Audi vs. Toyota: Welches Hybrid-Konzept ist besser?

Audi und Toyota setzen beim Hybridantrieb auf völlig unterschiedliche Konzepte: Die Japaner wähnen sich im Vorteil, doch die Zuverlässigkeit könnte für Audi sprechen

(Motorsport-Total.com) - Das Duell Audi gegen Toyota bei der 80. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans ist auch ein Zweikampf völlig unterschiedlicher Hybrid-Konzepte. Und auch wenn die Japaner ohne Rennerfahrung in die Langstrecken-Schlacht gehen, so kann man definitiv behaupten, dass die Hybrid-Technologie der Bereich ist, wo die Pioniere der übermächtigen Konkurrenz aus Ingolstadt auf Augenhöhe entgegentreten können.

Titel-Bild zur News:

Toyota sieht sich in Sachen Hybrid gegenüber Audi im Vorteil

Denn während das Le-Mans-Projekt grundsätzlich unter enormem Zeitdruck durchgeboxt wurde, tüfteln die Japaner seit 2006 am Hybridantrieb - für die Japaner, die vor allem in der Serie auf diese Technologie setzen, war dies einer der Beweggründe, nach Le Mans zurückzukehren. Zu Testzwecken nutzte man in den vergangenen Jahren den Dome-Sportwagen. Der größte Automobilkonzern der Welt entschied sich schließlich für ein System, das die Bremsenergie an der Hinterachse gewinnt - das ist in Le Mans an sieben Streckenteilen erlaubt - und an ebendieser für zusätzlichen Vortrieb sorgt.

Vorderachse vs. Hinterachse

Audi setzt auf ein völlig anderes Konzept - die Le-Mans-Dauersieger nutzen die Vorderachse für den Hybridantrieb und setzten damit auf Allrad. Das hat einen entscheidenden Nachteil: Das Reglement schreibt vor, dass das System an der Vorderachse erst ab Tempo 120 km/h eingesetzt werden darf, an der Hinterachse ist der Einsatz hingegen freigegeben. Dadurch kann Toyota den Hybridantrieb zur Beschleunigung aus den Kurven besser nutzen.

Audi setzt beim R18 e-tron quattro auf einen Hybridantrieb an der Vorderachse Zoom

Die Le-Mans-Neuankömmlinge aus dem Land der aufgehenden Sonne testeten beide Lösungen - laut eigenen Angaben sprach schließlich alles für die Hinterachse. "Den Ausschlag gab der Einbau", erklärt Technikchef Pascal Vasselon gegenüber 'Autosport'. "So konnten wir Motor und Getriebe besser einbauen. Grundsätzlich ist diese Lösung leichter, selbst mit dem Gewicht im Heck haben wir nun die Freiheit, Ballast in der Front des Autos unterzubringen." Zudem sieht er einen Vorteil beim Reifenverschleiß, weil das System nicht erst ab Tempo 120 zugeschaltet werden darf.

Toyotas Hybrid-Projektleiter Hisatake Murata sieht gegenüber 'auto motor und sport' Vorteile "bei der Gewichtsverteilung" - da die Elektromotoren und Generatoren im Heck untergebracht sind, habe man mehr "Freiheiten bei der Gestaltung der Frontaerodynamik".

Schwungrad vs. Superkondensatoren

Doch nicht nur in diesem Punkt unterscheiden sich Audi und Toyota grundlegend. Das System der Ingolstädter wurde von der Hybridabteilung des Formel-1-Rennstalls Williams entwickelt - eine frühere Version der Schwungradlösung wurde zum Beispiel schon beim Hybrid-Porsche beim 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife eingesetzt.


Fotos: 24 Stunden von Le Mans, Train./Qual.


Beim in Köln-Marsdorf beheimateten Toyota-Rennstall setzt man hingegen auf ein System mit Superkondensatoren - das bringt Vorteile, ist aber auch riskanter. Im Vergleich zu den in der Formel 1 eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien oder dem Schwungradsystem von Audi sind die Superkondensatoren effizienter, nehmen also Energie schneller auf und geben sie schneller ab.

Toyota bei Hybridantrieb kompromissloser

Toyota-Ass Alex Wurz, der den 24-Stunden-Klassiker schon zwei Mal gewonnen hat und zudem aus seiner Zeit als Formel-1-Testfahrer über viel Erfahrung mit der Hybridtechnologie verfügt, ist der Meinung, dass der Toyota-Hybridantrieb seiner Zeit deutlich voraus ist. "Das System ist komplett in den Antriebsstrang integriert", nennt er im Gespräch mit den Kollegen von 'Autosport' nicht ohne Stolz ein Unterscheidungsmerknmal gegenüber Audi.

Alexander Wurz

Alex Wurz identifiziert sich mit dem Innovationsgeist seines Arbeitgebers Zoom

Er vergleicht das Toyota-System mit KERS in der Formel 1: "Dort handelt es sich nur um eine zusätzliche Batterie. Der große Unterschied ist, dass in der Formel 1 nur zehn Prozent von dem möglich ist, was wir hier machen - was in der Formel 1 für eine Runde gilt, gilt bei uns in jeder Bremsphase. Es handelt sich also um ein gigantisches Hybridsystem."

Toyota: Bremsscheiben nur als Hilfe

Er erkennt noch weitere Vorteile im Vergleich zu KERS in der Formel 1: "Wenn das System in der Formel 1 aufgeladen ist, dann ändert sich die Bremsbalance sehr stark. Damit sich dieser Effekt in Grenzen hält, nutzt man den Verbrennungsmotor, der beim Bremsen weiterschiebt oder auch nicht - man versucht jedenfalls die Bremsbalance linear zu machen. Es ist irgendwie seltsam, dass man Energie gewinnen will, aber die andere Energiequelle nutzt, um eine stabile Bremsbalance zu gewährleisten. Das ist nicht optimal, aber eine schnelle Lösung."

Das Toyota-System leidet nicht unter derartigen Problemen, erklärt Wurz: "Wir varieren die Energiegewinnung durch den Elektromotor, damit die Bremsbalance linear bleibt. Die Bremsscheiben werden nur benutzt, um die Bremsbalance anzupassen, denn hauptsächlich bremsen wir mit dem Elektromotor. Wir verschwenden die Verbrennungsenergie also nicht, um die Bremsbalance zu korrigieren, wodurch wir ein paar Prozent Benzin pro Runde sparen."

Diese innovative Lösung erfordere aber laut Wurz "eine völlig neue Art, dein Auto einzustellen. Es ist, als würde man in ein Hornissennest stechen, aber ich mag es, denn man muss wirklich über Details nachdenken."

Audi überlässt nichts dem Zufall

Die Toyota-Lösung sorgt aber nicht nur beim Setup für Herausforderungen, sondern auch in Sachen Überhitzung und Kühlung. Audi-Pilot und Vorjahres-Sieger Andre Lotterer gibt sich gegenüber 'Autosport' zuversichtlich, dass sein Arbeitgeber mit dem Schwungrad auf das praktischere System setzt: "Unser System ist leicht, kompakt und zuverlässig. Der Superkondensator ist zwar leistungsstärker, aber auch größer und empfindlicher. Wir sehen die Sache in einem größeren Rahmen - am Ende werden wir sehen, was sich als besser herausstellt."

Marcel Fässler

Zuverlässigkeit pur: Der Audi R18 e-tron quattro läuft wie ein Uhrwerk Zoom

Toyota-Technikchef Vasselon gibt sich ebenfalls selbstbewusst. Die Aussage einiger Audi-Fahrer, dass die zusätzliche Energie durch den Hybridantrieb sehr sanft einsetzt und man gar nicht immer wisse, ob das System arbeitet oder nicht, ist Balsam auf seiner Seele: "Unser Hybridantrieb ist kräftiger. Man kann ihn nicht übersehen, er liefert einen wirklich ordentlichen Boost. Unsere Fahrer beschweren sich höchstens, wenn die Energie verbraucht ist." Wurz bestätigt gegenüber 'Eurosport' die Worte seines Technikchefs: "Es handelt sich wirklich um einen heftigen Boost."

Vasselon lässt sich auch durch die Aussagen aus dem Audi-Lager, wonach deren System zuverlässiger sei, nicht verunsichern. "Audi hat sich wohl nur deshalb gegen Supercaps entschieden, weil sie fürchteten, die Zuverlässigkeit dieser Technologie nicht sicherstellen zu können", ätzt Vasselon gegenüber 'auto motor und sport'. Große Worte für einen Le-Mans-Einsteiger - die 24-Stunden-Schlacht an der Sarthe wird die Antwort geben.