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  • 22.06.2018 14:16

  • von Roman Wittemeier

Schwein gehabt: Die Porsche-"Rennsau" im Le-Mans-Glück

Le Mans 2018 in der GTE-Pro-Klasse: Christensen/Estre/Vanthoor haben "saumäßig Glück", die anderen die berühmte "Arschkarte" - Aston Martin absolut chancenlos

(Motorsport-Total.com) - Michael Christensen, Kevin Estre und Laurens Vanthoor haben die hart umkämpfte GTE-Pro-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans gewonnen - und auf ihrem Weg zum Sieg Schwein gehabt. Im wahrsten Sinne: Das Trio war im 911 RSR #92 unterwegs, der in diesem Jahr anlässlich des 70. Geburtstag der Marke in den traditionsreichen Farben der legendären 917-"Rennsau" lackiert war. Das "Pink Pig" war ein echtes Glücksschwein für die Crew, die sich frühzeitig dank einer Safety-Car-Phase absetzen konnte.

Titel-Bild zur News: Michael Christensen, Kevin Estre, Laurens Vanthoor

Michael Christensen, Kevin Estre und Laurens Vanthoor siegten in Le Mans Zoom

"An Überschriften mangelt es sicherlich nicht", schmunzelt Porsche-Motorsportchef Frank-Steffen Walliser angesichts der Tatsache, dass das Glück auf Seiten des Schweins war. "Nach der magischen Runde von Gimmi im Qualifying gab es anschließend den magischen Renntag für uns", frohlockt Projektleiter Pascal Zurlinden. "Ungefähr zur Mitte des Rennens war der Vorsprung der #92 auf eine Runde angewachsen. Da war uns klar, dass die Chancen richtig, richtig gut stehen."

Die Frühphase des Rennens hatte das Schwesterauto mit der Startnummer 91 in Rothmans-Lackierung geprägt. Ein Blick auf den Schnitt der besten 40 Rennrunden pro Fahrer macht deutlich: Lietz/Bruni/Makowiecki waren schneller als das später siegreiche Auto. Allerdings hatte man großes Pech. Bei der ersten Safety-Car-Phase kam man nicht in den gleichen Zug wie die "Rennsau" und hatte fortan keine Chance, diesen Rückstand wieder aufzuholen.

Safety-Cars entscheiden das Rennen schon früh

"Wenn du heutzutage mal einen solchen Rückstand hast, dann gibt es keine Chance mehr, dies mit Speed oder anderen Mitteln wieder aufzuholen. Im Gegenteil: Dir wird mit jeder weiteren Safety-Car-Phase noch mehr Rückstand verpasst. Du kannst dich auf den Kopf stellen, doch es geht nichts mehr", sagt Makowiecki, der die Rangliste der schnellsten Fahrer im Rennen anführt. "Das ist ein Fehler in den Regeln, finde ich. Das Rennen war schon nach drei Stunden entschieden. So kann es doch nicht weitergehen, wenn man vernünftigen und fairen GTE-Sport haben möchte."

Viele Fahrer hatten die Tatsache, dass man einen einmal per Zufall entstandenen Rückstand mit klassischen Mitteln nie mehr wettmachen kann, vor dem Rennen im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' scharf kritisiert. "Die Safety-Cars haben das Rennen entschieden. So ist das in Le Mans. Das weiß jeder. Es ist eben ein bisschen Lotterie", meint Ford-Pilot Dirk Müller (3.). "Glückwunsch an Porsche. Deren 70. Geburtstag war stärker als unser 50-jähriges Jubiläum des Le-Mans-Sieges."

Michael Christensen, Kevin Estre, Laurens Vanthoor

Das Schweinchen war als Glückbringer ein ständiger Begleiter Zoom

"Es war das wohl am besten besetzte und härteste Rennen in der GTE-Klasse aller Zeiten. Und das haben wir gewonnen", hält Walliser fest. "Wir haben es aus eigener Kraft gewonnen. Das sieht man am zweiten Platz der #91. Vorne hatten wir ein bisschen Glück, aber Platz zwei war im direkten Kampf gewonnen." Der Porsche #92 konnte vorn frei von allen Zweikämpfen fahren, das Schwesterauto mit der Nummer 91 war immer wieder in Duelle verstrickt. Am Ende betrug der Abstand zwischen den beiden Elfern eine Runde.

"Kannst halt nix machen", zuckt der erfahrene Richard Lietz mit den Schultern. "Ich bin trotzdem stolz auf das, was wir im Rennen erreicht haben", sagt Teamkollege Makowiecki. "Der Abstand nach vorn wäre geringer ausgefallen, wenn der Renndirektor nicht derart gepennt hätte. Der hat uns - und auch viele andere GTE-Autos - eine Minute am Boxenausgang festgehalten. Daher waren alle anderen so meilenweit hinter der #91 zurück."

BoP für alle in Ordnung - außer für Aston Martin

"Um Platz zwei war es ein herrlich enger Kampf bis fast zum Schluss. Wäre da nicht die blöde Slow-Zone gewesen, in der ich acht Sekunden verloren habe, dann wäre es richtig eng geworden", meint Dirk Müller. "Wenn er mich im Rückspiegel gesehen hätte ... das ist immer nochmal etwas anderes. Aber egal: Wir sind auf dem Podium und damit zufrieden." Zufrieden sind nahezu alle Hersteller - selbst jene, die nicht auf dem Podest waren. Der Grund: Die BoP hatte am Ende doch allen eine Siegchance ermöglicht.

"Alle Autos waren innerhalb von drei Zehntelsekunden. Das hat unsere Analyse ergeben. Corvette, Ferrari, BMW, Ford und Porsche hatten schlappe drei Zehntel zwischen sich bei 20 Prozent der schnellsten Runden. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen", erklärt Porsche-Rennleiter Walliser. Einzig Aston Martin war ohne Möglichkeiten. Der neue Vantage GTE konnte das Tempo der Konkurrenz nicht ansatzweise mitgehen.

Gianmaria Bruni, Frederic Makowiecki

Eigentlich war der 911 RSR von Lietz/Bruni/Makowiecki schneller Zoom

"Das Rennen war unter diesen Voraussetzungen eine einzige Qual. Wenn du drei Sekunden Rückstand pro Runde hast, dann ist es halt langweilig. Aber wir konnten rein gar nichts machen", meint Nicki Thiim. Markenkollege Maxime Martin stimmt zu: "Wir hatten absolut keine Chance. Wir hatten nicht genug Erfahrung mit den Reifen, unser Auto ist noch neu und wir haben nun auf die harte Tour gelernt. Das war schmerzhaft - gar keine Frage."

Porsche-Liste: Diese Faktoren sind in Le Mans wichtig

Martins ehemaliger Arbeitgeber BMW zeigte das Potenzial des neuen M8 GTE im Rennen deutlich auf. "Unser Auto ist vorn dabei. Das haben wir gezeigt. Es war halt so, dass uns Le Mans ein paar harte Lektionen erteilt hat. Wir haben viel gelernt. 2019 wollen wir diese Dinge dann in Le Mans umsetzen", fasst BMW-Motorsportchef Jens Marquardt zusammen. "Ich konnte den zweitplatzierten Porsche unter Druck setzen", freut sich Philipp Eng. BMW wurde durch Defekte an Dämpfern weit zurückgeworfen.

"Das zeigt, du musst mit vier Autos fahren - oder wenigstens mit dreien. Ford hatte ein Problem, Aston eins, BMW mehrere, Ferrari eins und Corvette auch. Du musst mehr als zwei Autos haben, sonst geht es gar nicht", meint Porsche-Motorsportchef Walliser. "Nachdem wir 2018 nicht das Glück hatten und auch noch nicht ganz da waren, haben wir alles konsequent durchgepflügt: Tests, Performance, Zuverlässigkeit und so weiter. Im Zuge dessen haben wir die Aufstellung mit vier Autos festgelegt. Das war richtig. Das hat sich klar gezeigt."

Porsche hatte die Erfahrungen vom Vorjahr zusammengefasst und im Zuge eines Fitnesscamps vor dem Start ins WEC-Jahr 2018 eine Liste mit den wichtigsten Faktoren aufgestellt. Neben dem Punkt "Topfahrer mit Hirn" standen unter anderem die Faktoren "Reifen, Bremsen, Stoßdämpfer" sowie "Einen Schritt voraus sein / mehr wissen", "Tracktime für Fahrer" und "Konkurrenzbeobachtung (BoP)" auf dieser Liste. Dass der Einsatz von vier 911 RSR ein Schlüssel war, zeigte sich anhand der Startnummer 94.


24h Le Mans 2018: Packender GTE-Pro-Zweikampf

Zwischen Fred Makowiecki (#91) und Sebastian Bourdais (#68) geht es ordentlich zur Sache

Timo Bernhard, Romain Dumas und Sven Müller hatten in den 24 Stunden von Le Mans 2018 nur wenig zu melden. Mehrere Gründe waren dafür verantwortlich. "Die Fahrer hatten im Vergleich wenig Erfahrung im Auto, der Unfall von Sven hat auch nicht geholfen", sagt Walliser. "Beim Start war man auf anderen Reifen - aus meiner Sicht auf den falschen Reifen. Und dann ist auch noch der Bolzen im Fahrwerk gebrochen." Die #94 kam nicht ins Ziel, ebenso wie der BMW #82 (Unfall) und die Corvette #64 (Überhitzung).

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