• 01.10.2013 13:01

  • von Roman Wittemeier

Kaffer: "Wir wollen die Meisterschaft gewinnen"

LMP-Spitzenpilot Pierre Kaffer im Interview: Erfolge mit Pecom, Aussichten auf die LMP2-Krone und Pläne für 2014: "Zu allen Schandtaten bereit!"

(Motorsport-Total.com) - In der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) steht das große LMP1-Duell der Werke Audi und Toyota stets im Fokus. Die Hersteller schreiben die großen Schlagzeilen, dabei findet im Hintergrund nicht minder guter Sport statt. In den GT-Klassen und in der heiß umkämpften LMP2-Kategorie ist der Kampf um Siege vermutlich noch viel härter als in der LMP1-Klasse, wo Audi in diesem Jahr von Erfolg zu Erfolg marschiert.

Titel-Bild zur News: Pierre Kaffer

Pierre Kaffer liegt mit seiner Pecom-Mannschaft auf LMP2-Titelkurs Zoom

In der LMP2-Klasse bewegen sich die Orecas, Morgans, Lotus und Zyteks oft auf Augenhöhe. Die Luft an der Spitze ist extrem dünn. Umso höher zu bewerten sind die konstanten Erfolge von Pecom. Das Team um den Deutschen Pierre Kaffer war in der laufenden Saison immer in den Top 3. Diese unglaubliche Konstanz hat das Team mittlerweile an die Spitze der LMP2-Wertung gebracht. Im Interview berichtet Kaffer von den Erfolgsrezepten und den Aussichten für die Rennen in Fuji, Schanghai und Bahrain.

Frage: "Pierre, du zeigst in diesem Jahr gemeinsam mit deinen Pecom-Teamkollegen eine unglaubliche Konstanz. Eure Erfolge haben euch ganz nach vorn gebracht. Was denkst du beim Blick auf die LMP2-Wertungen?"
Pierre Kaffer: "Die schaue ich mir natürlich besonders gern an. Wenn man in einer solch hart umkämpften Klasse - und die LMP2 war noch nie so heftig wie jetzt - in der Teamwertung auf Platz eins und bei den Fahrern mit nur drei Punkten Rückstand auf Rang zwei liegt, dann ist das schon ein großartiges Gefühl."

"Die LMP2-Klasse in der WEC ist dermaßen hart umkämpft, das hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter gesteigert. Die Rennen in unserer Klasse sind immer super spannend. Es gibt dort kein bisschen Platz für Fehler. Wenn man in einem solchen Wettbewerbsumfeld ein Rennen gewinnt, wie uns das in diesem Jahr in Spa-Francorchamps gelungen ist, dann kann man darauf durchaus stolz sein."

Pecom mit konstanter Entwicklung

Frage: "Ihr habt bisher in diesem Jahr einen Sieg und vier weitere Top-3-Platzierungen verbucht. Wie erreicht ihr diese Konstanz?"
Kaffer: "Es war eine harte, konsequente und lange Arbeit, das Team so weit nach vorn zu bringen. Als wir vor zwei Jahren in der LMP2 angefangen haben, da mussten wir feststellen, dass wir uns an vielen Ecken verbessern müssen. Das ist 2012 geschehen. Auch zu diesem Jahr haben wir nochmal investiert und uns erheblich verbessert. Unser Team ist nun da, wo man sein muss, um vorne mitfahren zu können. Wir ernten nun die Früchte unserer Arbeit der vergangenen Jahre."

Frage: "Konstanz in den Ergebnissen liegt nicht nur am Auto, sondern auch an den Fahrern. Funktioniert das Zusammenspiel bei euch so gut?"
Kaffer: "Seit drei Jahren fahre ich mit Luis Perez Companc zusammen. Wir verstehen uns super. Der Luis hat in unserer gemeinsamen Zeit ganz deutliche Fortschritte gemacht. Das ist schön zu sehen. Seit einem Jahr ist bei uns auch Nicolas Minassian an Bord. Wir sind eine erstklassige Einheit. Wir ergänzen uns und spielen perfekt zusammen."

Luis Perez Companc, Nicolas Minassian, Pierre Kaffer

Zuverlässig und Konstant: Bei Pecom läuft 2013 bislang alles rund Zoom

Frage: "In der LMP2-Klasse fahren viele Oreca-Nissan-Autos, wie auch ihr einen habt. Bei solch baugleichen Autos macht der Fahrer dann den Unterschied?"
Kaffer: "Der Fahrer macht letztlich immer den Unterschied. In den WEC-Wertungen sind wir das bestplatzierte Team mit einem Oreca-Nissan. Unser Hauptgegner in der Meisterschaft hat ein anderes Auto. Oak setzt den Morgan-Nissan ein. Die haben ihr Auto im Winter nochmal erheblich verbessert. Die sind halt nicht nur Team, sondern auch Hersteller, daher können sie ihr Auto im Winter entwickeln und immer wieder neu homologieren."

"So etwas geht bei uns nicht. Wir können nur auf Grundlage des Fahrzeuges, das wir haben, das Beste herausholen. Das geht über absolute Feinarbeit im Detail. Kleine Dinge können ein Zehntel, manchmal auch zwei ausmachen. Bei der Suche nach der möglichst optimalen Abstimmung für ein Sechs-Stunden-Rennen spielen viele Faktoren mit hinein. Da geht es nicht nur um das Tempo auf eine schnellen Runde, sondern vor allem geht es um Konstanz, Fahrbarkeit und Haltbarkeit der Reifen. Mit unserer großen Erfahrung bekommen wir das oft gut hin."

Macht der Reifen den Unterschied?

Frage: "Ihr seid vor dem Saisonstart von Dunlop zu Michelin gewechselt. Welche Rolle spielen die Reifen?"
Kaffer: "In der WEC gibt es diese zwei Hersteller. Wir haben uns entschieden, mit Michelin zusammenzuarbeiten. Die sind dermaßen lange am Markt, haben so viel Erfahrung. Wir sind von deren Produkten überzeugt - daher der Wechsel. Bislang sind wir sehr zufrieden. Ich gehe davon aus, dass in den letzten drei Saisonrennen unser Reifen einige Vorteile bieten kann."

Frage: "Hinter dem Team Pecom steht AF Corse, die den Einsatz eures Autos organisieren und abwickeln. Ist euer Team vollständig vom AF-Corse-GT-Programm getrennt?"
Kaffer: "Natürlich sind wir an den Rennwochenenden alle viel zusammen. Aber dennoch ist jedes AF-Corse-Team autark. Das bedeutet, dass nicht plötzlich ein Mechaniker vom GTE-Pro-Auto bei uns ein Rad wechselt. Das ist im Einsatz vollständig getrennt. Aber natürlich sind wir eine Familie. Man muss sich das mal vor Augen halten: AF Corse setzt in diesem Jahr weltweit 95 Rennfahrzeuge ein, oder liefert zumindest den technischen Support. Das ist gewaltig, was Amato Ferrari da auf die Beine gestellt hat. Insgesamt sind seine Autos bei 115 verschiedenen Rennen 2013 am Start. Wahnsinn für ein Privatteam."

Pierre Kaffer, Nicolas Minassian

Seit rund einem Jahr Teamkollegen: Pierre Kaffer und Nicolas Minassian Zoom

Frage: "Schauen wir auf die drei verbleibenden WEC-Rennen des Jahres. Wo könntet ihr Vorteile gegenüber der Konkurrenz von Oak haben?"
Kaffer: "Wir hoffen natürlich, dass es überall sein wird. In Fuji lässt es sich schlecht einschätzen, denn dort gibt es diese extrem lange Gerade. Fuji ist aber einer meiner Lieblingskurse, dort bin ich immer schnell unterwegs. Unser Auto war im vergangenen Jahr dort richtig gut, also rechne ich mir etwas aus. Dann kommt Schanghai. Dort wird der Reifen im Fokus stehen. Unser Michelin sollte auf dem heftigen Asphalt dort, der wirklich kein Spaß für den Reifen ist, gut funktionieren."

"Danach kommt das Finale in Bahrain. Dort haben wir 2012 gewonnen. Das sind gute Erinnerungen und Voraussetzungen. Da wollen wir natürlich auch in diesem Jahr ganz vorne dabei sein. Aber es muss halt immer alles zusammenpassen. Das Team muss funktionieren, die Technik und die Fahrer ebenso. In einem Rennen über sechs Stunden kann viel passieren, vor allem bei einem solch engen Wettbewerb wie in der LMP2. Man braucht auch immer das nötige Glück."

Titel als Ziel: Und was kommt danach?

Frage: "Was soll am Ende der Saison unter dem Strich stehen?"
Kaffer: "Ganz klar: Wir wollen beide Wertungen für uns entscheiden. Das wäre ein Traum. Für unsere Mannschaft ist natürlich die Teamwertung ganz wichtig. Und dort sind wir jetzt vorn. Bei den Fahrern sind wir knapp hinter einem Oak-Trio, es sind nur drei Punkte. Das ist also zu schaffen. Wenn wir auch dort am Ende vorne stehen, dann dürfen wir uns über die LMP2-Fahrertrophy freuen..."

Frage: "...aber ihr dürft euch trotz des Gewinns der Meisterschaft in eurer Klasse nicht Weltmeister nennen..."
Kaffer: "Ja, das ist ein Witz. Das muss mal jemand verstehen, dass man in einer Weltmeisterschaft - und die WEC ist nun einmal die Langstrecken-WM - seine Klasse gewinnt und dann nicht Weltmeister ist. Komisch, oder? Ich werde mich einfach LMP2-Weltmeister nennen - ist mir ganz egal (lacht). Wenn ich die Meisterschaft gewinne, dann nenne ich mich so. Fragt doch keiner nach. Wie soll ich denn jemandem erklären, dass ich in einer WM die Meisterschaft gewinne und mich dann nur 'FIA-Endurance-LMP2-Trophysieger' schimpfe? Das schnallt doch keiner."

Frage: "Du hast in diesem Jahr neben der WEC auch erfolgreiche Einsätze auf der Nordschleife und in der Grand-Am gehabt. Was zeichnet sich für das kommende Jahr ab?"
Kaffer: "Bisher noch nichts Konkretes. Mein Traum ist es immer noch, in der WEC in einem LMP1-Team zu fahren. Auf jeden Fall würde ich gern weiter in einem Prototypen fahren, am liebsten in der WM. Unsere WEC-Saison geht fast bis Dezember, daher gehe ich davon aus, dass die Entscheidungen bezüglich 2014 recht spät fallen werden."


Fotos: WEC in Austin


"Auch die neue USCC in den USA ist interessant. Die haben dort wunderbare Strecken und Events im Kalender: Daytona, Sebring, Indianapolis, Petit Le Mans und so weiter. Das ist hoch interessant. Aber es gibt eben auch noch einige Fragezeichen. Die 24-Stunden-Klassiker am Nürburgring und in Spa will ich wieder fahren. Ich bin in diesem Jahr allein auf der Nordschleife drei verschiedene Marken gefahren: Porsche, Mercedes und Ferrari. Die Umstellungen fallen mir nie schwer. Kurzum: Ich bin zu allen Schandtaten bereit!"