• 26.06.2015 08:17

  • von Roman Wittemeier

40 Jahre danach: Derek Bell und sein Gulf GR8

40 Jahre nach dem Le-Mans-Sieg mit dem Gulf GR8 trifft sich 'Motorsport-Total.com' mit Derek Bell im legendären Hotel de France: Erinnerungen des Champions

(Motorsport-Total.com) - Ein sonniger Tag in Westfrankreich. Im kleinen 1.500-Einwohner-Dorf La Chartre-sur-le-Loir sorgt die brennende Sonne für erheblichen Bierdurst britischer Gäste auf der Terrasse des Hotel de France. Der kleine Marktplatz ist brechend voll. Menschen und Maschinen teilen sich den engen Raum zwischen den Häuserzeilen. Im Zentrum des Interesses steht der britische Rennfahrer Derek Bell und ein besonderes Fahrzeug: der Gulf GR8, mit dem der 73-Jährige genau vor 40 Jahren seinen ersten Le-Mans-Erfolg einfahren konnte.

Titel-Bild zur News: Hotel de France Gulf GR8

1975 siegten Derek Bell und Jacky Ickx mit dem Gulf GR8 in Le Mans Zoom

"Ich habe eine enge Beziehung zu diesem Fahrzeug, aber die Erinnerungen sind seit 1975 natürlich etwas verblasst. Beim Blick auf das Auto kommt einiges wieder hoch", sinniert Bell im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Noch mehr Erinnerungen kommen hoch, als Bell das Restaurant des Hotel de France betritt. "Hier hat sich kaum etwas verändert", schildert er. Die Blicke wandern von einem historischen Foto zum nächsten, bei einigen Bildern huscht ein schnelles Lächeln über das Gesicht des fünfmaligen Le-Mans-Champions.

Das Hotel de France ist ein unscheinbarer, aber dennoch historischer Schauplatz. Genau hier hat der legendäre Teamchef John Wyer in den 1970er-Jahren seine Mirage-Einsatzautos vorbereiten lassen. Per Transporter ging es täglich die rund 50 Kilometer Landstraße zwischen Le Mans und La Chartre-sur-le-Loir hin und her. In einer benachbarten Garage wurde geschraubt und gebastelt, im Hotel de France genächtigt, gespeist und gefeiert, die Fahrzeuge im Hinterhof geparkt.

Familientreffen in französischem Dorf

Bell hat seinen Sohn Justin, mit dem er vor 20 Jahren das 24-Stunden-Rennen gemeinsam im McLaren gestritten hat, sowie die Schwiegertochter und die Enkelkinder mitgebracht. Die Familie hat im kleinen Hotel, das im vergangenen Jahr wegen einer drohenden Pleite von einem leidenschaftlichen britischen Motorsportfan übernommen wurde, eine zweite Heimat gefunden. "Hier bin ich quasi aufgewachsen", sagt Justin Bell und grinst seinen Vater an.

Derek Bell

Hat reichlich Anekdoten auf Lager: Die britische Legende Derek Bell Zoom

"Ich erinnere mich, wie am Tag vor dem Rennen all meine Cousins - und das sind viele - hier aufgetaucht sind. Die haben natürlich am Abend gesoffen. Lauthals singend haben sie auf Knien eine Polonäse durch das Restaurant veranstaltet - und ich konnte nicht schlafen", schmunzelt Derek Bell. "Ich habe um Ruhe gebeten. Dann ging es - vorerst. Nachts hat einer meiner Cousins sein Zimmer nicht gefunden und lag schnarchend an meiner Tür. Das war der Wahnsinn!"

Trotz der mangelnden Nachtruhe gestaltete Bell das Le-Mans-Rennen 1975 gemeinsam mit seinem Teampartner Jacky Ickx zu einer Triumphfahrt. Unter dem Banner von Gulf Research Racing schaffte es die Mannschaft, sich gegen die starken Ligiers und den von Joest eingesetzten Porsche 908 durchzusetzen. Es war ein Sieg, der zwar über fast die gesamte Renndistanz souverän und locker wirkte, aber dennoch während der 24 Stunden stets am seidenen Faden hing.

Cosworth-V8-Motor als Achillesferse 1975

1975 herrschte in Europa die große Ölkrise. Der ACO gab neue maximale Verbrauchswerte bekannt. Pro Tankfüllung (100 Liter) mussten die Fahrzeuge 20 Runden schaffen. Dafür war der 3,0-Liter-Cosworth nicht gebaut. Man drehte die Höchstdrehzahl auf rund 8.000 Touren zurück und verordnete den Piloten das Sparen von Benzin und das Schonen des Antriebs als Hauptziel. "So richtig angasen durften wir nur im Qualifying. Daher war es irgendwie ein seltsames Rennen", erklärt Bell.

Hotel de France

In diesem Hinterhof des Hotel de France waren die Rennfahrzeuge geparkt Zoom

Alle hatten dem Gulf-Team vom Einsatz des eigentlich für die Formel 1 entwickelten Triebwerks abgeraten. Sogar aus dem Hause Cosworth kam die Ansage, dass ein solches Unterfangen kaum machbar sei. "Alles dann doch kein Thema", lächelt Bell. "Wir hatten ganz andere Probleme. Die Hitze im Auto war unerträglich, weil die Rohre der Kühlung direkt neben dem Körper verliefen. Und am Ende hatten wir einen Aufhängungsschaden hinten. Das Heck rutschte nur noch wild umher."

Alle die Strapazen lohnten sich. Am Nachmittag des 15. Juni 1975 jubelten Bell und Ickx gemeinsam vom Podium in Le Mans. "Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass meine persönliche Zukunft auf der Langstrecke liegt", sagt der Brite. Das Rennen vor 40 Jahren war ein entscheidender Wegweiser auf den verzweigten Spuren des Motorsports. Wollte Bell ursprünglich in der Formel 1 ganz nach oben, war es fortan eine ganz andere Szene, die ihn in den Bann zog.

Herstellerkrieg: Ford wollte Ferrari kaufen

"Als ich 1975 meinen ersten Le-Mans-Sieg gefeiert habe, war ich seit rund zehn Jahren im Motorsport unterwegs. Schon 1968 wollte mich John Wyer im Ford GT haben, aber ich war damals gerade von Ferrari unter Vertrag genommen worden. Herr Ferrari wollte nicht, dass ich als sein Werksfahrer in einem Ford fahre", blickt Bell zurück. "Ich konnte das damals gar nicht verstehen, ich hatte überhaupt keinen Schimmer von Politik. Es war zu jener Zeit nämlich ganz besonders viel Brisanz drin, weil Ford eigentlich Ferrari übernehmen wollte."

"Ich habe damals nur gedacht: 'Warum soll ich keinen Ford fahren? Ferrari fährt selbst in Le Mans, setzt mich dort aber nicht ein. Also was spricht gegen einen Einsatz bei Ford?' Einen Test habe ich immerhin absolvieren dürfen. Ich hätte im Rennen gemeinsam mit Pedro Rodrigues fahren sollen. Aber da war halt Ferrari, der mir meinen Vertrag unter die Nase gehalten hat mit der Bitte, diesen gefälligst zu respektieren", beschreibt Bell die damaligen Verstrickungen.

Derek Bell Gulf Mirage GR08 1975 Le Mans

Ölkrise sei Dank: Der Gulf GR8 war auf aerodynamische Effizienz ausgelegt Zoom

"Wichtig in diesem Zusammenhang war, dass Herr Ferrari wirklich Ford gehasst hat, weil die ihm seinen Laden wegkaufen wollten", erklärt der 73-Jährige die politisch angespannte Lage zwischen den Amerikanern und den Italienern. Etwas Wehmut schwingt in der Stimme des Briten mit. Kein Wunder, denn: "Pedro gewann damals gemeinsam mit Lucien Bianchi das Rennen. Da hätte ich drinsitzen sollen." Statt mit Ford in Le Mans fährt Bell Formel 1 und Formel 2 - mit phasenweise nur mäßigem Erfolg.

"Drei Jahre später habe ich David Yorke kontaktiert und ihm gesagt, dass ich Ferrari am Ende des Jahres verlassen werde. Ich habe ihn gefragt, ob ich für ihn fahren kann. Er antwortete nur: 'Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, was du noch drauf hast'. Ich habe damals bei Ferrari wirklich nicht gerade mit Topresultaten glänzen können", blickt Bell zurück. "Ich habe trotzdem gesagt: 'Na vielen Dank. Talent verliert man doch nicht!' So war es."

Gulf-Mirage von Porsche 962 überstrahlt

"1970 habe ich die Formel 2 bestimmt. Ich lag in der Meisterschaft vorn, hatte Leute wie Regazzoni oder Reutemann im Griff. Da gab es den Anruf von John Wyer, der mich nochmal fragte, ob ich für ihn 1971 im Porsche 917 fahren möchte. John mochte mich, er wollte mich haben. So fing es eigentlich an, denn ab diesem Zeitpunkt haben wir gemeinsam mit Gulf den Mirage entwickelt. Schon im zweiten Jahr gab es Siege in Spa, Watkins Glen und so weiter", schildert der heutige Porsche-Berater und Gulf-Repräsentant.

"1974 war ein ganz gutes Jahr, aber in Le Mans kamen wir nur auf Rang vier. Im Folgejahr konzentrierte sich das Team voll auf das 24-Stunden-Rennen. Jacky Ickx wollte unbedingt mit mir fahren. Er war damals aus meiner Sicht der beste Fahrer der Welt. Wir gingen also zusammen nach Le Mans - und wir siegten dort", erinnert sich der Brite an das Jahr seines großen Durchbruchs. "Hintergrund des Erfolgs war harte Arbeit", ist er überzeugt.

"Ich erinnere mich an einen Test in Kyalami, wo wir uns auf das dortige Rennen vorbereitet haben. Das Hotel war ungefähr einen Kilometer von der Strecke entfernt. Die anderen Fahrer lagen gemütlich am Pool und ich drehte immer weiter meine Runden", muss Bell bei seiner Erinnerung an die damaligen Aufgaben schmunzeln. "Als ich abends auch ins Hotel kam, haben sich die anderen kaputtgelacht und gemeint, dass ich einen Drehwurm auf Lebenszeit haben müsste."

"Dieser Sieg 1975 war sehr besonders. Aber es wird natürlich überstrahlt von meinen späteren Siegen. Die Beziehung zu Porsche rückt die Gulf-Zeit etwas in den Hintergrund - was wirklich nicht gerecht ist. Man vergisst so etwas nicht. Wenn mich John Wyer nicht geholt hätte, wo wäre ich denn gelandet? Aber ich will ehrlich sein: Wenn man mich fragt, welches mein Lieblingsauto ist, dann ist es nicht der Mirage. Es ist natürlich der Porsche 962. In dem Koffer habe ich 40 Rennen gewonnen."

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