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  • 18.05.2017 21:40

  • von Juliane Ziegengeist & David Emmett

Appell nach Radunfall von Nicky Hayden: "Schon zu viele Tote"

Nach dem Unfall von Nicky Hayden diskutieren MotoGP-Piloten, welcher Gefahr sich Radfahrer im Straßenverkehr ausgesetzt sehen und fordern mehr Rücksicht

(Motorsport-Total.com) - Der schwere Unfall von Nicky Hayden hat MotoGP-Fahrer, Fans und Experten gleichermaßen bestürzt. Unter die Sorge um den Superbike-Piloten, der sich weiterhin in einem "extrem kritischen Zustand" befinden soll, mischt sich Wut darüber, dass immer wieder derart schwere Unfälle passieren, bei denen Radfahrer nicht selten ums Leben kommen. Hayden befand sich auf einer Trainingsfahrt in Italien, als er mit einem Auto kollidierte.

Titel-Bild zur News: Nicky Hayden

Nicky Hayden befindet sich weiterhin in einem "extrem kritischen Zustand" Zoom

Scott Redding (Pramac-Ducati) weiß: "Man muss kein Radfahrer sein, um zu sehen, wie der Fahrstil in Italien ist. Es überrascht mich, denn Radfahren ist dort ein so großer Sport und da sollte man doch annehmen, dass die Leute ein wenig mehr Rücksicht nehmen würden. Aber das Gegenteil ist der Fall." Auch er sei schon oft in Italien unterwegs gewesen und kritisiert die Ignoranz vieler Autofahrer. Doch nicht nur dort sind Radfahrer oft der Willkür anderer Verkehrsteilnehmer ausgeliefert.

So wurde Chris Froome, seines Zeichens mehrfacher Toursieger, im französischen Beausoleil jüngst von einem Motorradfahrer offenbar mit voller Absicht gerammt. Der Radprofi blieb dabei glücklicherweise unverletzt. "Man hat ihn aus Spaß gerammt. Aber das ist kein Spaß, es geht um Menschenleben. Und das geht mir wirklich unter die Haut", kommentiert Redding den Vorfall. Er weiß, dass schon ein klein wenig mehr Rücksicht viel bewirken könnte.

Radfan Cal Crutchlow kennt die Gefahren

"Ich sehe ein, dass es einige nervt, wenn Radfahrer auf der Straße unterwegs sind, weil man langsamer machen muss. Aber es geht um Menschenleben, um Leute mit Familien. Damit spielt man nicht. Wenn es der eigene Sohn wäre, der da fährt, würden viele anders darüber denken und damit umgehen", sagt der Brite und ergänzt nachdenklich: "Ich gehe raus und fahre Rad. Es hätte genauso gut mich oder jeden anderen treffen können."

Tatsächlich gibt es in der MotoGP viele Fahrer, die nicht nur zu Trainingszwecken regelmäßig aufs Rad steigen. Cal Crutchlow (LCR-Honda) ist einer von ihnen. "Es sind traurige Nachrichten, für mich und für all die anderen Jungs. Wir lieben, was wir tun. Viele von uns lieben es, Rad zu fahren", betont er. "Ich weiß, dass Nicky ein sehr guter Radfahrer ist und ein hohes Fitness-Level hat. Was das Training angeht, war er stets unerbittlich. Wir hoffen alle das Beste und sind tief bestürzt."


Fotostrecke: Die Karriere-Highlights von Nicky Hayden

Auch Crutchlow macht auf die permanente Gefahr aufmerksam, der sich Radfahrer im Straßenverkehr gegenüber sehen. "Jeden Tag gibt es Autofahrer, die zu nah an uns vorbeirauschen. Jeden Tag gibt es Autofahrer, die aus keinem ersichtlichen Grund hupen. Aber ich beziehe das jetzt nicht auf Nicky, sondern rede über Auto- und Radfahrer im Allgemeinen. Das sieht man jeden Tag, und ich fahre jeden Tag", erklärt der 31-Jährige.

Pol Espargaro: "Wir müssen etwas unternehmen"

MotoGP-Kollege Pol Espargaro (KTM) sieht daher dringenden Handlungsbedarf, auch weil Radfahren immer beliebter werde: "Das Positive ist, dass die Leute immer gesünder leben. Sie fahren Rad, laufen und so weiter. Radfahren ist ein toller Sport, aber er ist auch gefährlich. Jedes Jahr betreiben mehr Menschen diesen Sport. Aber das Problem ist, dass sich die Autofahrer nicht jedes Jahr mehr daran gewöhnen. Wir müssen etwas unternehmen."

Nicky Hayden

Am Donnerstag in Le Mans waren die Gedanken der MotoGP-Fahrer bei Hayden Zoom

Espargaro kennt die Situation in seiner Heimat Spanien nur zu gut. "Ich glaube, dort sind schon jetzt 28 Menschen bei Unfällen gestorben. Im vergangenen Jahr waren es 33. Und jetzt haben wir erst Mitte des Jahres", sieht der KTM-Pilot ein immer gravierender werdendes Problem, das auch vor Profis nicht halt macht. So verunglückte der italienische Radrennprofi Michele Scarponi im April bei einem Trainingsunfall tödlich. Er wurde von einem Kleintransporter überfahren.

Auch Hayden ist ein versierter Radsportler. "Er ist niemand, der sich leichtsinnig aufs Rad setzt und einen dummen Fehler macht", meint Espargaro. "Er fährt seit Jahren Rad, ist verrückt danach. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er diesen Vorfall nicht verursacht hat. Es ist furchtbar, dass man diesen Sport nicht genießen kann, ohne ständig Gefahr zu laufen, von einem Auto erfasst zu werden. Wenn das Nicky als Fast-Profi passieren kann, dann kann es auch mir und dem Rest der Welt passieren."

Maverick Vinales: Vielleicht kein Rennrad mehr?

Deshalb spielt Maverick Vinales (Yamaha) sogar mit dem Gedanken, den Radsport auf der Straße sein zu lassen: "In diesem Jahr fahre ich praktisch schon kein Motocross mehr, um das Risiko zu minimieren. Mal sehen, ob ich auch mit dem Rennrad aufhören werde." Der Spanier spielt mit dem Gedanken, auf ein Mountain Bike umzusteigen, "aber auch das kann gefährlich sein, denn du kannst hinfallen und dich verletzen."

Wie viele seiner Kollegen bringt Vinales sich und seinen Körper beim Radfahren nicht nur an physische Grenzen, sondern nutzt den Sport auch "zum Relaxen". Seitdem er 15 Jahre alt ist, betreibe er diesen Sport und sagt: "Die Gefahr ist immer da, aber man sollte versuchen, das Risiko beim Training so gering wie möglich zu halten. Glücklicherweise respektieren die Menschen in Andorra Radfahrer sehr und es gibt viele Bergpässe mit wenig Verkehr."