• 19.10.2010 20:09

  • von Pete Fink

VW und NASCAR: Das ganz heiße Eisen

Die Indizienlage spitzt sich zu: Will der Volkswagen-Konzern ab der Sprint-Cup-Saison 2012 wirklich in die NASCAR einsteigen?

(Motorsport-Total.com) - Es ist kein Geheimnis: Auf einem groß angelegten Strategiemeeting im November 2010 will der Volkswagen-Konzern seine motorsportliche Zukunft ausrichten. Neben dem Thema Formel 1 ist in Sachen US-amerikanischer Markt dabei auch die NASCAR ein heißes Eisen. Kein Wunder, schließlich ist der Motorsportgigant NASCAR und dessen Topliga - der Sprint-Cup - die mit großem Abstand populärste US-Serie.

Titel-Bild zur News: Fotomontage Red Bull Volkswagen Logo VW

Natürlich nur eine Fotomontage: Das VW-Logo auf einem Red-Bull-Boliden

Mit Chevrolet, Ford, Dodge und Toyota sind derzeit nur vier Hersteller im Sprint-Cup involviert. VW wäre nach Toyota erst der zweite internationale Vertreter in der NASCAR überhaupt. Doch wie wahrscheinlich ist ein NASCAR-Einstieg der Wolfsburger wirklich? Dies ist die Frage, die vermutlich erst im November von höchster Konzernstelle aus entschieden wird. Die Indizienlage ist jedenfalls aussichtsreich.

Fakt ist: Wenn das VW-Interesse an der NASCAR wirklich ernsthaft sein sollte, dann wird die NASCAR-Chefetage dem Weltkonzern sicher keine Steine in den Weg legen. Die Finanzkrise ist noch nicht gänzlich überwunden, die Zuschauerzahlen und Einschaltquoten stagnieren. Frisches Geld ist also herzlich Willkommen. Dies stellte sich vor einigen Jahren noch ganz anders dar, wie ein kleiner Vergleich mit dem Toyota-Einstieg anschaulich schildern kann.

Zwischen 2004 und 2006, also genau auf dem bisherigen Höhepunkt der NASCAR, musste sich Toyota drei Jahre lang in der Truck-Series hochdienen, bevor der Sprint-Cup möglich wurde. Die Japaner nahmen dies freilich in Kauf, weil ihr Hauptaugenmerk in dieser Zeit auf der Verkaufsförderung des Toyota Tundra lag. Das Konzept funktionierte: Gegenüber dem Einführungsjahr 2000 hatten sich die Verkaufszahlen des Pickup-Trucks bis Ende 2007 verdoppelt. Dazwischen lag 2006 der erste Truck-Titel des Tundra mit Todd Bodine und Germain Racing, 2008 wiederholten Johnny Benson und Bill Davis Racing dieses Kunststück.

VW und Penske?

Roger Penske

Roger Penske wäre die logische Anlaufstelle für Volkswagen Zoom

Als Anfang 2007 dann endlich die Sprint-Cup-Stunde schlug, begingen die Japaner jedoch einen schweren strategischen Fehler. Sie schlossen sich nicht mit einem der Topteams zusammen, sondern setzten auf das finanziell angeschlagene Bill Davis Racing, sowie die beiden neuformierten Mannschaften von Team Red Bull und Michael Waltrip Racing. Die Folge war eine äußerst harzige Debütsaison mit zahlreichen Nicht-Qualifikationen.

Erst durch die Zusammenarbeit mit Joe Gibbs Racing änderte sich die Ausgangslage schlagartig. Im Winter 2007/2008 wechselte das Gibbs-Team von Chevrolet zu Toyota, bereits das vierte Saisonrennen 2008 in Atlanta gewann Kyle Busch. Insgesamt holten die drei Toyota Camry von Joe Gibbs Racing in der Saison 2008 zehn Einzelsiege in 36 Punkterennen.

Im Fall VW sieht die Sachlage wohl anders aus. Einerseits wird seitens der NASCAR-Offiziellen niemand verlangen, dass VW den wirtschaftlich völlig uninteressanten Umweg über die Trucks zu gehen hat, andererseits hat der Konzern aus einer gemeinsamen motorsportlichen Vergangenheit (mit Porsche) heraus einen starken Partner an der Hand: Roger Penske.

Neben der unzweifelhaften Penske-Expertise hätte eine Zusammenarbeit mit dem US-Tycoon noch eine zweite interessante Komponente: Penske ist derzeit das einzige Team, das in der NASCAR noch mit Dodge-Motoren fährt. Wenn VW nun als Einstiegsziel wirklich die Saison 2012 anvisiert, dann wird es durchaus knapp mit der Konstruktion und dem Bau eines eigentlich völlig veralteten Motors.

NASCAR verkauft Autos

Kyle Busch

Den Verkäufen des Toyota Tundra schadete die NASCAR nicht Zoom

Dann ist folgendes Szenario denkbar: Die Wolfsburger kaufen den alten Dodge-V8 und dessen Verwertungsrechte, kleben das VW-Label auf dieses Triebwerk und ohne große Entwicklungskosten stünde eine ausgereifte Sprint-Cup-Maschine in der dann VW-eigenen Penske-Garage - wo dieser 5,7-Liter-Motor übrigens bereits seit der Saison 2003 steht.

Doch welche Motivation hat der VW-Konzern überhaupt, sich mit der NASCAR auseinanderzusetzen? Auch hierbei steht das Beispiel Toyota Pate: Im Jahr 2000 verkauften die Japaner in den USA insgesamt 1,6 Millionen Fahrzeuge. 2004, also im ersten Toyota-Jahr in der Truck-Series, wurde erstmals die Zwei-Millionen-Grenze geknackt. 2007, also in der ersten Sprint-Cup-Saison, wurde mit über 2,6 Millionen verkauften Autos in den USA der bisherige Bestwert erreicht. Unter dem Strich also eine satte Steigerung um etwa 62 Prozent oder einer Million abgesetzter Fahrzeuge.

VW wiederum eröffnet im Mai 2011 in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee ein großes Werk. Der Konzern investiert dafür über 600 Millionen Euro und will pro Jahr 150.000 Fahrzeuge verkaufen. Gebaut wird dort ein sparsames und preisgünstiges Mittelklasse-Fahrzeug, das auf dem so wichtigen US-amerikanischen Automarkt den Erzrivalen angreifen soll. Dieser Erzrivale und Marktführer heißt übrigens Toyota.

In Chattanooga sollen irgendwann nicht weniger als 9.500 Arbeitsplätze entstehen. Ins östlich gelegene NASCAR-Epizentrum nach Charlotte sind es von dort aus keine 500 Kilometer, nach Atlanta weniger als deren 200. Der Fabrikstandort liegt also mitten in den Südstaaten. Natürlich soll das in Chattanooga gebaute VW-Modell dann die NASCAR-Silhouette darstellen, die sich gegen die Toyota Camry, die Chevrolet Impala und die Ford Fusion zu behaupten hat.

Prominente Fahrerkandidaten

Kurt Busch

Gewinnt Kurt Busch ab 2012 in der NASCAR mit VW-Power? Zoom

Starker Tobak? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Die Kollegen von 'Motorsport aktuell' berichten von einer Machbarkeitsstudie, die VW bereits im Jahr 2009 in Auftrag gegeben haben soll. Auch mit der Marketingabteilung der NASCAR bestehe bereits ein intensiver Kontakt, in dem es unter anderem sogar um das Thema mögliche Piloten gehe.

Natürlich ist in diesem Zusammenhang die Rede von Mattias Ekström, der in dieser Saison bereits zwei respektable Sprint-Cup-Auftritte hinlegte. Auch der Name Jacques Villeneuve wird ins Spiel gebracht. Will VW die US-amerikanische Werbetrommel so richtig schlagen, dann empfehlen die Marketingstrategen der NASCAR sogar ein Engagement von US-Superstar Danica Patrick.

Ob es soweit kommt, sei dahingestellt. Die ideale und am schnellsten erfolgsversprechende Konstellation ist sicher die Zusammenarbeit mit einem etablierten NASCAR-Team vom Schlage eines Roger Penske. Die Penske-Aussage steht nach wie vor im Raum: "Wir fahren 2011 mit Dodge-Motoren". Nach 2012 gefragt, will sich dort niemand festnageln lassen. Dementis gibt es übrigens auch keine.

Und: Sollte dieses Szenario wirklich zutreffen, dann hätte VW mit Penske-Ass Kurt Busch auf einen Schlag einen Piloten im Stall, der bereits im ersten Jahr siegfähig wäre. Auch der NASCAR-Bösewicht und designierte Nationwide-Champion Brad Keselowski steht derzeit auf der Penske-Gehaltsliste. Ein dritter Penske-VW mit einem Jacques Villeneuve oder Mattias Ekström würde eine internationale Komponente schaffen.

Doch zum jetzigen Zeitpunkt sind dies natürlich alles nur Spekulationen. Es besteht aber gleichzeitig kein Zweifel daran, dass sich die Indizienlage rund um einen VW-Einstieg in die NASCAR verdichtet. Dies verdeutlicht schon alleine die Tatsache, dass die NASCAR im November ein zentrales Thema des Konzernvorstandes ist. Was wohl eine sehr spannende Sitzung werden wird...