzentrierst du dich mehr auf den Nacken und die Ausdauer. Hier sind die Rennen länger und härter als in der Formel 1, über eine Stunde und 45 Minuten. Es gibt keine Servolenkung oder elektronische Fahrhilfen. Um schnell zu sein, musst du dich im Wagen schon anstrengen. Es ist körperlich etwas härter als die Formel 1. Auf der anderen Seite hast du weniger G-Kräfte.

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Fahrerisch unterscheidet sich ein ChampCar stark von einem Formel 1 Zoom
Was mir aufgefallen ist: Ich fahre unheimlich gerne Stadtkurse, denn da brauchst du diesen extra Level an Konzentration, denn ein einziger Fehler ist einfach fatal. Ich habe mich vor einigen Wochen auch mit den Formel-1-Piloten in Monaco darüber unterhalten. Du kriegst dabei einen richtigen Adrenalinschub. Alles in allem ist es körperlich und mental eine tolle Herausforderung.
Wir hatten unseren Saisonauftakt in Las Vegas. Ich war davor noch nie dort. Eine interessante Stadt, wie Disneyland für Erwachsene! Das Rennen fand im älteren Teil von Las Vegas statt. Es lief sehr gut, wir haben uns vorne qualifiziert und ich bin im Rennen Zweiter geworden. Es gibt sicher schlechtere Orte auf der Welt als Las Vegas, um ein Podium zu feiern.
Dann ging es gleich nach Long Beach. Das Rennen dort hat eine große Geschichte, mit Fahrern wie Nigel Mansell und Fittipaldi, die schon dort gefahren sind. Auch das ist ein Straßenkurs, der eine große Herausforderung bedeutet. Es gibt dort verschiedene Asphaltbeläge, die machen es nicht einfach. Leider hatten wir dort einen mechanischen Schaden, aber auch das ist Teil des Motorsports.
Houston: "Das wird schmerzhaft hier!"
Dann ging es weiter nach Houston. Ich bin noch nie zuvor auf einer so welligen Strecke gewesen. Als ich im Vorfeld mit meinem Manager Christian Geistdörfer im Mietwagen über den Kurs gefahren bin, haben wir uns nur angeschaut und gesagt: Das wird schmerzhaft hier! Wir haben nur immer wieder das Geräusch gehört, wenn du von einer Betonplatte zur nächsten fährst. Im Rennwagen hatten wir im vierten und fünften Gang noch durchdrehende Räder. Körperlich und mental war es daher ein irre langes Rennen und wir haben sehr gut abgeschnitten, auch dort wieder das Podium geschafft.
Nach der darauf folgenden langen Pause war dann schon Portland das nächste Rennen.

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Mit seiner Minardi-USA-Crew harmoniert Robert Doornbos perfekt Zoom
Es ist eine tolle Serie und ich fahre dort sehr gerne. Natürlich involviert es auch viele Reisen kreuz und quer durch Amerika. Ich bin noch nicht in die USA gezogen. Am liebsten würde ich ja nach Hawaii ziehen, denn ich habe so viele gute Dinge über die Inseln gehört und ich könnte zumindest die Rennen an der Westküste gut von dort aus erreichen! Aber ich fliege eben hin und her. An den Formel-1-Rennen, an denen es terminlich möglich ist, habe ich ja auch noch meine Verpflichtung als Ersatzfahrer von Red Bull. Ich war in Barcelona, Monaco und bin jetzt gerade in Indy. Dann verbringe ich einen Monat in den USA. Vielleicht, wenn ChampCar nächstes Jahr noch auf meinem Programm steht, ziehe ich um, aber ich habe ja auch noch immer Hoffnung auf die Formel 1.
Doch jetzt bin ich froh, mit meinem Minardi-USA-Team und Paul Stoddart zu arbeiten. In der Formel 1 kennt ihn ja jeder - er ist ein toller Typ und hat mir die Möglichkeit gegeben, meinen Traum zu verwirklichen, in der Formel 1 zu fahren. Ich bin für ihn mein erstes Formel-1-Rennen gefahren - das werde ich nie vergessen. In der ChampCar-Serie habe ich ihm gesagt, er solle sich besser daran gewöhnen, dass wir auf der anderen Seite der Startaufstellung stehen! Wir sind nicht mehr hinten, wir sind vorne und können hoffentlich auch bald Rennen gewinnen. Er war noch überraschter als ich, dass wir aufs Podium gekommen sind, und liebt es noch mehr als ich, den Siegerchampagner zu versprühen. Das Team wird von Keith Wiggins geführt, auch ein bekannter Name im Motorsport. Keith macht einen großartigen Job, die Mechaniker und Ingenieure zu motivieren.
Kommen wir zur Formel 1, die ich nach wie vor sehr intensiv verfolge. Zunächst muss ich erst mal Lewis Hamilton ansprechen. Ich kenne seine Familie und natürlich auch ihn sehr gut - das ist wirklich ein Traum, der wahr geworden ist. Ich kenne auch Robert Kubica sehr gut und es war hart für mich, seinen schweren Unfall zu verfolgen. Es war sehr gut, ihn hier in Indy zu sehen, ich habe mich mit ihm unterhalten und man sieht nichts vom Unfall. Das ist wirklich ein Wunder, dass er ohne jeden Kratzer überlebt hat.
Formel-1-Renndebüt für Vettel in Indy

© Red Bull
Schwätzchen mit alten Formel-1-Kollegen beim Grand Prix in Indianapolis Zoom
Es wird hier ein sehr aufregendes Wochenende für das BMW Sauber F1 Team und vor allem für Sebastian Vettel. Ich kann mir vorstellen, wie er sich fühlen muss. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mich gefühlt habe, als sie mich vergangenes Jahr anriefen, um Christian Klien bei Red Bull Racing zu ersetzen. Damit hat man natürlich schon mehr Druck, aber auch viel mehr Spaß. Man muss darauf vorbereitet sein, vor allem natürlich körperlich. Ich bin sicher, er wird versuchen, so früh wie möglich ins Bett zu kommen, um gut zu schlafen und fit zu sein. Man wird nicht nervös, aber es gibt einem doch einen zusätzlichen Adrenalinschub. Auf einmal ist man im Mittelpunkt und wird nicht mehr nach dem Freitagstraining heimgeschickt. Ich erwarte, dass das BMW Sauber F1 Team in Indy stark sein wird. Sie waren auf den Stadtkursen stark, auch in Montréal, das ja ein ganz anderer Kurs ist.
Ich hoffe, Ferrari ist hier wieder stark und kann an der Spitze kämpfen, denn jeder will einen guten Kampf um den Sieg sehen, damit es ein gutes und spannendes Rennen für die amerikanischen Fans wird.
Bei mir geht es stressig weiter, ich bin am Sonntag schon wieder unterwegs nach Elkhart Lake, weil ich dort ab Montag schon wieder meinen nächsten Test habe.


