• 01.03.2014 17:19

Vettel: "Wir wissen, wie ernst die Lage ist"

Weltmeister Sebastian Vettel schildert im Interview seine Sicht der Dinge zu einem weiteren schwierigen Testtag in Bahrain und erklärt die Probleme

(Motorsport-Total.com) - Wieder ein Rückschlag für Sebastian Vettel und für Red Bull. Denn am vorletzten Testtag in Bahrain schaffte der Weltmeister nicht einmal eine Runde. Gleich zwei größere Probleme hinderten Vettel am Samstag daran, weitere Kilometer im RB10 abzuspulen. In seiner ausführlichen Medienrunde spricht der Deutsche über dieses Dilemma und die Konsequenzen daraus, sagt aber auch, dass er gute Hoffnungen für die Saison 2014 hat. Das gesamte Interview mit Red-Bull-Fahrer Vettel lesen Sie hier!

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel scheint trotz weiterer Probleme noch gut gelaunt zu sein Zoom

Frage: "Sebastian, wieder ein schwieriger Tag für Red Bull. Nur eine Runde und neue Probleme. Wie siehst du das?"
Sebastian Vettel: "Man darf das nicht zu sehr dramatisieren. Mit Sicherheit war es heute kein guter Tag. Bis jetzt hat die Testerei noch nicht so richtig angefangen. Es geht natürlich in zwei Wochen schon los. Das ist uns auch bewusst. Aber ändern kann man es nicht. Da müssen wir jetzt durch."

Frage: "Manche Beobachter sprechen von 'Problemen'. Ist es realistisch betrachtet vielleicht sogar ein 'Desaster'?"
Vettel: "Nun, bis jetzt wurde noch kein Rennen gefahren. Was die Zuverlässigkeit angeht, sind wir im Moment nicht gut. Das wissen wir. Dafür fahren wir zu wenig. Und wenn wir fahren, geht meistens etwas kaputt. Aber wie gesagt: Es ist aber ein langes Jahr. Und bis jetzt wurde noch kein Rennen gefahren. Deshalb: Es gibt noch keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken."

Frage: "Du sagst es: Es ist ein langes Jahr. Macht ihr euch intern vielleicht schon Gedanken, die ersten drei Rennen herzuschenken? Dann kommt der Test, dann schaut man weiter..."
Vettel: "Nein, überhaupt nicht. Wir müssen die Rennen nutzen, so wie andere versuchen, diese Rennen zu nutzen."

"Es ist im Augenblick natürlich schwer zu sagen, wo man steht, wie realistisch die Chance ist, ins Ziel zu fahren und so weiter. Weil einfach unheimlich viele Fragen noch offen sind und weil wir so wenig gefahren sind. Doch wie gesagt: Wir können es jetzt nicht ändern. Da müssen wir durch. Und wir müssen die Zeit nutzen, die wir haben - auch wenn das weniger ist, als wir vielleicht wollen. Wir müssen halt zusehen, mit der wenigen Zeit zurechtzukommen."


Fotos: Red Bull, Testfahrten in Sachir


Frage: "Du giltst als Perfektionist. Wie sieht es denn innendrin aus bei dir? Emotional betrachtet?"
Vettel: "Wie gesagt: Man darf da jetzt nicht anfangen, das Ganze zu überdenken, sondern muss bei den Tatsachen bleiben. Es ist uns bekannt, dass es nicht gut ist."

"Wir sind aber drauf und dran, besser zu werden. Auch wenn, sage ich mal, die Ergebnisse sich noch nicht zeigen. Wir hoffen, relativ schnell den Anschluss zu finden. Dann hoffen wir, dass das Auto schnell genug ist. Darauf haben wir ebenfalls noch keine Antwort. Ich glaube aber, wir alle haben ein gutes Bauchgefühl, was den Speed des Autos angeht, wenn es mal läuft."

Vettel ist zuversichtlich: Alles wird gut...

Frage: "Wie optimistisch bist du, dass es am Sonntag länger geht als bis Kurve vier?"
Vettel: "Schwer zu sagen. Am Freitag schien es schon ganz gut zu sein. Heute sind zwei Sachen kaputtgegangen, die es uns letztendlich nicht erlaubt haben, noch einmal hinauszufahren. Was morgen passiert, ist schwer zu sagen. Wie gesagt: Es ist nicht immer das gleiche Problem. Es sind andere Probleme, die hier und da auftreten. Deshalb kann man da keine Prognose abgeben."

Frage: "Was genau waren denn die Probleme?"
Vettel: "Am Vormittag hatten wir ein elektrisches Problem. Wir haben ein bisschen lang gebraucht, um die Batterie zu wechseln. Das war eigentlich das Hauptproblem."

"Am Nachmittag konnten wir das Auto nicht wie gewünscht starten. Das war aber eher etwas Mechanisches. Wieder mussten wir Teile wechseln und konnten daher nicht erneut fahren. Deshalb haben wir das Auto für morgen wieder hergerichtet. So ist es halt. Da sitzen alle im selben Boot: Wenn ein Problem auftritt, dauert es lange, um es zu lösen."

Sebastian Vettel

Wer sein Auto liebt, der schiebt: Sebastian Vettel mit vollem Einsatz am Samstag Zoom

Frage: "Wie war es denn bis Kurve vier?"
Vettel: "Bis dahin war gar nichts. Es ging eigentlich nur darum, das Auto zu checken und wieder zurückzubringen. Das hat dann nicht geklappt."

Frage: "Was für ein Gefühl hast du, wenn du jetzt an Melbourne denkst?"
Vettel: "Nun, es ist noch ein bisschen schwierig für uns. Doch wie man sieht: Auch die anderen Teams tun sich noch schwer. Es ist klar, dass wir bei der Zuverlässigkeit und beim Kilometer-Stand nicht ganz vorn dabei sind, aber ich glaube, alle tun sich schwer. Wenn es ein Problem gibt, dann verlieren alle sehr viel Zeit."

"Melbourne ist nun mal schon in zwei Wochen. An der Uhr lässt sich nicht mehr drehen. Wie gesagt: Für uns ist es jetzt so, wie es ist. Wir versuchen, am Sonntag noch einmal so viel mitzunehmen, wie es geht. Wir kriegen noch einmal ein paar neue Teile, können dann hoffentlich noch etwas mehr fahren. Und der Rest wird sich dann zeigen, wenn die Saison anläuft."

"Melbourne ist nun mal schon in zwei Wochen. An der Uhr lässt sich nicht mehr drehen." Sebastian Vettel

Frage: "Wo steht Red Bull deiner Meinung nach derzeit?"
Vettel: "Das ist nicht bekannt. Wir hatten bisher ja nicht die Gelegenheit, die Geschwindigkeit des Autos zu erkunden. Die Zuverlässigkeit ist nicht gut. Doch darum geht es ja beim Testen. Im Augenblick treten viele unterschiedliche Probleme auf."

"Es ist nicht gerade die beste Situation, aber wir können es nicht ändern. Alle sind hochmotiviert, dass wir die Kurve kriegen. Das passiert nicht über Nacht. Wir hoffen dennoch auf einen besseren Tag am Sonntag. Und wir wünschen uns einen ordentlichen Saisonstart in Melbourne. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Zuverlässigkeit aber das große Fragezeichen für uns."

Der Teufel steckt im Detail

Frage: "Wo liegen die Probleme den Schwerpunktmäßig, am Motor oder am Chassis? Kannst du das einschätzen?"
Vettel: "Puh. Es wäre nicht fair, diese beiden Elemente getrennt voneinander zu betrachten. Wir arbeiten mit Renault, sie arbeiten mit uns. Den ganzen Winter. Wir bereiten das Auto gemeinsam vor. Natürlich gibt es hüben wie drüben gewisse Probleme. Unterm Strich sind wir aber ein Team. Wir haben gemeinsam schon viel erreicht. Nun haben wir gemeinsam eben eine schwierige Zeit."

Frage: "Wie lange wird es dauern, die Probleme zu lösen und aufzuholen?"
Vettel: "Schwer zu sagen. Ich denke, vieles wird sich schon alleine dadurch ändern, dass wir bereits in zwei Wochen viele neue Teile bekommen werden. Wir hatten etliche Probleme. Das hat einige Teile beschädigt. Diese stehen nicht über Nacht wieder zur Verfügung. Außerdem sind wir gerade in Bahrain. Da ist es nicht ganz so einfach, Dinge zu reparieren."

"So gesehen wird es besser, sobald wir erst in Australien sind. Es ist aber schwer zu prognostizieren, was dort passieren wird. Wir hatten natürlich gedacht, dass wir uns schon in dieser Woche in einer besseren Position befinden würden als noch in der vergangenen Woche. Das war so nicht der Fall. Es gibt aber keinen Grund, an diesem Punkt zu emotional zu reagieren. Wir müssen die Sache Schritt für Schritt angehen und schauen, wo wir stehen."


Testfahrten in Sachir

Frage: "In den vergangenen fünf Jahren hattest du immer ein Siegerauto. Musst du jetzt daran denken, kleinere Brötchen zu backen?"
Vettel: "Nun, wir werden auch in diesem Jahr ein Siegerauto haben. Die Saison ist ja sehr lang. Es gibt vieles, was da passieren kann. Natürlich: Unsere Vorbereitung war bisher nicht die beste. Doch wie ich schon sagte: Es ist noch ein langer Weg. Es stehen noch viele Rennen aus. Wir haben also die Chance, gut abzuschneiden."

Frage: "Kannst du dich im Team oder bei Renault über die Vorkommnisse beschweren?"
Vettel: "Nein. Ich denke, vor allem wir im Team wissen, wie ernst die Lage ist - auf unserer Seite und auf Seiten von Renault. Ich bin aber kein großer Fan davon, dazwischen einen Strich zu ziehen. In den vergangenen vier, fünf Jahren waren wir ein Team, als es fantastisch lief."

Sebastian Vettel

Bild mit Seltenheitswert: Sebastian Vettel und Red Bull fuhren bisher nicht sehr viel... Zoom

"Es gab schwierige Zeiten. Zum Beispiel, als wir zwei Rennen vor Schluss einen Motorschaden hatten. Das hätte beinahe die WM entschieden. Das war nicht so toll. Es gab auch Fehler auf unserer Seite, Fahrfehler und dergleichen. Wir sind aber ein Team. Solche Dinge kommen vor. Ich glaube, das ist allen klar. Wir wollen natürlich so bald wie möglich in Fahrt kommen. Das wollen alle hier."

Frage: "Wie frustrierend ist das Ganze denn für dich?"
Vettel: "Ich bin eigentlich nicht frustriert. Natürlich bin ich hier, um zu fahren. Und heute bin ich nicht viel gefahren. Auch an den anderen Tagen nicht. Es gibt aber keinen Grund... Es ist ein langes Jahr. Jetzt ist Anfang März. Die Saison dauert bis Ende November. Da ist viel Zeit. Es kommen viele Rennen. Wir haben also viel Zeit, um aufzuholen."

"So hatten wir uns das natürlich nicht vorgestellt. Jeder weiß schließlich, wie wichtig es ist, einen guten Saisonstart hinzulegen. Wir können das aber nicht ändern. Es gibt auf jeden Fall keinen Grund, alles schwarzzumalen."

Vom Suchen und Finden des richtigen Rhythmus

"Wir wissen, dass es eine schwierige Zeit ist. Und die Motivation ist da, das schnellstmöglich hinter uns zu lassen und richtig durchzustarten. Wenn es noch einmal einen Test geben würde, dann würden wir ihn nutzen. Denn wir sind noch nicht bereit. Dafür fahren wir nicht genug. Ich freue mich dennoch auf Melbourne."

Frage: "Aus welchem Grund bist du trotz allem optimistisch für die bevorstehende Rennsaison?"
Vettel: "Nun, wir haben zwar bisher nur sehr wenige Runden gedreht, aber dabei fühlte sich das Auto sehr gut an. Insgesamt haben wir da natürlich einen Rückschritt gemacht, weil nun viel weniger Grip zur Verfügung steht. Es war aber nicht zu schlimm. Das macht Hoffnung. Uns ist klar, dass wir zu viele Probleme haben, um einen Rhythmus zu finden. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir diesen Rhythmus mit der Zeit finden."

Frage: "Was rechnest du dir für diese Saison aus?"
Vettel: "Schwierig. Ich weiß es nicht. Im Augenblick ist es schlicht unmöglich, eine Erwartung zu haben. Man kann es nicht einschätzen. Wir müssen wohl bis zum ersten Rennen warten, um zu wissen, was die Stoppuhr sagt."

"Im Augenblick ist es schlicht unmöglich, eine Erwartung zu haben." Sebastian Vettel

"Anfangs hast du immer eingeschränkte Erwartungen, weil du nicht weißt, wie konkurrenzfähig du bist. Und sobald du weißt, dass du konkurrenzfähig bist, willst du natürlich auch gewinnen. Das ist auch in diesem Jahr das Ziel. Doch ein Schritt nach dem anderen. Wir können nicht sagen: 'Wir wollen die WM gewinnen.' Erst einmal müssen wir versuchen, das erste Rennen zu beenden. Und dann sehen wir weiter."