• 25.12.2015 08:17

  • von Scott Mitchell (Haymarket)

Warum steigt Jaguar in die Formel E ein?

Nach fast zwölf Jahren Abwesenheit aus dem Motorsport kehrt Jaguar auf die große Bühne zurück und tritt in der Formel E an - Wir erklären die Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - Jaguar ist der vierterfolgreichste Hersteller in der Geschichte der 24 Stunden von Le Mans. Und mehr als eine große Katze hat sich auch bei den Tourenwagen als praktisch erwiesen. Je weniger man über die Formel 1 sagt, desto besser - aber über den Stammbaum der britischen Marke muss man trotzdem nicht die Nase rümpfen. Doch warum passiert das Motorsportcomeback im kommenden Jahr in elektrischer Form?

Titel-Bild zur News: Jaguar

Jaguar kehrt 2015 in den internationalen Motorsport zurück Zoom

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich immer wieder Gerüchte um Jaguar und den Motorsport gerankt. Und stets waren es Sport- oder Tourenwagen, die als vorprogrammiertes Ziel angesehen wurden. Beim Projekt Rocketsports XKR GT2 war man 2010 nah dran, Jaguar zum ersten Mal seit 1995 wieder in die Startaufstellung von Le Mans zu bringen, doch Tata Motors, die Eigner von Jaguar Land Rover, wollten etwas Greifbareres als ein weiteres Kapitel in seiner illustren Geschichte zeigen, um in ein Motorsport-Projekt zu investieren.

Jaguar Land Rovers Ingenieurschef Nick Rogers meint, dass ein Engagement im Rennsport "das absolut Höchste" sei, während Teamboss James Barclay behauptet, dass es "sehr viele relevante Möglichkeiten gab, die richtig für uns gewesen wären". Wir kommen der Sache näher. Das Verlangen war gewiss immer da, doch man muss auch sagen, dass ein Return on Investment für eine Herstellerteilnahme im Motorsport nie wichtiger war. Relevanz für die echte Welt und Marketingwert sind dafür wichtig.

Nutzen für die Straßenfahrzeuge

Würde Jaguar diese Vorgaben erfüllen, wenn man 200 Millionen Euro von Tatas Geld in ein Formel-1-Projekt pumpen würde, das fragwürdige Gewinne bringt? Oder wenn man die Hälfte davon (vermutlich etwas mehr) benutzt, um gegen die Volkswagen-Gruppe und japanische Giganten in der LMP1 zu kämpfen, um ein paar Hybrid-Tricks aufzuschnappen? Darüber lässt sich streiten.

Wenn man aber die geschätzten zehn Millionen Euro von Renault in der Formel E investiert und etwas lernt, das man direkt für die neue Serie an Elektrofahrzeugen nutzen kann, dann hat man Wert geschaffen. Ingenieure, die wichtiges Wissen und Erfahrung aus dem Rennprogramm mitnehmen, werden die e-Jaguars und -Land Rover bauen, und daher kann man Rennsport als wichtigen Teil von Forschung und Entwicklung begreifen.

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Die Formel E wird als großes Spielfeld für die Entwicklung gesehen Zoom

"Die Welt wird sich in Sachen Elektrifizierung, verbundene Fahrzeuge und selbstfahrende Autos verändern. Die Möglichkeit, in einem Rennumfeld zu arbeiten, verschafft uns damit die Chance, solche Dinge zu testen und sie bis an die Grenzen zu bringen", sagt Rogers. "Es gibt zwei Teile: zum einen den Energiespeicher und wie viel Energie man wie effizient speichern kann - und zum anderen wie effizient das Antriebssystem ist. Und wo kann man diese Dinge besser ausprobieren als in einer Situation, in der man unglaubliche Belastungen durch unglaubliche Maße an Fahren und Verzögern bekommt?"

Warum Entwicklung entscheidend ist

Dass Formel-E-Teams ihre eigenen Antriebe - inklusive Elektromotor, Getriebe, Inverter und Kühlsystem - entwickeln können, stärkt das ganze noch. Laut Jaguar habe man sich darum entschieden, zur dritten Saison zur Meisterschaft zu stoßen, weil der technische Fahrplan der Formel E erlaubt, eigene Technologie einzubringen. Größtes Schreckgespenst bei Elektrofahrzeugen ist die Effizienz, und die Formel E muss noch große Schritte unternehmen, um diese Zweifel auszuräumen. Jaguar möchte genau dieses Thema angehen und lernen, wie man einen Elektromotor mit weniger weiter bringt. Nirgendwo sonst ist Effizienz so wichtig für den Sieg wie in der Formel E.

Wenn Jaguar nicht seinen eigenen Antrieb entwickeln könnte, dann könnte man nicht so viel Wissen anhäufen, um es in den geplanten Straßenwagen-Sektor fließen zu lassen. Synergien zwischen einem Motorsportprogramm und dem Hauptgeschäft von Autoherstellern zu finden, ist manchmal schwierig, aber nicht hier. "Es ist eine echte Balance an Effizienz, und in einer CO2-bewussten Welt zu leben, das macht die Zukunft aus", meint Rogers. "Das ist wirklich aufregend. Ein Fahrzeug-Ingenieur zu sein, ist eine unglaubliche Herausforderung, aber auch ungemein aufregend. Wir werden Probleme lösen, von denen die Leute nicht einmal wussten, dass sie sie haben."


Fotostrecke: Die Strecken der Formel E 2015/2016

Kosten: Ein Bruchteil von der Formel 1

Das war die technologische Seite. Jetzt weiter zu den Kosten: Als sich Jaguar Ende 2004 aus der Formel 1 zurückgezogen hat, lag es daran, dass der damalige Mutterkonzern Ford Kosten sparen wollte, indem er seine Marken inklusive Motorenhersteller Cosworth aus den höchsten Motorsportserien abgezogen hat. Der Verkauf von Jaguar Land Rover an die Tata-Gruppe 2008 war ein wichtiger Faktor dafür, dass die Marke wieder an einem Punkt ist, wo man sich auf das Rennsport-Comeback vorbereitet.

Die Kosten für eine Teilnahme an der Formel E waren ebenfalls ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, in welcher Serie man sein Comeback starten würde. Gerüchte im Fahrerlager schätzen das Investment von Renault auf zehn Millionen Euro, um das führende Team in der Formel E zu werden. "Dass wir als vollständiges Werksteam einsteigen, war ebenfalls ein wichtiger Faktor für unsere Wahl im Motorsport", sagt Teamboss Barclay. "Es ist entscheidend, dass wir die Kontrolle über unsere Taten haben."

James Barclay (Jaguar)

James Barclay präsentiert die Formel-E-Pläne von Jaguar Zoom

"Obwohl die Formel E dennoch ein signifikantes Investment darstellt, bekommt man im Vergleich mit anderen Dingen immer noch einen guten Gegenwert für sein Geld. Aus Investitionssicht ist die Formel E gut gemanagt und strukturiert - und das macht natürlich auch den Reiz aus." Es wäre ein wenig übertrieben zu sagen, dass Jaguar ohne dies nicht wieder zurück im Motorsport wäre, weil es laut Aussagen auch andere Optionen gebe, aber das tut letztendlich nichts zur Sache.

Wichtiges Zeichen für die Formel E

Der Punkt ist, dass man die Formel E gewählt hat. Man hat es getan, weil man in der Automobilwelt der neuste Hersteller ist, der seinen Einfluss bei den Elektrofahrzeugen geltend macht. Das hat eine riesige symbolische Bedeutung, speziell für die Formel E. Die Serie besitzt ihre Kritiker, aber das boomende Interesse der Hersteller darf nicht ignoriert werden. Jaguar fungiert als endgültige Bestätigung für das Konzept des elektrischen Rennsports.

Ohne despektierlich gegen Renault (e.dams), VW/Audi (Abt) und Citroen (durch die Verbindung von DS und Virgin) zu sein, aber sie hatten alle bereits zuvor starke Motorsportprogramme laufen. Mahindra oder Venturi sind Spezialisten im Bereich der Elektrofahrzeuge, von daher ist ihre Teilnahme auch keine Überraschung. Aber mit Jaguar Land Rover hat die Meisterschaft einen Hersteller angezogen, der weder im Motorsport aktiv ist, noch eine existierende Elektrolinie besitzt.


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Darum hat Serienboss Alejandro Agag auch von "der größten Bekanntgabe, die wir jemals hatten" gesprochen. Und am Horizont wartet laut Agag eine weitere Hersteller-Ankündigung. Wenn dies passiert, wird dahinter mit großer Sicherheit eine ähnliche Logik wie bei Jaguar stecken. Und der Formel-E-Koloss und sein wachsender Einfluss auf Elektrofahrzeuge werden noch mehr Momentum erhalten.