• 16.07.2010 10:42

  • von Stefan Ziegler

Michelisz: "Es ist schwierig, das Limit zu finden"

Zengõ-Fahrer Norbert Michelisz im Interview über seine Eingewöhnung in der WTCC, die Zielsetzung für 2010 und den Lerneffekt im SEAT León TDI

(Motorsport-Total.com) - Im vergangenen Jahr war Norbert Michelisz noch im SEAT-Markenpokal unterwegs, in diesem Jahr startet der ungarische Rennfahrer in der Tourenwagen-WM. Als Neuling überlässt der 25-Jährige das Feld aber keineswegs den Routiniers, sondern besticht durch sein couragiertes Auftreten und seine starke Fahrweise. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Michelisz über die ersten Rennen des Jahres, seine Fortschritte und die Schwierigkeit, den SEAT am Limit zu bewegen.

Titel-Bild zur News: Norbert Michelisz

Daumen hoch: Norbert Michelisz bestreitet 2010 seine erste Saison in der WTCC

Frage: "Nobert, du bist ein Neuling in der Tourenwagen-WM. Wie gefällt dir diese Serie bislang?"
Norbert Michelisz: "Es lässt sich wirklich prima an. Ich spüre aber, dass noch sehr viel Potenzial im Auto steckt. Ich bin zufrieden. Nur: Wenn ich all meine bisherigen Wochenenden betrachte, lief immer irgendetwas schief. Ich bin allerdings sehr stolz auf das Team, denn wir machen großartige Fortschritte. Anfangs hatte ich noch gewisse Schwierigkeiten mit dem Auto."#w1#

"Es war schwierig für mich, meinem Ingenieur zu sagen, was ich vom Fahrzeug erwarte, um schnell zu sein. Den SEAT León musst du nämlich fast wie ein Straßenauto fahren. Sowohl auf der Bremse als auch beim Beschleunigen sollte das Lenkrad möglichst gerade stehen. Da musst du dich sehr umstellen und das bereitet dir Probleme. Es ist einfach ein anderer Fahrstil."


Fotos: Norbert Michelisz, WTCC in Portimão


"Man darf auch nicht zu viel wollen. In diesem Fall macht man leicht zu viel Druck und dann wirst du den Kurvenausgang niemals gut erwischen. Vielleicht sollte jeder Rennfahrer einmal eine Saison mit diesem Auto bestreiten, denn damit kannst du deinen Fahrstil deutlich verfeinern. Mit dem León kannst du wirklich einiges lernen."

Michelisz ist auf der Suche nach der Topleistung

Frage: "Überrascht es dich, dass du zu Saisonbeginn besser punkten konntest als andere Piloten, die über deutlich mehr Erfahrung in der WTCC verfügen?"
Michelisz: "Das ist von Wochenende zu Wochenende total unterschiedlich. Gabriele und Jordi zeigen mir jedenfalls noch immer einige Dinge auf, bei denen ich nur mit den Ohren schlackern kann. Unglaublich, dass man solche Manöver mit diesem Auto hinkriegt!"

"Ich fühle, dass wir das Potenzial haben, um schneller zu sein." Norbert Michelisz

"Ich bin aber stolz auf mich, denn wir haben quasi keine Testfahrten, sind aber dennoch gut dabei. Man darf nicht vergessen: Ich bin vielleicht der Fahrer, der am wenigsten Kilometer in diesem Rennwagen zurückgelegt hat. Positiv zu vermerken ist hingegen: Ich fühle, dass wir das Potenzial haben, um schneller zu sein. Man muss aber immer auch darauf bedacht sein, keinen Unfall zu bauen."

"Es ist schwierig, das Limit zu finden. Ich versuche daher immer, auf 99 Prozent zu kommen. Bei so wenigen Testrunden kannst du eben nicht so gut vorhersagen, wie sich das Auto verhalten wird. Mit dem Supercopa-Auto, das ich zuvor gefahren bin, konnte ich leicht ans Limit gehen. Mit dem Dieselauto ist das eine andere Geschichte."

"Die Kernfrage ist: Wie gut kannst du dich an diesen Rennwagen gewöhnen?." Norbert Michelisz

Frage: "Manche Fahrer tun sich schwer damit, wenn sie aus den Markenpokalen in die WTCC aufsteigen, doch du scheinst auf Anhieb schnell zu sein. Was ist dein Geheimnis?"
Michelisz: "Keine Ahnung. Vielleicht passt mein Fahrstil einfach gut zu diesem Fahrzeug. Die Kernfrage ist halt: Wie gut kannst du dich an diesen Rennwagen gewöhnen?"

"Wenn du ein Rennfahrer bist, der sich ganz und gar nicht umstellen kann, dann bist du mit einem solchen Auto vollkommen verloren. Möglicherweise ist es also eine Kopfsache. Wenn du mental in Topform bist, dann solltest du den SEAT León TDI auch schnell bewegen können. Es geht nicht so sehr um das Talent an sich, sondern vielmehr um deine Einstellung."

Das Podium ist durchaus in Reichweite

Frage: "Fragst du deine Markenkollegen wie Gabriele Tarquini oder Jordi Gené gelegentlich um Rat? Geben sie dir eine Hilfestellung?"
Michelisz: "Die Situation ist in diesem Jahr ziemlich knifflig, denn SEAT hat kein Werksteam mehr am Start und jeder kämpft für sich. Sie helfen mir natürlich, doch ich kann halt nur schwer einschätzen, wie weit sie dabei gehen."

"Ich muss mich immer an anderen orientieren." Norbert Michelisz

"Ich denke, ich kann mich von Rennen zu Rennen verbessern. Und diese Burschen wissen ja genau, dass ich ein Konkurrent bin. Erschwerend hinzu kommt noch, dass ich für ein anderes Team antrete. Bei SR und Sunred fahren sechs Fahrer. Daraus ergeben sich gewisse Vorteile, zum Beispiel beim Windschatten. Ich muss mich dagegen immer an anderen orientieren."

Frage: "Wie lauten deine Saisonziele? Möchtest du im Jahresverlauf vielleicht einmal auf dem Podium stehen?"
Michelisz: "Ich denke, ein Podium ist durchaus drin. In dieser Meisterschaft kann alles passieren - speziell, wenn es in Kurve eins ein kleines Tohuwabohu gibt. Das mag sich etwas seltsam für einen Neuling anhören, doch ich glaube wirklich daran, dass wir auf das Treppchen fahren können."

"Ganz ehrlich: Die Rookiewertung ist mir egal." Norbert Michelisz

Frage: "Du befindest dich manchmal in einer Zwickmühle: Einerseits bist du auf Kurs zu einem Sieg in der Rookiewertung, andererseits könntest du viele WM-Punkte einfahren. Worauf liegt dein Fokus?"
Michelisz: "Ganz ehrlich: Die Rookiewertung ist mir egal. Ich habe eines der besten Autos im Feld. Das Fahrzeug hat die Geschwindigkeit, um ganz vorne zu fahren. Klar: Ein Sieg bei den Rookies ist eine schöne Sache, doch mein Hauptziel ist und bleibt, das Tempo der Spitzenreiter mitgehen zu können."

"Für mich ist das überaus wichtig. Selbst wenn ich Zehnter werde und dabei eine Sekunde auf den Schnellsten verliere, kann ich mich über diesen einen Punkt nicht freuen. Wir hätten in diesem Fall schließlich einen viel besseren Job machen können. Wenn du aber weißt, dass du mithalten kannst, dann ist auch ein siebter Platz etwas Tolles."