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  • 14.11.2010 22:44

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Es war ein Fehler"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali spricht über den Boxenstopp seines Teams, den verpassten Titel und die Nachwirkungen von Hockenheim

(Motorsport-Total.com) - Die Roten aus Maranello gingen als Favoriten in das Wochenende von Abu Dhabi, kehren aber mit leeren Händen nach Italien zurück: Fernando Alonso gelang es beim letzten Saisonrennen der Formel 1 nicht, seinen Punktevorsprung über die Distanz zu bringen. Ein früher Boxenstopp warf den Spanier zu weit zurück und beraubte ihn seiner Titelchancen. In seiner Medienrunde spricht Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali über die Niederlage seiner Mannschaft und über den letzten Grand Prix.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali (Teamchef)

Stefano Domenicali und Ferrari gehen ohne WM-Titelgewinn in die Winterpause

Frage: "Stefano, lag es am Boxenstopp, dass Fernando Alonso der WM-Titel durch die Lappen ging? Kannst du erklären, wie genau es zu dieser strategischen Überlegung kam? Es hatte den Anschein, als ob Ferrari gleich mit beiden Autos auf Mark Webber reagierte..."
Stefano Domenicali: "Ja, das war ein Fehler."

Frage: "Wie kam es zu dieser Entscheidung?"
Domenicali: "Dafür gab es zwei Gründe. Im Nachhinein ist vollkommen klar, dass es ein Fehler war. In diesem Moment mussten wir eine Entscheidung treffen. Das Team muss aber sowohl in guten Zeiten als auch in schlechten Zeiten zusammenstehen."

"Einer der Gründe war der Reifenabrieb, den wir schon am Freitag beobachten konnten. Das war ein Faktor. Außerdem dachten wir, dass es so einfacher sein würde, die Hinterbänkler im mittleren Rennabschnitt zu überholen. Das war der Fehler an unserer Strategie."

Frage: "Kommen wir noch einmal auf den Boxenstopp zu sprechen: Kannst du uns dieses Szenario nochmals erklären? Ein vierter Platz hätte Fernando zum Titelgewinn gereicht. Es hätte keine Rolle gespielt, ob Webber einen Rang vor ihm eingelaufen wäre..."
Webber: "Was du sagst, stimmt natürlich. Jetzt ist es aber viel einfacher, solche Rückschlüsse zu ziehen. Es war ein Fehler. Was soll ich noch dazu sagen? Es bringt nichts, da jetzt noch einmal nachzubohren."

"Es war ein Fehler. Was soll ich noch dazu sagen." Stefano Domenicali

Frage: "Kam diese Entscheidung schnell zustande? Habt ihr darüber diskutiert? Wie muss man sich das vorstellen?"
Domenicali: "Es war ein Fehler."

Frage: "Hat es eure Situation noch zusätzlich erschwert, dass ihr hier in Abu Dhabi auf zwei Red Bulls aufpassen musstet?"
Domenicali: "Ja. Man versucht, klug zu agieren und sich entsprechend zu positionieren. Bei zwei Autos ist das schwieriger als bei nur einem Gegner. Du wirst auch eher den Titel bei den Konstrukteuren gewinnen, wenn du zwei Autos hast, die vorne mitfahren."¿pbvin|512|3286|dhabi|0|1pb¿

Ferrari kämpfte sich zurück in die WM

Frage: "Fernando gestikulierte in der Auslaufrunde in Richtung Vitaly Petrov. Hast du diese Szene mitbekommen? Wie lautet dein Kommentar dazu?"
Domenicali: "Um ehrlich zu sein: Das habe ich nicht gesehen. Nach dem Ende des Rennens wollte ich nahe bei meinen Jungs sein. In diesem Moment muss man in meinen Augen nämlich seinen Mann stehen und darf nicht den Kopf hängen lassen."

"Wir müssen uns daran erinnern, wo wir in dieser Saison schon zu finden waren. Niemand hätte darauf gewettet, dass wir hier noch Titelchancen haben würden. Ich sagte zu den Jungs: 'Verlieren ist sehr schmerzhaft.' Ich fühlte mit Vettel, als er in Führung liegend ausschied. In solchen Augenblicken ist es einfach, die Flinte ins Korn zu werfen. Das ist aber nicht die richtige Einstellung."

"Niemand hätte darauf gewettet, dass wir hier noch Titelchancen haben würden." Stefano Domenicali

"Unterm Strich konnten wir hier um etwas kämpfen, doch hier haben wir die Meisterschaft nicht verloren. Sie waren stärker. Das ist eine Tatsache. Das sollten wir im Hinterkopf behalten. Aus diesem Grund wollte ich mit dem Team sprechen. Es wäre falsch, im Jahr von Ferrari nur an dieses Rennen zu denken. Ohne das beste Auto zu haben, kämpften wir hier um den Titel. Darauf dürfen wir stolz sein."

Frage: "Wie ist es um deine persönlichen Gefühle bestellt, wo ihr doch so nahe dran wart?"
Domenicali: "Zunächst einmal muss ich Vettel zum Titel gratulieren. So etwas muss man einfach wertschätzen. So bin ich. Einige Leute sind nun sehr glücklich. Innerlich fühle ich viel Schmerz. Wenn du deine Chance siehst, tut eine solche Niederlage weh."

"Für uns war es so gesehen das schlechteste Rennen des Jahres. Das beschäftigt mich sehr. Nach diesem Rennen kann man nur eines tun: Es hinter sich lassen, tief durchatmen und die Akkus neu aufladen, um die Leute dazu anzuspornen, im kommenden Jahr einen noch besseren Job zu machen."

"Wir haben alle Voraussetzungen, um das zu schaffen. Wir können uns auf ein gewachsenes Team verlassen. Wir müssen aber weiter wachsen. Auch auf unsere Fahrer können wir uns verlassen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Fernando bedanken, denn er hat eine fantastische Saison hingelegt. Er hat die Leute ständig angetrieben und gab niemals auf. Es tut mir auch leid für ihn."

"An dieser Stelle möchte ich mich bei Fernando bedanken." Stefano Domenicali

Frage: "Unabhängig vom Ausgang dieses Wochenendes hätten wir dich nach der Szene von Deutschland befragt und nach den Auswirkungen, die der Platztausch hervorgerufen hat. Wie lautet dein Kommentar dazu?"
Domenicali: "In Großbritannien war das vielleicht noch ein Thema, doch überall sonst hat man nicht mehr darüber gesprochen. Mit dem heutigen Rennen ist diese Saison abgeschlossen. Wir haben die Meisterschaft verloren und Punkt. Ich sehe nicht, dass es da etwas zu diskutieren gäbe."


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Abu Dhabi


Felipe Massa soll 2011 wieder zulegen

Frage: "Ferrari hat eine andere Philosophie als Red Bull oder McLaren. Könnte sich diese im Hinblick auf die Ereignisse dieser Saison verändern? Ferrari hatte nach Hockenheim einen Titelkandidaten und einen etwas indisponierten Piloten. Werdet ihr im kommenden Jahr eine andere Taktik an den Tag legen?"
Domenicali: "Ich denke nicht, dass diese Frage in den richtigen Kontext gesetzt wird, wenn ich das so sagen darf. An einem gewissen Punkt muss das Team eine solche Entscheidung treffen."

"Ich werde nicht über die anderen sprechen, denn dazu will man uns immer verleiten. Ich warte ab und respektiere, was sie tun. Ich würde auch gerne die andere Seite sehen, doch das ist eine andere Geschichte. Ich denke jedenfalls nicht, dass durch diese gewisse Sache nicht die Herangehensweise des Teams verändert wurde. Ich würde das nicht überbewerten. Das ist meine Meinung."

"Ich würde das nicht überbewerten. Das ist meine Meinung." Stefano Domenicali

Frage: "Erwartest du, dass Gras über die Ereignisse von Deutschland wachsen wird?"
Domenicali: "Deutschland war nur einer von vielen Grand Prix. Dort haben wir einen Doppelsieg erzielt. Es war auch für Red Bull nur ein Rennen. Ich weiß nicht, warum ein gewisses Land, Großbritannien, immer wieder darauf zu sprechen kommt."

"Man sollte vielleicht auch einmal über den Tellerrand hinausschauen. Das ist meine Meinung, mit der ich niemandem auf die Füße treten will. Versteht ihr mich? Ich denke, diese Debatte beschäftigte sich zu lange mit nichts. Es ist ohnehin müßig, sich darüber zu unterhalten, denn Vettel hat die WM für sich entschieden."

Frage: "Du hast es vorhin angesprochen: Man braucht zwei starke Fahrer, um den Titel bei den Konstrukteuren zu erobern. Wie zuversichtlich bist du, dass Felipe Massa 2011 zu seiner Form zurückfindet?"
Domenicali: "Ich bin zuversichtlich. Felipe hatte eine schwierige Saison."

"Es ist gut, dass dieses Rennjahr nun abgeschlossen ist. Ich bin zu einhundert Prozent davon überzeugt, dass er die innere Energie finden wird, um - gemeinsam mit dem Team - zu seinem üblichen und sehr hohen Standard-Niveau zurückzukehren."