Edwards: "Wenn ich ein junger Pilot aus Deutschland wäre"

Carl Edwards im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport-Total.com': Wie er Michael Schumacher schlug und was er deutschen Piloten empfehlen würde

(Motorsport-Total.com) - Manchmal im Leben braucht man ein wenig Glück. Unmittelbar vor dem vereinbarten Interview-Termin am Freitagmittag fuhr Carl Edwards in seinem Roush-Ford im Freien Training zum Kobalt 400 eine Bestzeit, nachdem es bei den Tests am Donnerstag auf dem Las Vegas Motor Speedway noch gar nicht laufen wollte. Setup-Änderungen am Fahrwerk brachten über Nacht einen gewaltigen Turnaround - und allerbeste Laune bei Edwards.

Titel-Bild zur News: Carl Edwards

Supersympathisch und superschnell: Carl Edwards im Interview Zoom

So gut, dass der 34-Jährige aus dem US-Bundesstaat Missouri kurzerhand auch Roush-Präsident Steve Newmark in das Gespräch einbezog, der dem Edwards-Truck eher zufällig einen Besuch abstattete. Deutschland hat Edwards übrigens bereits kennengelernt, als er vor ein paar Jahren das Race of Champions in Düsseldorf fuhr. Dabei blieben auch ein paar deutsche Wortfetzen haften.

Frage: "Carl, normalerweise beginne ich kein Interview mit einer schlechten Nachricht, aber in diesem Fall muss ich eine kleine Ausnahme machen: Du bist in NASCAR-Europa nicht der populärste Pilot ..."

Carl Edwards: "Ehrlich? Wer ist es?"

Frage: "Die üblichen Verdächtigen ... Jeff Gordon, Jimmie Johnson, Dale Earnhardt Jr. und natürlich auch Danica Patrick. Was können wir da machen?"

Edwards: "Also zunächst einmal: Die Fans haben einen guten Geschmack, denn das sind alles ganz feine Kollegen. Nein, mein Besuch in Deutschland hat mir richtig Freude bereitet und ich würde mich sehr freuen, wenn ich eines Tages wieder zurückkommen könnte. Natürlich sind wir alle auch in Gedanken bei Michael Schumacher und seiner Familie. Ich hatte das große Glück, dass ich zweimal direkt gegen ihn fahren konnte. In Deutschland hatten wir wirklich Spaß. Wir haben damals auch einen Ausflug gemacht, nach, wie nennt ihr es, Koulln?"

Frage: "Köln."

Edwards: "Ah, okay, Koulln."

Frage: "Nein, Köln, mit einem Ö."

Edwards: "Koulln, egal, es war gerade Karneval und alle waren richtig gut drauf."

Frage: "Hast du dich auch verkleidet? Im deutschen Karneval sollte man sich verkleiden ..."

Edwards über das Rennen gegen Michael Schumacher

Carl Edwards

Carl Edwards holte im erste Freien Training von Las Vegas eine Bestzeit Zoom

Edwards: "Nein, das habe ich nicht gemacht. Vielleicht sollte ich das nächste Mal meinen Helm mitnehmen. Oder mich als Danica verkleiden, das könnte meiner Popularität helfen."

Frage: "Es gibt von dir ein schönes Zitat, wo du sagst, dass es einer der Höhepunkte deiner Karriere war, als du beim Race of Champions in London gegen Michael Schumacher gefahren bist und ihn schlagen konntest."

Edwards: "Oh ja. Mein Fitnesscoach Dean Golic kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien und er hat immer eine Schumacher-Kappe oder eine Ferrari-Kappe auf. Ich habe ihn immer gefragt, warum er nicht eine meiner Kappen trägt und er sagte mir: Gewinne sieben Weltmeister-Titel und ich trage deine Kappe. Er war an diesem Tag in London dabei und nachdem ausgelost wurde, dass ich gegen Michael fahren muss, sagte er zu mir: Weißt du eigentlich, was das für eine große Sache ist? Kannst du das einordnen, dass du auf derselben Strecke gegen einen Michael Schumacher fahren kannst?"

"Ich sagte zu ihm: Ich will ihn schlagen, das ist mein Job. Und er hat mich nur angesehen und mit dem Kopf geschüttelt. Dann schlug ich Michael und du kannst dir vielleicht vorstellen, wie cool das für mich war. Zu sehen, in welchem Gewissenskonflikt Dean steckte: Sein Held hatte verloren, aber sein Kunde hatte gewonnen. Aber Michael hat es mir in Düsseldorf dann zurückgezahlt, da hat er mich dann geschlagen."

Frage: "Michael Schumacher hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den NASCAR-Sport nicht besonders aufregend findet."

Edwards: "Das ist für mich aber völlig okay. Ich bin trotzdem immer noch der Meinung, dass sich NASCAR-Piloten im Formelsport besser verkaufen würden als umgekehrt. Ich denke, wir können an Beispielen wie Juan Pablo Montoya oder Marcos Ambrose sehen, wie schwierig das Ovalfahren in der NASCAR wirklich ist. Ein Auto in den Kurven bei extrem hoher Geschwindigkeit immer auf der Rasierklinge entlang zu fahren, dazu braucht es schon ungemeine Erfahrung im Oval."

Ein Rat für NASCAR-interessierte Deutsche

Steve Newmark Roush Präsident

Roush-Präsident Steve Newmark mischte sich ins Interview ein ... Zoom

"Ich glaube, dass es nicht möglich ist, eindeutig zu sagen, wer der beste Pilot auf diesem Planeten ist, denn dazu sind die Disziplinen viel zu unterschiedlich. Aber eines kann ich sagen: Sebastien Loeb gehört ganz sicher zu den Allerbesten."

Frage: "Vielleicht sollte man die Europäer mal zu einem Oval-Rennen einladen, vielleicht sogar auf einem Dirt-Track?"

Edwards: "Da müsste man mit Tony Stewart sprechen, der wäre da sofort dabei."

Frage: "Carl, wenn du ein junger deutscher Pilot wärst, der ein Interesse daran hat, es einmal in die NASCAR zu schaffen, welchen Rat würdest du ihm geben?"

Edwards: "Ich würde ihm raten, jede freie Minute zum Beispiel beim iRacing zu verbringen. Im Prinzip ist es bei uns wie im Fußball: Den Ball ins Tor schießen. So einfach ist es. Aber genau das ist ja nicht die Wahrheit, denn in Wirklichkeit ist es unendlich viel komplizierter. Es gibt bei uns Leute, die ihre Disziplin wirklich meisterhaft beherrschen und das macht die Sache so kompliziert. Zum Beispiel Martinsville: Es sieht so einfach aus und ist doch so schwierig."


NASCAR in Las Vegas

"Steve, welchen Rat würdest du einem jungen deutschen Piloten geben, der irgendwann ein Roush-Cokpit haben möchte? Leute, das ist Steve Newmark, unser Boss, er ist der richtige Ansprechpartner."

Steve Newmark: "iRacing ist in jedem Fall gut. Und man muss sich darauf einstellen, dass man in den unteren Ligen anfängt. Zum Beispiel in der ARCA-Serie."

Edwards: "Im Prinzip geht es nur um die Erfahrung. Ich würde auch niemals auf die Idee kommen, mich sofort in ein Formel-1-Cockpit zu setzen. Du brauchst die Zeit, um dich an diese Autos zu gewöhnen, du brauchst die Sessions in den Simulatoren. Es braucht einfach seine Zeit, um seine Fähigkeiten auf diesem Niveau zu optimieren."

Die lange Liste der Gescheiterten

Frage: "Wobei es in der NASCAR mittlerweile ja jede Menge Beispiele gibt. Sam Hornish Jr., Danica, Montoya, Villeneuve, Franchitti - die Liste ist mittlerweile richtig lang ..."

Travis Pastrana

Freestyle-Superstar Travis Pastrana fuhr ein Nationwide-Jahr für Jack Roush Zoom

Newmark: "Oder Travis Pastrana, das ist vielleicht das beste Beispiel von allen. Er ist ein derart talentierter Pilot, der wirklich fast alles gefahren ist und überall Erfolg hatte. Er sagte, dass für ihn das größte Hindernis in der NASCAR war, dass er ganz einfach nicht die Erfahrung der jungen Piloten hatte, die viele Jahre in der K/N-Serie, der ARCA-Serie oder bei den Trucks gefahren sind. Das hat ihm im Prinzip das Genick gebrochen, denn rein vom Talent her hätte er es in der NASCAR schaffen müssen. Aber da haben ihm halt mindestens zehn Jahre gefehlt."

Edwards: "Genau darum geht es. Wir nennen dies die Seat-Time, also die Zeit, die du hinter dem Lenkrad verbringen kannst."

Newmark: "Aber sie sollten sich nicht zu schade sein, um diese unteren Klassen zu beackern. Jedes große NASCAR-Team hat mittlerweile seine Scouts, die auch die unteren Klassen im Blick haben und versuchen, sich die größten Talente zu schnappen. Wenn du also in den unteren Serien Erfolg hast, dann wird sich das herumsprechen. Aber hierherkommen und glauben, dass man gleich in den oberen Klassen mithalten kann, das wird nicht funktionieren."

Edwards: "Wenn ich ein junger Pilot aus Deutschland wäre, dann würde ich folgendes versuchen: Hierher kommen und versuchen, einen Vertrag für ein volles Jahr in der ARCA-Serie zu bekommen. Schon in der ARCA-Serie gibt es Leute, die über sehr viel Erfahrung verfügen. Aber den Jungs muss eines klar sein: Bei uns in den USA gibt es in jeder Gegend mindestens einen Dirt-Track und da fahren junge Piloten, die allesamt großes Talent haben und genau wissen was sie tun. Und die wollen alle irgendwann in die NASCAR."

"Zum Beispiel ich. Auch ich fuhr auf diesen Dirt-Tracks und als ich es dann in die Truck-Serie geschafft habe, war das für mich eine Riesensache. Nur war das Racing bei den Trucks dann mit einem Schlag exponentiell schwieriger als auf den Dirt-Tracks. Das Gleiche dann beim Sprung in die Nationwide-Serie und erst recht, als es in den Sprint-Cup ging. Es ist ganz einfach so: Je höher das Level ist, auf dem du einsteigen willst, desto schwieriger wird es."