• 06.10.2009 19:07

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Motoren: Was wirklich Sache ist

Laut Williams-Technikchef Sam Michael gibt es zwei Motoren, die 2009 herausragen - einen besonders guten und einen besonders schlechten...

(Motorsport-Total.com) - Seit in Monza sechs Mercedes-Fahrzeuge in den ersten vier Startreihen gestanden sind, wird hinter den Kulissen der Formel 1 darüber diskutiert, die an und für sich nicht mehr als Leistungsmerkmal vorgesehenen Motoren erneut anzugleichen. Bereits 2008/09 hatte die FIA Renault und Honda erlaubt, trotz der Homologierung ein paar PS nachzulegen.

Titel-Bild zur News: Mercedes-V8-Motor von 2008

Der aktuelle Mercedes-V8-Motor gilt in der Formel 1 als das Maß aller Dinge

Nun hat die FIA wieder ein "Auftauen" der aus Kostengründen "eingefrorenen" V8-Triebwerke gestattet, allerdings dürfen diesmal nicht die nachrüsten, die ins Hintertreffen geraten sind, sondern höchstens die zurückbauen, die sich einen Vorteil erarbeitet haben. Auf diese Weise sollen wieder alle Motoren auf annähernd das gleiche Niveau gebracht werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich alle Teams einig werden. Dies wird in Branchenkreisen als nicht unwahrscheinlich eingeschätzt.#w1#

Ferrari: Datenerhebung in Monza

Dabei kann sich niemand hundertprozentig sicher sein, wie stark die Performance der aktuellen Motoren variiert. Zumindest Hinweise gibt es aber sehr wohl: "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", sagt Williams-Technikchef Sam Michael über das Kräfteverhältnis, "aber Ferrari hat in Monza mit einer Universitätsgruppe eine Studie angestellt. Die wurde innerhalb der Technischen Arbeitsgruppe präsentiert. Laut dieser Studie ist die Leistungsstreuung sehr gering."

"Das Problem mit der Motorleistung ist, dass es eine sehr subjektive Sache ist", erklärt der Ingenieur. "Man misst auf verschiedenen Prüfständen, auf verschiedenen Kalibrierungssystemen. Eigentlich kann man nur eines sicher sagen: Wenn ein Motor Grands Prix gewinnt, dann ist er gut genug, um Grands Prix zu gewinnen. Ferrari, Renault, Mercedes haben schon Rennen gewonnen. Wenn du so einen Motor in deinem Auto hast, dann solltest du dazu in der Lage sein, Grands Prix zu gewinnen. Komplexer kann man an das Motorenthema nicht herangehen, weil es zu viele Einflüsse gibt."

¿pbvin|512|1529||0|1pb¿"Die einzige Möglichkeit wäre, alle Motoren auf einem Kontrollprüfstand zu messen", schlägt Michael augenzwinkernd vor - im Wissen, dass es dazu nie kommen wird. "Selbst dann kann es sein, dass ein Motor 710 PS hat und der andere 700, der stärkere dafür aber um drei Prozent mehr Benzin verbraucht. Das muss man dann auch wieder bereinigen, denn der Verbrauch wirkt sich auf die Rundenzeit auf. Es wird also sehr schnell kompliziert. Oder ein Motor ist um drei Kilo schwerer als ein anderer. Lauter solche Sachen."

Und weiter: "Es gibt viele homologierte Teile, aber auch vieles, was nicht homologiert ist: Benzin, Schmierstoffe, Airbox, Auspuff. Die Leistungsunterschiede, die Ferrari gemessen hat, könnten ebenso gut von diesen Komponenten kommen. Wenn nun jemand zehn PS durch diese Komponenten findet, dann ist das nicht anders, als hätte er ein Prozent mehr Anpressdruck gefunden. Wenn Teams dadurch einen Vorteil haben, dann ist es nicht fair, sie dafür zu bestrafen, denn das sind Bereiche, die außerhalb der Homologierung liegen."

Kaum noch technische Freiheiten

Bei modernen Formel-1-Motoren sind fast alle Parameter fest vorgegeben: Mindestgewicht, Schwerpunkt, Zylinderöffnungswinkel. Selbst die Leistung wird angeglichen, wenn mal jemand aus der Reihe tanzt. Gearbeitet werden darf eigentlich nur noch an der Zuverlässigkeit und an den Nebenaggregaten, aber nicht am Motorblock selbst. Das führt dazu, dass Faktoren wie der Benzinverbrauch plötzlich mehr Bedeutung haben als früher.

Tankanlage

Der Faktor Benzinverbrauch gewinnt in der Formel 1 mehr und mehr an Bedeutung Zoom

Der Verbrauch ist anno 2009 laut Michael "absolut entscheidend" - und wird noch an Bedeutung gewinnen, wenn 2010 nicht mehr nachgetankt werden darf. Denn wer dann einen "Benzinfresser" im Heck hat, der muss mit einem schwereren Auto starten als die Konkurrenz. Der Unterschied kann nach Einschätzung von Michael "bis zu zehn Kilogramm" betragen. Das macht auf einer Strecke wie Suzuka in der Anfangsphase mehr als vier Zehntelsekunden pro Runde aus!

Laut Michael machen sich die Teams darüber schon dieses Jahr Gedanken: "Seit die FIA die Startgewichte bekannt gibt, können wir mit Beobachtungen über mehrere Rennen hinweg ausrechnen, wie hoch der Verbrauch der anderen Autos im Vergleich zu unserem ist und wer den effizientesten Motor hat. Aus diesen Berechnungen wird klar, dass es dieses Jahr zwei Motoren gibt, die herausragen. Einer ist sehr gut und einer sehr schlecht."

Dass Mercedes diesbezüglich den besten Job gemacht hat, ist ein offenes Geheimnis. Dass Ferrari mehr verbraucht, konnte man anhand des Zeitpunkts der ersten Boxenstopps zuletzt feststellen. Aber wer hinkt am deutlichsten hinterher? Michael will das Geheimnis nicht lüften - möglicherweise aus Respekt vor dem eigenen Partner. Oder ist es Zufall, dass Williams Toyota gebeten hat, den für 2010 abgeschlossenen Vertrag zu kündigen, um stattdessen mit Renault oder Cosworth zusammenarbeiten zu können...?