Analyse: Formel 2, GP3, Formel Master & Co.

Wir bringen Licht ins Dunkel der Möchtegern-Formel-1-Rahmenserien in spe und beleuchten die Hintergründe der Serien Formel 2 und GP3

(Motorsport-Total.com) - Eines vornweg: Wenn in der Headline von drei Rennserien, nämlich Formel 2, GP3 und Formel Master, die Rede ist, dann muss man genau genommen eigentlich korrigieren: In Wahrheit handelt es sich dabei nur um zwei Organisationen, denn zumindest zum jetzigen Zeitpunkt sind GP3 und Formel Master ein und dieselbe Idee von ein und derselben Person.

Titel-Bild zur News: Formel-Master-Start

Die neue GP3 ab 2010 soll an die aktuelle Formel Master angelehnt sein

Doch beginnen wir bei der Formel 2, die am Donnerstag im Williams-Hauptquartier in Grove offiziell präsentiert wurde. Bei Williams deshalb, weil das Formel-1-Team das Auto für die neue Meisterschaft von Jonathan Palmer bauen wird. Palmer hat die FIA-Ausschreibung für die Formel 2 gewonnen - möglicherweise wegen des bisherigen Erfolgs seiner britischen Einsteigerserie Formel Palmer, die übrigens auch weiterhin separat stattfinden wird.#w1#

Leitender Ingenieur des Projekts ist Patrick Head. Der Brite hat sich aus dem Formel-1-Tagesgeschäft in den vergangenen Jahren mehr und mehr zurückgezogen und arbeitet nun mit einer sechs Mann starken Entwicklergruppe am Formel-2-Chassis. Die Eckdaten stehen bereits fest - und sind beeindruckend: So wird das Auto beispielsweise bei einer Geschwindigkeit von 240 km/h um 12,5 Prozent mehr Anpressdruck generieren als ein Formel-3-Bolide!

Anpressdruck: 40 Prozent vom Unterboden

Die Nachwuchsfahrer sollen auf diese Weise behutsam an die Formel 1 herangeführt werden, in der der Anpressdruck ebenfalls sehr hoch ist. Was die Herkunft dieses Anpressdrucks angeht, so werden 40 Prozent vom Unterboden kommen. Das hat den Vorteil, dass die Bodenhaftung nicht abrupt abreißt, wenn man in die Verwirbelungen eines Vordermannes kommt. Zumindest in der Theorie werden auf diese Weise Überholmanöver gefördert.

Jonathan Palmer

Ex-Formel-1-Pilot Jonathan Palmer hat den Zuschlag für die Formel 2 erhalten Zoom

Leistungsmäßig produziert der 1,8-Liter-Motor von Audi maximal 400 PS bei 8.250 Umdrehungen pro Minute. In Anlehnung an das KERS-Hybridprinzip der Formel 1, das in der Königsklasse ab 2009 zugelassen sein wird, steht es den Fahrern außerdem frei, insgesamt zehnmal pro Rennen für jeweils sechs Sekunden 50 Zusatz-PS abzurufen - per Knopfdruck am Lenkrad. Auch hier gilt: Überholmanöver sollen forciert werden.

Beim Rennformat beschreitet die Formel 2 keine revolutionären Wege. Etwas merkwürdig mutet aber der Pflichtboxenstopp im zweiten 40-Minuten-Lauf an, denn die Fahrer müssen zwar an die Box kommen, aber nur für zehn Sekunden stehen bleiben - es wird weder aufgetankt noch werden die Reifen gewechselt. Wie bitte? "Die Fahrer sollen lernen, in der Boxengasse möglichst schnell und präzise zu sein, aber wir wollen keine verpatzten Boxenstopps", erklärt Palmer.

Vor allem will der MotorSportVision-Chef, der zwischen 1983 und 1989 selbst an 83 Grands Prix teilgenommen hat, eine preisgünstige Serie. Das war auch eine der Auflagen seitens FIA-Präsident Max Mosley - 200.000 Euro pro Fahrer und Saison waren ursprünglich geplant. Darüber konnten Insider anfangs nur lachen, doch Palmer hat es (fast) geschafft: Ab 245.000 Euro (Unfallschäden werden extra berechnet) ist man 2009 bei allen acht Events dabei.

Viel Service für wenig Geld

Für diese 245.000 Euro bekommt man ein Auto, einen zwecks Gleichbehandlung von Rennen zu Rennen rotierenden Mechaniker, 80 Prozent der Werbeflächen auf dem Auto und Zugang zur eigenen Hospitality der Serie, die insgesamt 200 Mann fasst. Im Preis inbegriffen ist pro Event ein Tisch für vier Personen. Falls notwendig können zusätzliche Plätze für weitere Gäste nachbestellt werden - gegen Aufpreis, versteht sich.

Formel-2-Studie

So wird das von Patrick Head entwickelte Formel-2-Auto aussehen Zoom

Palmer bietet also viel Wert für verhältnismäßig wenig Geld. Damit kann die Formel Master, die 2009 der direkte Gegner der Formel 2 sein wird, nicht konkurrieren. Bei Mauro Sipsz muss ein junger Fahrer geschätzte 350.000 Euro auf den Tisch legen, um eine Saison dabei zu sein. Dafür bekommt er genau wie in der Formel 2 Präsenz im Rahmen der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) - und sogar zwei Auftritte an Formel-1-Wochenenden!

Politisch brisant: Bernie Ecclestone hat der Formel Master Platz im Rahmenprogramm der Grands Prix in der Türkei und in Belgien versprochen, wo er selbst Promoter ist und damit in solchen Angelegenheiten niemanden fragen muss. Auch in Ungarn könnte die Formel Master langfristig im Rahmenprogramm der Königsklasse unterkommen. Damit äußert der Formel-1-Boss ohne Worte seine Präferenz, denn auch die Formel 2 hatte sich um Formel-1-Termine bemüht.

Verwunderlich ist Ecclestones Haltung nicht, schließlich soll 2010 die neue GP3 als "kleiner Bruder" der GP2 kommen - und die GP2 ist ein gemeinsames Projekt von Ecclestone, Flavio Briatore und Bruno Michel. Geistiger Vater der Formel-2-Idee ist Mosley. Der Machtkampf zwischen den beiden inzwischen zumindest auf privater Ebene wieder weitgehend versöhnten Streithähnen setzt sich also im Bereich der Nachwuchsserien fort.

GP3: Mit 700.000 Euro ist man dabei

Mosleys großes Plus sind die geringen Kosten der Formel 2, denn wenn aus der Formel Master 2010 tatsächlich die GP3 hervorgehen wird, wie es momentan geplant ist, dann müssen die an der GP3 interessierten Fahrer mit einem Jahresbudget von bis zu 700.000 Euro für ein Topcockpit rechnen. Das ist zwar deutlich weniger als in der leistungsstärkeren GP2 (1,5 Millionen Euro), aber durchaus vergleichbar mit der bereits etablierten Formel-3-Euroserie.

GP3-Logo

Die Rechte für das GP3-Logo hat sich Bernie Ecclestone bereits gesichert Zoom

Woher diese eklatante Diskrepanz kommt? "GP3 und Formel 2 sind zwei völlig unterschiedliche Konzepte", erklärt Paul Jackson, Teamchef des GP2-Rennstalls iSport. "Die GP3 soll der 'kleine Bruder' der GP2 werden, soll sehr ähnlich aussehen und quasi eine fehlende Strebe der Leiter in die Formel 1 darstellen. Die Formel 2 wird nicht im Formel-1-Rahmenprogramm auftreten und sie werden auch keine Teams haben. Das ist konzeptuell ein Riesenunterschied."

Das sieht konkret so aus: Die GP3 verkauft ihr Chassis an Teams, die dieses dann einsetzen, während es in der Formel 2 keine Teams gibt, sondern nur die Palmer-Organisation, die sich um alles kümmert. Aber: "Ich frage mich trotzdem, wie sie mit 245.000 Euro auskommen wollen", so Jackson. "Um 20 Autos und die Hospitality durch Europa transportieren zu können, brauchst du wahrscheinlich acht LKWs. Das alleine ist schon ein Riesenaufwand."

Was die Attraktivität der Preise für den Meister angeht, so schenken sich Formel 2 und Formel Master beziehungsweise GP3 nicht viel: Die eine Serie bietet einen Formel-1-Test bei Williams, die andere einen bei Honda. Klar ist aber, dass die GP3 den direkteren Weg in die Königsklasse darstellen wird - Ecclestone wünscht sich ein sauber vermarktbares und logisches System mit Formel 1, GP2, GP3 und Formel BMW im Paket.

Keine Einwände von BMW

Darüber wurde offenbar auch in Formel-1-Kreisen schon ganz konkret diskutiert: "Wir streben in den Gesprächen mit Bernie an, die Serien so gegeneinander abzugrenzen, dass es eine logische Folge von der Formel BMW in die GP3, in die GP2 und dann in die Formel 1 gibt", sagt BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Daher müsse man sich bei BMW auch keine Sorgen machen, dass die Formel BMW durch die GP3 entwertet werden könnte.

Bernie Ecclestone

Und er zieht mal wieder im Hintergrund die Fäden: Bernie Ecclestone Zoom

Fazit: Den Sprung ins Rahmenprogramm der Formel 1 wird kurzfristig - wenn überhaupt - nur die GP3 schaffen, sofern sie tatsächlich bis 2010 ins Leben gerufen wird. Denn Palmer mag mit der Formel 2 zwar beste Connections zur FIA haben, aber die nützen ihm herzlich wenig, weil Ecclestone und nicht die FIA der Chef in den Grand-Prix-Paddocks dieser Welt ist. Somit bestimmt am Ende wieder einmal der Formel-1-Promoter, wie der Hase läuft.

Und wer überhaupt läuft! Auch hier tut sich einiges: Über 25 Teams sollen offiziell ihr Interesse an einem GP3-Einstieg bei Sipsz deponiert haben, darunter auch namhafte Rennställe wie ART, Räikkönen/Robertson, iSport, DAMS und viele mehr. Welche Teams aus der aktuellen Formel Master den Sprung in die verwandte GP3 wagen werden, steht noch in den Sternen, weil die Europatournee mit der Formel 1 natürlich viel mehr Geld verschlingt als eine konventionelle Saison.

Übrigens: Vielen wird es noch nicht aufgefallen sein, aber die Formel Master verzichtet neuerdings auf den Zusatz "International" vor der Serienbezeichnung - aus der IFM ist sozusagen die FM geworden. Hintergrund: Sipsz wollte eigentlich zusätzlich zur internationalen Serie nationale Meisterschaften aus dem Boden stampfen. Es hat auch tatsächlich eine Art Pilotversuch in Italien stattgefunden, doch ohne durchschlagenden Erfolg...

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