Herzschlagfinale: Carpenter bezwingt Franchitti!

Ed Carpenter holt sich in Kentucky seinen ersten IndyCar-Sieg hauchdünn vor Dario Franchitti, der vor dem Finale die Tabellenführung von Will Power übernimmt

(Motorsport-Total.com) - Das Kentucky Indy 300 auf dem 1,5-Meilen-Oval in Kentucky bot wieder einmal Dramatik pur. Nach 200 Runden konnte sich Ed Carpenter hauchdünn gegenüber Dario Franchitti durchsetzen und nach 112 erfolglosen Anläufen endlich seinen ersten IndyCar-Sieg feiern. Der 30-Jährige in Diensten von Sarah Fisher Racing hatte die beiden vergangenen Rennen auf dem Kentucky Speedway knapp geschlagen als Zweiter beendet. Diesmal standen ihm das Glück und die Technik im Schlussspurt in Richtung schwarz/weiß karierter Flagge zur Seite.

Titel-Bild zur News: Dario Franchitti, Ed Carpenter

Ed Carpenter bezwang Dario Franchitti in Kentucky um 0,0098 Sekunden

"Das fühlt sich viel besser an, als ich es mir je zu träumen gewagt hätte", freute sich der Premierensieger Carpenter in der Victory Lane. "Dario hat sich absolut fair verhalten und keine Dummheiten gemacht", zollte er dem knapp geschlagenen Ganassi-Piloten Respekt. Das entscheidende Manöver gelang Carpenter ausgangs Turn 4 der letzten Runde auf der Außenbahn, als er dank einer letzten Aktivierung des Push-to-Pass-Buttons mit mehr Schwung am Ganassi-Piloten vorbeiziehen konnte und das sechstengste IndyCar-Finish um 0,0098 Sekunden für sich entscheiden konnte.

Für das Team von Sarah Fisher war es ebenfalls der erste IndyCar-Sieg. "Ich stehe regelrecht unter Schock", sagte die Teambesitzerin, für die der Kentucky Speedway ebenfalls ein gutes Pflaster ist. Im Jahr 2002 startete Fisher auf dem 1,5-Meilen-Oval in Sparta als erste Frau von der Pole-Position in ein IndyCar-Rennen.


Fotos: IndyCars in Kentucky


Franchitti als Tabellenführer zum Finale

Mit Platz zwei konnte Franchitti ein Rennen vor Schluss der IndyCar-Saison dennoch die Führung im Gesamtklassement zurückerobern. Der Schotte geht nun mit 18 Punkten Vorsprung auf Penske-Pilot Power in das Finale am 16. Oktober auf dem Las Vegas Motor Speedway. "Nach dem schwierigen Tag gestern lief es im Rennen umso besser" urteilte der Schotte nach Platz zwei im Ziel. "Als ich nach einem klasse Boxenstopp erst einmal in Führung lag, habe ich versucht, die untere Linie zu halten. Eine Runde vor Schluss gingen mir leider die Schüsse in Form des Push-to-Pass-Buttons aus."

Unterdessen hatte Will Power (19.), Franchittis Konkurrent im Kampf um den IndyCar-Titel, wie schon im Vorjahr auf dem Kentucky Speedway auch diesmal wieder Pech in der Boxengasse. Während ihn vor zwölf Monaten eine defekte Tankanlage um einen möglichen Sieg und damit letztlich um den Titel brachte, war es diesmal eine Kollision beim ersten Boxenstopp unter Renntempo nach einem Viertel der Distanz.

Als der von der Pole-Position gestartete und zu diesem Zeitpunkt im Rennen führende Penske-Pilot in Runde 50 seine Crew zum ersten Routinestop aufsuchen wollte, erhielt er beim Linkschwenk in Richtung seiner Mechaniker einen Schlag auf der linken Seite. Ana Beatriz (Dreyer & Reinbold Racing; 24.) beschleunigte gerade aus ihrer Box und traf den Penske des Australiers, dessen Box unmittelbar vor der der Brasilianerin lag. Beatriz' DRR-Crew hatte die Amazone irrtümlich heraus gewunken, obwohl von hinten der Penske von Power herannahte.

Will Power

Ana Beatriz hinterließ am Penske von Will Power deutliche Spuren... Zoom

In der Folge musste der Australier mehrfach unter Gelb seine Box ansteuern, um ein nach der Kollision mit dem DRR-Dallara von Beatriz im linken Seitenkasten klaffendes Loch tapen zu lassen. Bei Halbzeit des Rennens fand sich Power so nur auf Rang 23 am Ende der Führungsrunde wieder. Bis zur Flagge konnte er sich immerhin noch bis auf Rang 19 nach vorn schieben, mehr war für den vormaligen Tabellenführer allerdings nicht zu holen.

Dramatische Szenen in der Boxengasse

Doch die Kollision zwischen Power und Beatriz war bei weitem nicht der einzige Zwischenfall an diesem Tag in der Boxengasse des Kentucky Speedway. In Runde 140 verlor Simona de Silvestro (25.) ihren Boliden beim Herausbeschleunigen aus der HVM-Box aus der Kontrolle und rutschte mit kalten Reifen quer in die KV/Lotus-Crew von Ernesto Viso (23.). Einer der Mechaniker des Venezolaners musste daraufhin kurzzeitig das streckeneigene Hospital aufsuchen, konnte aber Entwarnung geben. "Ich muss mich bei den Jungs von KV entschuldigen", nahm de Silvestro die Verantwortung für den Zwischenfall sofort auf sich und erklärte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber wenn du mit gedrücktem Speedlimiter in der Boxengasse Vollgas gibst und dann das Auto ausbricht, kannst du nichts tun."

Die dadurch ausgelöste Gelbphase nutzte die Spitze - angeführt von Dario Franchitti vor Marco Andretti und Scott Dixon - zum letzten Boxenstopp im Rennen. Dieser sollte für Andretti, der sich zuvor rundenlang in unmittelbarer Schlagdistanz zum führenden Ganassi-Dallara aufgehalten hatte, das Ende des Rennens bedeuten. Beim Herausbeschleunigen nach seinem Stopp wollte der Sohn von Teamchef Michael Andretti möglichst wenig Zeit verlieren und fuhr Seite an Seite mit Graham Rahal (Ganassi) die Boxengasse entlang. Rahal musste daraufhin abrupt verzögern, weil unmittelbar vor ihm Alex Lloyd (Dale Coyne; 26.) seinerseits seine Crew aufsuchte. Andretti (27.) ging der Platz aus und der Bolide des Andretti-Teams wurde zwischen dem Wagen von Lloyd und dem links neben ihm befindlichen KV/Lotus von Ernesto Viso eingeklemmt. Nach einem Einschlag in die Boxenmauer war das Rennen für den bis dahin gut aufgelegten Andretti beendet.

Marco Andretti

Für Marco Andretti endete ein starkes Rennen in der Boxengasse Zoom

Nahezu zur gleichen Zeit erwischte es auch J.R. Hildebrand (20.). Der Rookie in Diensten des Panther-Teams nahm anders als Simona de Silvestro unfreiwillig seine eigene Crew aufs Korn. Auch im Falle des Boxenunfalls von Hildebrand musste einer der Mechaniker kurzfristig ins streckeneigene Hospital eingeliefert werden. Für den Indy-500-Pechvogel ging damit ein weiteres starkes Oval-Rennen enttäuschend zu Ende. Zuvor lag Hildebrand auf dem vierten Platz hinter den drei Ganassi-Piloten Dario Franchitti, Scott Dixon und Graham Rahal.

Unfall von Ana Beatriz spielt Franchitti in die Karten

Franchitti war im Zuge der ersten Runde der Boxenstopps erstmals in Führung gegangen und konnte die Spitzenposition bis zum Duell um den Sieg gegen Carpenter im Anschluss an den letzten Restart 22 Runden vor Schluss stets verteidigen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als könne der Schotte Probleme bekommen, die Distanz ohne einen weiteren Tankstopp zu überstehen, was das Blatt noch einmal zu Gunsten von Power gewendet hätte.

Dario Franchitti

Dario Franchitti übernahm mit Platz zwei wieder die Tabellenführung Zoom

33 Runden vor Schluss erledigte sich dieses Thema jedoch für den Schotten, als Ana Beatriz mit einem schweren Crash in Turn 4 eine elf Runden dauernde Gelbphase auslöste. Die DRR-Pilotin hatte ihren Boliden ohne Fremdeinwirkung übersteuernd aus der Kontrolle verloren und war rückwärts in die auf der Außenseite des Ovals angebrachte Safer-Barrier eingeschlagen. Nach bangen Minuten konnte Beatriz vom Rettungspersonal befreit und zum Check ins streckeneigene Hospital gebracht werden.

Während die lange Unterbrechung mit der Gelben Flagge im Falle Franchitti die letzten Zweifel über die Spritreserven ausräumte, musste Graham Rahal (12.) eine mögliche Topplatzierung herschenken. Der US-Amerikaner wurde unter Gelb noch einmal an die Box zitiert, nachdem das Ganassi-Farmteam beim vorangegangenen Stopp aus Strategiegründen weniger Sprit eingefüllt hatte als die Konkurrenz - ein folgenschwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Scott Dixon gewinnt die A.J.-Foyt-Trophy

So beendete Franchittis Teamkollege Scott Dixon das Rennen auf Platz drei. Der Neuseeländer hat angesichts von 55 Punkten Rückstand auf seinen Ganassi-Kollegen allerdings keine Chance mehr, in Las Vegas noch um den Titel zu fahren. Die A.J.-Foyt-Trophy für den punktbesten Oval-Piloten der Saison ist Dixon nach Platz drei in Kentucky jedoch nicht mehr zu nehmen. In den Schlussrunden stellte er sich ganz in den Dienst des Teams. "Ich wollte Dario auf der unteren Linie zu Hilfe kommen, um ihn eventuell an Ed vorbeischieben zu können", sagte Dixon im Hinblick auf das dramatische Duell zwischen Franchitti und Carpenter in den Schlussrunden. "Es war heute aber generell sehr schwierig, ein Überholmanöver durchzuziehen."

Scott Dixon

Ganassi-Pilot Scott Dixon ist der punktbeste Oval-Fahrer der Saison 2011 Zoom

Newman/Haas-Rookie James Hinchcliffe beendete das Kentucky Indy 300 auf Platz vier vor Ryan Hunter-Reay im bestplatzierten der Andretti-Dallara. Hinchcliffe schob sich damit vor dem Saisonfinale in der Rookie-Wertung an J.R. Hildebrand vorbei und liegt nun sechs Punkte vor dem Panther-Youngster. Hinter Hinchcliffe und Hunter-Reay liefen Oriol Servia (Newman/Haas; 6.), Wade Cunningham (Sam Schmidt; 7.) und Ryan Briscoe (Penske; 8.) allesamt innerhalb von einer Sekunde hinter Sieger Carpenter ein. Panther-Rückkehrer Buddy Rice (9.) und Andretti-Pilotin Danica Patrick (10.) komplettierten die Top 10.

Dan Wheldon nicht zufrieden

Indy-500-Sieger Dan Wheldon beendete sein erstes Rennen im Team von Sam Schmidt auf Platz 14. Der Brite hatte in Runde 178 Glück, nicht in den Crash von Ana Beatriz verwickelt zu werden. Wheldon lag zu diesem Zeitpunkt unmittelbar hinter der DRR-Pilotin, als diese sich vor ihm in Turn 4 drehte. "Das Feld war heute unglaublich ausgeglichen", musste der Sieger des Saisonhöhepunkts erkennen. "Platz 14 ist sicher nicht das Ergebnis, dass ich oder das Team erwartet hatten".

Immerhin sah Wheldon anders als Penske-Pilot Helio Castroneves überhaupt die Zielflagge. Der Brasilianer musste seinen Boliden bereits früh im Rennen mit überhitztem Motor in der Boxengasse abstellen. Sollte ihm auch beim Finale in Las Vegas wieder etwas dazwischen kommen, wäre es die erste sieglose IndyCar-Saison für Castroneves seit 1999.

Dan Wheldon

Dan Wheldon: Wenn schon im Mittelfeld, dann lieber in Kentucky als in Las Vegas... Zoom

Das bereits jetzt sehnsüchtig erwartete IndyCar-Saisonfinale steigt am 16. Oktober auf dem Las Vegas Motor Speedway. Beim zweiten Rennen auf einem 1,5-Meilen-Oval nach dem Kentucky Indy 300 geht es neben dem Titel für Dario Franchitti und Will Power außerdem um fünf Millionen Dollar für Dan Wheldon, sollte der Brite das Rennen vom Ende des Feldes gewinnen.