David gegen Goliath 2: 15 gegen 500

Die kleinen Teams waren in der NASCAR immer das Salz in der Suppe: Wie es die Leavine Family im Sprint-Cup mit dem Establishment aufnehmen möchte

(Motorsport-Total.com) - Bob Leavine ist bester Laune. Gerade hat sein Pilot Michael McDowell in der Qualifikation von Las Vegas den Sprung ins Hauptfeld geschafft. McDowell fuhr die 35. Zeit und damit war der Startplatz im Kobalt 400 sicher. Das ist auch das große Ziel für die mit Abstand kleinste Sprint-Cup-Mannschaft im Feld: Sich dauerhaft im Konzert der "Big-Boys" von Rick Hendrick, Richard Childress, Joe Gibbs, Jack Roush oder Roger Penske festbeißen. Eine unglaublich schwierige Aufgabe.

Titel-Bild zur News: Michael McDowell

Michael McDowell fährt 2014 den Leavine-Ford mit der Startnummer 95 Zoom

Dabei muss Teambesitzer Leavine durchaus grinsen, als er verrät, dass seine Mannschaft binnen einer Saison von fünf auf nunmehr 15 Mitarbeiter angewachsen ist. Das bedeutet eine Verdreifachung, weshalb die Leavine Family Racing sozusagen das derzeit am schnellsten wachsende Cup-Team ist. "Das liegt wohl daran, dass wir das kleinste NASCAR-Team sind und dementsprechend viel aufzuholen haben", lächelt Leavine. Neun Leute arbeiten an der Rennstrecke, die übrigen Mitarbeiter sind im Büro tätig.

Derzeit stehen acht Leavine-Fords zur Verfügung, die an insgesamt 20 Sprint-Cup-Wochenenden zum Einsatz kommen. "Wir haben Autos für die Rundstreckenrennen, Autos für die Restrictor-Plate-Rennen und Autos für die Intermediate-Ovale", berichtet McDowell. "Mit den Autos für die Intermediate-Ovale fahren wir auch auf den kürzeren Ovalen, denn die Unterschiede sind nicht allzu groß. Natürlich gibt es Unterschiede. Es ist aber nicht so, dass man ein spezielles Auto nur für die Short-Tracks aufbauen müsste."

Der 29-jährige McDowell ist der Neuzugang im Team. Eher zufällig steuerte er den Leavine-Ford im Mai 2013 im Allstar-Race von Charlotte, weil sein damaliger Arbeitgeber Phil Parsons verzichtete. "Die Chemie zwischen uns stimmte sofort", plaudert Leavine. "Michaels christlicher Glaube spielte in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Als er dann das Allstar-Race für uns fuhr, wusste ich, dass er auch Spaß hatte." Nur besaß McDowell noch einen Vertrag im Parsons-Team. Gleichzeitig orientierte sich der damalige Leavine-Stammpilot Scott Speed zusehends in die Rallye-Cross-Szene, was das Team auf Pilotensuche schickte.

20 Saisonrennen als Maximum

"Wir haben uns mit Michael, mit Reed Sorenson, David Reutimann und mit Landon Cassill unterhalten", sagt Leavine. "Jeder von ihnen wäre eine gute Wahl gewesen", aber im September 2013 erhielt McDowell den Zuschlag für die Saison 2014. Der Grund: "Seine Kommunikation mit Wally (Crewchief Wally Rogers; Anm. d. Red.) stimmte sofort. Auch seine Kommunikation mit den Fans stimmt. Das ist etwas, worauf meine Frau und ich großen Wert legen. Sein fahrerisches Talent tat ein Übriges."

Michael McDowell

Michael McDowell geht 2014 in seine sechste Sprint-Cup-Saison Zoom

Ein Punkt, der wiederum McDowell gefiel, war dabei die Absicht, eben nicht als Start-and-Park-Team anzutreten. Bei Phil Parsons durfte er 2013 nur die Restrictor-Plate-Rennen fahren und wurde dabei im Daytona 500 guter Neunter. Daher einigte man sich auf insgesamt 20 Saisonrennen, zu denen McDowell seinen langjährigen Sponsor K-Love mitbrachte. Mehr als 20 Rennen werden es aus rein personellen Gründen nicht: "Ich glaube nicht, dass wir unseren Plan noch einmal ändern werden", unterstreicht Leavine. "Sollte ein Partner bei einem bestimmten Rennen unbedingt präsent sein wollen, dann würden wir wohl eines unserer bisher angesetzten Rennen streichen."

Bei der Auswahl der 20 Saisonrennen ging man strategisch vor. "Wir saßen zu Beginn des Jahres zusammen und kamen schnell zum Schluss, dass wir die ersten fünf Rennen allein schon wegen der Punkte für die Ownerwertung bestreiten müssen", beschreibt Leavine. "Anschließend haben wir weitere Rennen hinzugefügt. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf Strecken, auf denen wir uns gute Chancen ausrechnen: Die Rundstreckenrennen, die Restrictor-Plate-Rennen, Indianapolis, natürlich Texas. Wir mussten aber auch an die Belastungen für die Crew denken. Es ist wichtig, unseren Mitarbeitern die notwendigen Pausen einzuräumen. So sind wir irgendwann auf 20 Rennen gekommen."

Wobei das McDowell-Engagement in gewisser Weise auch von Scott Speed eingefädelt wurde. McDowell stammt aus Phoenix und ist ein Jahr jünger als der Kalifornier. Man kennt sich: "Als ich das Allstar-Race anstelle von Scott fuhr, kam ich mir vor wie vor ein paar Jahren", grinst McDowell. "In der Formula-Mazda-Saison 2002 übergab mir Scott schon einmal sein Cockpit. Er hatte sozusagen eine Meinungsverschiedenheit mit den damaligen Teambesitzern. Die Folge war, dass er das Team verließ und ich einspringen musste. Für mich war das gewissermaßen das Karrieresprungbrett."

Kein Image als Road-Course-Ringer

Denn eigentlich hat McDowell seine Wurzeln im Formelsport. 2002 verbrachte er ein Jahr in der europäischen Formel Renault, gewann 2004 die Star-Mazda-Series und bekam Ende 2005 ein ChampCar-Cockpit im Rocketsports-Team bei Paul Gentilozzi. Damals war er der Nachfolger von Ryan Hunter-Reay und in Surfers Paradise und Mexiko der Teamkollege von Timo Glock. Parallel trat der bei den Grand-Am-Sportwagen an, erst danach streckte er seine Fühler zunehmend in die Richtung der Honigtöpfe der NASCAR aus und wechselte in die ARCA-Serie.

Michael McDowell

Michael McDowell und seine Wurzeln: Hier jagt er (18) Jacques Villeneuve (22) Zoom

Dabei galt für ihn das gleiche Problem wie für alle anderen Wechsler aus dem Formelsport: "Ich muss gestehen, dass der Wechsel schwierig war", erinnert er sich. "Als ich in der NASCAR anfing, wollte ich nicht nur als einer dieser 'Road-Course-Ringer' wahrgenommen werden. Fahrer wie Boris Said oder Ron Fellows betraten die NASCAR-Bühne als klassische Rundstrecken-Asse. Doch mit zwei Rennen im Jahr kannst du dich nicht über Wasser halten. Also versuchte ich, so gut es ging 'under-the-radar' zu bleiben. Als ich meine ersten ARCA-Rennen fuhr, schmückte ich mich nicht mit meiner Vergangenheit als Rundstreckenfahrer. Ich wollte einfach die Grundlagen des Ovalfahrens lernen."

"So richtig aufmerksam auf meine Vergangenheit wurde die Leute erst, als ich die Chance bekam, für Joe Gibbs Racing einige Rundkursrennen zu fahren. In Elkhart Lake 2011 fuhr ich damals auf die Pole-Position - mit einer Sekunde Vorsprung auf den Zweitschnellsten. So etwas hatte es zuvor noch nie gegeben. Das war einfach unglaublich." Sein Trick: "Im Freien Training fuhr ich nie eine komplette Runde. Ich war immer so auf Platz fünf oder sechs, wusste aber genau, wie schnell ich war. Jedes Mal, wenn ich kurz vor der Ziellinie war, ging ich vom Gas, um die anderen Fahrer glauben zu lassen, sie wären gut dabei. Im Qualifying war ich dann eine Sekunde schneller als alle anderen. In diesem Moment haben die Leute realisiert, dass ich im Rundstreckensport groß geworden sein muss."

Der Überschlag von Texas 2008

Überregionale Berühmtheit erhielt McDowell in seinem Rookie-Jahr 2008, als er im Sprint-Cup den Waltrip-Toyota mit der Startnummer 00 fuhr. Beim Frühjahrsrennen von Texas überschlug er sich in der Qualifikation mehrfach. Ein spektakulärer Stunt, den er heute wie folgt sieht: "Ich fuhr damals meine Rookie-Saison im Sprint-Cup für Michael Waltrip Racing. Texas war das zweite Rennen, bei dem ich gemeldet war. Ich glaube, durch diesen Unfall bin ich berühmt geworden, denn ich werde noch heute regelmäßig darauf angesprochen"

"Ich fürchte, das wird wohl auch in 30 Jahren noch so sein. Mir macht das aber nichts aus. Mir ist klar, dass man im Motorsport von Zeit zu Zeit einen Unfall hat. Das Blöde in meinem Fall war, dass der Crash im Einzelzeitfahren passiert ist. Dennoch: Ab diesem Zeitpunkt wussten die Leute wer ich bin. Plötzlich kannten alle meinen Namen. Doch es ist sicher nicht unbedingt die Art und Weise, auf die man berühmt werden möchte. Ich schätze, das Einzige, wodurch man so etwas vergessen machen kann, ist der Gewinn von Rennen und Meisterschaften."


McDowells heftiger Texas-Crash 2008

Doch soweit ist es im Leavine-Team noch nicht. Die Ziele der kleinsten Cup-Mannschaft sind wesentlich kleiner aufgehangen: "Wir wollen uns von Rennen zu Rennen einen Schritt verbessern", gibt der Teambesitzer vor. "Wir müssen aber realistisch bleiben, denn in diesem Sport gibt es keine Mitroller. Jedes einzelne Team ist wirklich erstklassig. Für ein Team wie unseres ist Platz 26 wie wir ihn in Phoenix erreicht haben, eine angemessene Zielsetzung." Dies ist auch McDowell wichtig.

Ein Schritt nach dem anderen

"Eines habe ich inzwischen gelernt", sagt der 29-Jährige. "Man muss sich realistische Ziele setzen. Erst wenn man diese erreicht hat, kann über neue Ziele nachdenken. Als ich in der Saison 2008 für MWR fuhr, ging ich mit der Einstellung heran, dass ich Rennen gewinnen und den Einzug in den Chase schaffen würde. Als es dann anders kam, war ich niedergeschlagen, regelrecht deprimiert. Wenn ich aber heute auf meine Rookie-Saison zurückblicke, muss ich sagen, dass Ergebnisse im Bereich von Platz 25 phänomenal waren. Das Problem, das ich damals hatte: Meine Erwartungen waren derart hoch, dass ich meine Ergebnisse überhaupt nicht genießen konnte."

Und genau diese Erfahrung will er in sein neues Team mit einbringen. "Deshalb habe ich mich mit Bob und Wally darauf verständigt, dass wir erst einmal 30. werden müssen, bevor wir darüber nachdenken können, 25. zu werden. Wenn wir dann drei oder viermal auf Platz 25 ins Ziel gekommen sind, wird es automatisch irgendwann auch mal ein 20. Platz werden. Wenn wir aber sofort Platz 15 ins Visier nehmen, bewegen wir uns effektiv rückwärts. Schließlich können wir uns nicht selbst schlagen."

Michael McDowell

Großes Pech in Las Vegas: Nach einem Motorschaden nur Rang 43 Zoom

Ein Schritt nach dem anderen also. "Wir wollen unsere Qualität dadurch sicherstellen, dass wir nicht alle Saisonrennen fahren, dafür aber bei denen, die wir fahren, bestmöglich vorbereitet sind. Diese Herangehensweise hilft uns hoffentlich dabei, für die Saison 2015 einen Sponsor zu finden, mit dem wir alle Saisonrennen angehen können." Seit Saisonbeginn 2014 nutzt die Mannschaft übrigens Chassis aus dem Hause Penske, die Boxenstopps werden von der angemieteten Penske-Nationwide-Mannschaft von Brad Keselowski durchgeführt. Was in Las Vegas aber nichts nutzte, denn etwa zu Rennhalbzeit funkte McDowell an die Box, dass sich ein Motorschaden ankündigte. Die Quittung: Nur Rang 43. Es gibt noch viel zu tun.

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