Interview mit Stefan und Helmut Bradl
Stefan Bradl und sein Vater Helmut plaudern über den voreiligen Rücktritt und das Comeback im Motorradsport und die Hoffnung auf den WM-Titel
(Motorsport-Total.com/sid) - Frage: "Stefan, vor der Saison haben Sie ihren Rücktritt erklärt, am Sachsenring sind Sie nach zwei Top-10-Ergebnissen bei den bisherigen Auftritten erneut mit einer Wildcard am Start. Wie groß ist die Erleichterung, wieder dabei zu sein?"
Stefan Bradl: "Sehr groß. Nach meinem Rücktritt habe ich im ersten Moment gedacht, es sei für immer. Aber als ich nach ein paar Tagen zu Hause war, habe ich mich gefragt: 'Was hast du da eigentlich gemacht?' Und als ich dann die ersten Rennen im Fernsehen gesehen habe, hat das unendlich wehgetan."

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Stefan Bradl und sein Vater Helmut sind ein eingeschworenes Team
Frage: "Würden Sie aus der heutigen Sicht sagen, Ihr Rücktritt war ein Fehler?"
Stefan Bradl: "Nein, ich bereue es nicht. Vielleicht war es ein wenig voreilig, doch ich habe mich in dem Trainingscamp in Spanien einfach nicht wohl gefühlt. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich etwas gebracht und ich gute Ergebnisse erzielt hätte, wenn ich geblieben wäre. Das gibt es ja auch im Fußball, dass ein Spieler bei einem Verein Probleme hat, weil es mit dem Trainer oder dem Umfeld nicht stimmt, und im anderen Umfeld aufblüht. Für mich ist es einfach wichtig, mich wohl zu fühlen."#w1#
Bradl sen. stärkt seinem Sohn den Rücken
Helmut Bradl: "Man hat ja bei seinen beiden Rennen in dieser Saison gesehen, was er leisten kann, wenn er sich wohl fühlt. Natürlich hat er die Entscheidung aus der Emotion heraus getroffen. Aber er ist gerade mal 17 und muss noch seine Erfahrungen machen. Jetzt hat er durch Erfolg wieder überzeugt. Und nun müssen wieder alle still sein, nachdem vorher einige ganz schön den Mund aufgerissen haben."
Frage: "Stefan, wie wichtig war es für Sie, es nicht nur den Zweiflern, sondern vor allem sich selbst gezeigt zu haben, dass Sie es können?"
Stefan Bradl: "Das war das Wichtigste überhaupt. Als ich in den ersten Rennen Esteve Rabat oder Bradley Smith gesehen habe, die bei Honda meine Teamkollegen gewesen wären, dachte ich: 'Das kann ich auch.' Und ich bin froh, dass ich meine Chance genutzt habe."
Frage: "In Spanien haben Ihnen unter anderem die Nähe zur Familie und ihr Vater als Ratgeber gefehlt. Doch nach der überraschenden Vertragsauflösung bei KTM im Herbst wurde Ihr Vater wegen angeblicher Einmischung als Schuldiger dargestellt..."
Stefan Bradl: "Ich kann nur sagen, dass es mir sehr wichtig ist, dass mein Vater dabei ist."
Frage: "Herr Bradl, wie sehr haben Sie damals diese Vorwürfe geärgert?"
Helmut Bradl: "Das geht einem natürlich unter die Haut und an die Nieren. Da hieß es plötzlich, ich sei der Verhinderer von Stefans Karriere. Da haben viele ihren Senf abgegeben, die keine Kinder haben und nicht wissen, worum es geht. Ihm zuzuschauen, ist für mich schlimmer als selbst zu fahren. Ich weiß, er hat die Sache im Griff, aber es kann immer etwas passieren."
Frage: "Wie würden Sie genau Ihre Rolle in Stefans Umfeld definieren?"
Helmut Bradl: "Gerade am Anfang habe ich ihm, denke ich, sehr viel helfen können. Auch heute gebe ich ihm noch ein paar Ratschläge, aber inzwischen weiß er schon, wo es langgeht. Das Selbstvertrauen wird durch die Erfolge immer größer. Ich habe immer gesagt: Ich bin so lange bei ihm, wie er mich braucht. Und wenn er irgendwann sagt, er ist so weit, dann ist das für mich kein Problem."
Wie bei Lewis Hamilton in der Formel 1
Frage: "Wann wird das etwa sein?"
Stefan Bradl: "Keine Ahnung, vielleicht nie. Im Moment lege ich sehr viel Wert darauf, dass Papa dabei ist. Bei Lewis Hamilton in der Formel 1 klappt es ja auch."
Frage: "Müssen Sie sich nach den Geschehnissen bei KTM irgendwelche Vorwürfe machen?"
Helmut Bradl: "Natürlich habe ich viele Dinge falsch gemacht. Jeder Mensch macht Fehler. Aber diese Sache war besonders ärgerlich, weil Stefan und ich unsere Vorstellungen für die neue Saison genannt haben, dann sind wir im beiderseitigen Einvernehmen auseinander gegangen, und fünf Tage später kam plötzlich die Kündigung. Ich rede immer Klartext, aber das erwarte ich auch von der anderen Seite, dann kann man immer über alles reden. Als Stefan nach Spanien ging, hieß es von Anfang an, Eltern sind unerwünscht, und daran haben wir uns konsequent gehalten. Doch nach den Erfahrungen von dort haben wir den Schalter wieder umgelegt. Nun sagen wir: Es passiert so, wie wir es für richtig halten, und jeder drumherum kann sagen und denken, was er will."
Frage: "Wie stehen nach den beiden erfreulichen Rennen in diesem Jahr denn die Chancen auf eine Rückkehr als Stammfahrer?"
Helmut Bradl: "Es entwickelt sich etwas. Es gibt zwei konkrete Angebote, die schon nicht schlecht sind. Eventuell wird sich nach den Rennen auf dem Sachsenring oder in Brünn noch etwas tun. Und dann müssen wir abwägen, was für Stefan das Beste ist."
Frage: "Und wer wird diese Entscheidung fällen?"
Helmut Bradl: "Stefan natürlich. Ich kann ihm nur die Fürs und Widers darlegen, dann muss er entscheiden, was das Beste für ihn ist. Ich denke, dass wir nach dem Rennen in Brünn Ende August etwas mehr wissen."
Bradl sen. glaubt auch an den WM-Titel
Frage: "Sie selbst waren zweimal Vizeweltmeister und haben frühzeitig erklärt, Ihrem Sohn auch noch den letzten Schritt und damit den WM-Titel zuzutrauen. Bleiben Sie bei dieser Einschätzung?"
Helmut Bradl: "Ja. Sport ist nicht berechenbar, aber das Talent dazu hat er. Die Geschichten, die er bis heute schon erlebt hat, haben ihn sicher weitergebracht. Er hat viel mitgenommen und gesehen, wie alles läuft, wenn es einem Spaß macht, und wie, wenn es keinen macht."
Stefan Bradl: "Mein Ziel ist es erst einmal, im nächsten Jahr um Podiumsplätze zu fahren und irgendwann um den Sieg zu kämpfen und auch Weltmeister zu werden."
Frage: "Ist der Druck nicht sehr groß, weil sie erstens einen großen Namen tragen und zweitens die gesamten Erwartungen an den Nachwuchs derzeit auf Ihnen und Sandro Cortese lasten?"
Stefan Bradl: "Natürlich entsteht durch meinen Namen auch Druck. Aber er hat mir auch schon sehr viel geholfen. Leider ist es um den Nachwuchs in Deutschland momentan nicht sehr gut bestellt, deshalb liegt der gesamte Druck auf Sandro und mir. In Assen sind wir beide in die Top 10 gefahren. Es war das erste Mal seit elf Jahren, dass zwei Deutsche gleichzeitig das bei den 125ern geschafft haben. Das war doch schon mal ein kleiner Aufwärtstrend. Der Markt für Motorrad ist schwierig im Moment, aber er kann sich entwickeln. Dafür braucht man einen Hero wie Valentino Rossi in Italien. Wenn wir einen solchen Hero haben, kann er sicher dasselbe auslösen wie Michael Schumacher oder Boris Becker in ihren Sportarten."
Frage: "Glauben Sie, dass Sie das Zeug haben, dieser Hero zu werden?"
Stefan Bradl: "Ich hoffe es und glaube fest an mich. Damit es so kommen kann, muss wirklich alles passen. Aber ich glaube, dass ich grundsätzlich das Zeug dazu habe."

