• 27.08.2010 14:32

  • von Stefan Ziegler

Nykjaer: "Wir haben den Speed"

Sunred-Fahrer Michel Nykjaer im Interview über seinen Einstand in der Tourenwagen-WM, das große Pech von Monza und seine Ziele in dieser Saison

(Motorsport-Total.com) - Er ist einer der vielen Neulinge in der WTCC und vermutlich der größte Pechvogel der Tourenwagen-WM: Michel Nykjaer hätte beim zweiten Monza-Rennen beinahe die Sensation geschafft und seinen ersten Sieg eingefahren, doch Fortuna stand dem dänischen Rennfahrer nicht zur Seite. Auch in Portimão hat es nicht sollen sein - Nykjaer steckt deswegen aber nicht den Kopf in den Sand. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der 30-Jährige über seine aktuelle WTCC-Situation.

Titel-Bild zur News: Michel Nykjaer

Michel Nykjaer sitzt seit 2010 im Cockpit eines SEAT León TDI in der WTCC

Frage: "Michel, in der Vergangenheit hast du einige Gaststarts absolviert, nun bist du Stammfahrer in der Tourenwagen-WM. Wie gefällt dir die WTCC?"
Michel Nykjaer: "Die Tourenwagen-WM ist einfach klasse. Ich komme aus Dänemark und bin in den vergangenen zehn Jahren fast ausschließlich in der dortigen Serie unterwegs gewesen."#w1#

"Die Situation in der dänischen Tourenwagen-Meisterschaft ist in diesem Jahr aber sehr schlecht. Da macht sich die Wirtschaftskrise sehr stark bemerkbar, denn es sind nur wenige Autos am Start. Das ist sehr unschön. Ich hatte allerdings das Glück, einen guten Sponsor zu finden."

"Um den Jahreswechsel konnten wir dann schließlich eine Vereinbarung mit Sunred treffen, um an der WTCC teilzunehmen. Darüber freue ich mich natürlich außerordentlich. Auch darüber, nun selbst ein Teil der Tourenwagen-WM zu sein. Ich habe diese Meisterschaft über so viele Jahre hinweg im TV verfolgt. Es ist einfach fantastisch, dass ich jetzt zum Starterfeld dieser Serie zähle."

"Ich habe diese Meisterschaft über so viele Jahre hinweg im TV verfolgt." Michel Nykjaer

Frage: "Eigentlich hätte man erwartet, dass du in diesem Jahr einen Rennwagen von Chevrolet bewegen würdest..."
Nykjaer: "Das stimmt. Wir standen kurz davor, einen entsprechenden Deal abzuschließen, doch das Angebot von Sunred war schlichtweg sehr gut. Der SEAT León TDI hatte darüber hinaus zwei Jahre in Folge die Gesamtwertung gewonnen. Uns erschien es daher die richtige Wahl zu sein, auf dieses Pferd zu setzen."¿pbvin|0|2994|wtcc|0|1pb¿

Sunred: Lernen von den Ex-Werksfahrern

Frage: "Du hast es eben angesprochen: Du fährst das Auto, das in den vergangenen beiden Jahren der Maßstab in der WTCC war. Wie fühlt es sich an, den SEAT León TDI auf der Strecke zu bewegen? Wie lauten deine Eindrücke?"
Nykjaer: "Es ist ein sehr schnelles Auto. Damit sind wir quasi auf jedem Kurs konkurrenzfähig. Du musst aber schon eine spezielle Fahrweise an den Tag legen."

"Wir Neulinge haben da hin und wieder unsere liebe Not, um die entscheidenden Kniffe zu erlernen. Selbst die früheren Werkspiloten bekommen gelegentlich Schwierigkeiten. Davor ist natürlich niemand gefeit. Wir verbessern uns jedenfalls kontinuierlich und das ist wichtig. Man muss bedenken: Ich bin eigentlich ein Privatier und verfüge nicht über die Erfahrung der ehemaligen Werksfahrer."

"Jedes Mal, wenn ich an eine Strecke komme, muss ich neue Dinge lernen. Die erste Hürde ist für mich, den jeweiligen Kurs kennen zu lernen - und das sollte möglichst rasch vonstatten gehen. Das ist manchmal nicht ganz einfach, macht mir aber großen Spaß."

"Man muss bedenken: Ich bin eigentlich ein Privatier und verfüge nicht über die Erfahrung der ehemaligen Werksfahrer." Michel Nykjaer

Frage: "Wie muss man sich die Zusammenarbeit im Sunred-Team vorstellen? Bekommst du eine Hilfestellung durch deine erfahrenen Stallgefährten?"
Nykjaer: "Natürlich haben wir Einblick in ihre Daten. Daraus können wir dann ableiten, was wir falsch machen. Gelegentlich finden auch wir das Ei des Kolumbus und die Routiniers fragen sich dann, wie wir das hingebracht haben (lacht; Anm. d. Red.)."

"Zum Beispiel in Monza war ich auf Anhieb richtig schnell. Überhaupt war ich 2010 bei vielen Events sehr gut dabei. Trotzdem ist es klasse, so erfahrene Teamkollegen zu haben, um sich etwas von ihnen abzuschauen. Auf diese Weise kannst du noch schneller lernen. Gerade weil der SEAT León TDI ein sehr spezielles Auto ist."

Die Reifen verhindern den großen Erfolg

Frage: "Deine Saison war bislang nicht gerade von Glück begleitet: Sowohl in Monza als auch in Portimão verhinderten Reifenschäden mögliche Topplatzierungen. Wie gehst du mit diesem großen Pech um?"
Nykjaer: "In Monza haben wir zum ersten Mal 2010 einen solchen Reifenschaden gesehen. Huff und Tarquini hatten im ersten Rennen schon ein Problem mit ihren Pneus, also haben wir die Situation vor dem zweiten Lauf analysiert."

"Es wäre möglich gewesen, dass sie einfach Pech gehabt hatten. Also entschieden wir uns dazu, alles auf eine Karte zu setzen. Das hat in Rennen zwei zunächst auch sehr gut funktioniert, denn mein Start war prima. Ich führte relativ komfortabel bis man mir zwei, drei Runden vor Schluss per Funk sagte, ich solle es langsamer angehen lassen."

"Das tat ich auch, nur ist es halt nicht gar so einfach, wenn du einen Weltmeister wie Yvan Muller hinter dir hast. In der letzten Runde platzte schließlich auch bei mir ein Reifen. Ich konnte es nicht fassen. Das war sehr enttäuschend, denn es hätte mein erster Sieg werden können - und das in Monza, einer wirklich geschichtsträchtigen Rennstrecke."

"Das war sehr enttäuschend, denn es hätte mein erster Sieg werden können." Michel Nykjaer

"Sehr schade. In Portimão lief es ähnlich, nur lag ich dort auf Rang acht. Ich hätte mir also die Pole-Position für das zweite Rennen gesichert. Die letzten fünf Runden bin ich wirklich wie eine alte Dame um den Kurs geschlichen, trotzdem hielten meine Reifen nicht durch. Als Neuling fragt man sich natürlich, was man da falsch gemacht hat."

"Mein Ingenieur sagt mir aber stets: 'Du machst alles richtig und hast einfach nur einen Plattfuß.' Es ist natürlich schade um die Punkte, die mir so durch die Lappen gegangen sind. Ich nehme jetzt einfach jedes Rennen, wie es kommt. Wir versuchen jedes Mal unser Bestes und schauen, wohin uns das bringt. Der Sieg ist und bleibt logischerweise das Ziel."

Nykjaer visiert das WTCC-Podium an

Frage: "Zumindest darfst du aus deiner Sicht positiv vermerken, dass die Geschwindigkeit und die Voraussetzungen für eine Topplatzierung vorhanden sind..."
Nykjaer: "Allerdings. Wir haben den Speed. Für mich geht es lediglich darum, zu zeigen, dass ich tatsächlich siegen kann."

"Natürlich ist es enttäuschend, wenn du als Führender in die letzte Runde gehst und diesen Umlauf nicht beenden kannst. Immerhin stimmt aber die Geschwindigkeit - und ich gebe weiterhin mein Bestes."

Frage: "Was hast du dir für den restlichen Saisonverlauf vorgenommen? Vielleicht ein Podium oder den ersten Sieg, den du so knapp verpasst hast?"
Nykjaer: "Mein Ziel ist, das Podium zu erreichen. Siegen möchte ich logischerweise auch. Die Rookiewertung genießt erst einmal Priorität, doch gegen einen Rennerfolg in der Gesamtwertung hätte ich freilich nichts einzuwenden."

"Mein Ziel ist, das Podium zu erreichen. Siegen möchte ich logischerweise auch." Michel Nykjaer

"Ich denke, ich habe durchaus das Zeug dazu. Es wäre wirklich klasse, einmal ein Wochenende mit einem Pokal zu beschließen. Das würde speziell meinem Sponsor sehr gut zu Gesicht stehen, wo sie mich doch in den kommenden drei Jahren unterstützen werden."

"Ich hätte ihnen gerne schon einen Erfolg präsentiert, aber leider kamen mir da die Reifenschäden dazwischen. Meiner Meinung nach wissen sie aber um mein Potenzial Bescheid. Mit einem Pokal in den Händen könnte man ihnen das allerdings wesentlich einfacher nahebringen..."