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  • 06.12.2010 18:03

  • von Stefan Ziegler

Die Hintergründe zum Ausstieg von BMW

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen erklärt, weshalb BMW ab 2011 kein Werksteam mehr in der WTCC unterhält und was die Kundenteams erwartet

(Motorsport-Total.com) - Das erste Dezember-Wochenende brachte einen Rückschlag für die WTCC mit sich: In der BMW Welt von München gab der bayerische Automobil-Konzern BMW seinen werksseitigen Rückzug aus der Tourenwagen-WM bekannt. Ab 2011 werden demnach nur noch Privatteams auf die Fahrzeuge des deutschen Herstellers vertrauen, der nach sechs WTCC-Rennjahren als Rekordchampion abtritt.

Titel-Bild zur News: BMW-Logo

Das BMW Logo prangt ab 2011 nur noch auf den Fahrzeugen der WM-Privatteams

Von 2005 bis 2007 hatten Andy Priaulx sowie die BMW Länderteams am Saisonende jeweils die WM-Titel abgestaubt, ehe die Münchener von SEAT und Chevrolet von der Spitze verdrängt wurden. Mehr Siege als BMW (52) und Priaulx (18) hat in den vergangenen Jahren trotzdem niemand erreicht - und nun verliert die Tourenwagen-WM ihre bis dato erfolgreichsten Teilnehmer an die Langstrecke.

Dort werden Priaulx und sein bisheriger Teamkollege Augusto Farfus in der neuen Saison zum Einsatz kommen, ehe das Duo möglicherweise ab 2012 beim DTM-Einstieg von BMW am Lenkrad dreht. In der WTCC werden Farfus und Priaulx vermutlich nicht mehr antreten, wie BMW Motorsport Direktor Mario Theissen am Rande der BMW Sportpokal Verleihung in München zu Protokoll gibt.

Kein BMW Werksfahrer in der WTCC 2011

"Wir sehen nicht vor, dass ein Werksfahrer irgendwo eine komplette Serie bei einem Kunden- oder Privatteam bestreitet", so der 58-Jährige. "Wenn wir nun aber die Engagements unserer Piloten für 2011 zuordnen und dabei erkennen, der eine oder andere ist nicht ausgelastet, dann sehe ich schon die Möglichkeit, dass sie hier und da ein Rennen fahren - egal, ob im Tourenwagen oder im GT."

"Einfach, um möglichst viel im Auto zu sitzen. Das unterstützen wir. Es ist aber nicht geplant, dass ein Fahrer eine komplette Serie - zum Beispiel WTCC - fährt", erläutert Theissen. Ein Werksteam gibt es ab 2011 ja ohnehin nicht mehr - aber was sprach denn gegen eine Fortführung des Engagements? Nicht primär die ständigen Regeldiskussionen, meint Theissen, doch auch das spielte eine Rolle.

"Es ist aber nicht geplant, dass ein Fahrer eine komplette Serie fährt." Mario Theissen

"Verschiedene Faktoren" hätten BMW zu einem werksseitigen Rückzug aus der WTCC bewogen, erklärt der BMW Motorsport Direktor, und "nicht nur die Unwirtlichkeiten, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben. Der Hauptfaktor ist, dass die Stoßrichtung von BMW Motorsport der BMW M3 sein soll. Das ist unsere Sportikone und darauf wollen wir unser Kernprogramm konzentrieren."

Langstrecke und DTM genießen ab 2011 Priorität

"Es ist sehr einfach, sich zu verzetteln, wenn man auf mehreren Baustellen unterwegs ist. Wir haben schon gesehen, dass das jetzt ein Spagat war, mit GT2, Kundenautos und daneben der WTCC sowie die Vorbereitungen für die DTM. Das ist sicher nicht gesund", sagt Theissen. Das Programm in der Tourenwagen-WM wäre an der Seite von zwei weiteren Großprojekten zu aufwändig geworden.

Bei der Entscheidungsfindung in München kamen aber auch die Ereignisse um Brands Hatch und Okayama zur Sprache. "Wir haben solche Sachen in den vergangenen Jahren ziemlich oft erlebt und es gab eine gewisse Grundstimmung", kommentiert Theissen den undurchsichtigen Regeldschungel in der WTCC. Überlegungen, das Werksengagement einzustellen, gab es bis dato allerdings nicht.

"Wir haben solche Sachen in den vergangenen Jahren ziemlich oft erlebt..." Mario Theissen

Eine entsprechende Anfrage an den BMW Motorsport Direktor beantwortet dieser mit einem klaren "Nein" - schließlich habe man stets zur WTCC gehalten und diese "von Anfang an auch am stärksten getragen", meint Theissen. "Wir haben die Entwicklung dieser Rennserie in den vergangenen Jahren sehr positiv verfolgt und sind weit davon entfernt, der WTCC das Wasser abgraben zu wollen."


Fotos: BMW Team RBM, WTCC in Macao


Neuer Fokus: BMW fördert den WTCC-Kundensport

"Deswegen haben wir uns ja auch sehr engagiert, um die Kundenteams zu halten. Ich glaube, dass das Auto mit dem neuen Motor konkurrenzfähig - und damit meine ich: siegfähig - sein wird. Wenn das gewinnt, ist es sekundär, ob Werksteams oder unabhängige Rennställe fahren", findet der Deutsche. Ein Referenzteam, das die Leistung des neuen Pakets zur Schau stellen könnte, gibt es aber nicht.

"Es ist nicht unser Plan, ein Team zu finanzieren, das wir nicht Werksteam nennen und das in Wahrheit eines ist", erläutert Theissen. Stattdessen werden die interessierten BMW Privatteams 2011 auf ein Updatepaket zurückgreifen können, das den BMW 320si zum BMW 320 TC macht und diese Rennställe mit einem Auto versorgt, das in den kommenden zwei Jahren gut mithalten soll.

"Es ist nicht unser Plan, ein Team zu finanzieren, das wir nicht Werksteam nennen und das in Wahrheit eines ist." Mario Theissen

"Es wird 2011 zwar kein Werksteam mehr geben, doch im Gegenzug greifen wir unseren Kundenteams stärker unter die Arme, als das bisher der Fall war", sagt Theissen. "Nicht, dass wir die Teams finanzieren. Wir bieten aber ein Paket an, das aus dem neuen 1,6 Liter DI-Turbomotor besteht, mit dem der BMW 320si wieder voll konkurrenzfähig sein sollte", fasst der 58-Jährige zusammen.

Das Update-Paket als Schritt in die Zukunft

"Das Paket umfasst diesen Motor, ein sequentielles Sechsganggetriebe und ein Fahrzeug-Umsrüstkit. Man kann die bisherigen Autos also auf neusten Stand bringen", erklärt Theissen und merkt an: "Wir tun das zu einem subventionierten Preis. Die Nachfrage ist sehr erfreulich. Ich gehe davon aus, dass wir 2011 viele BMW Fahrzeuge in der WTCC sehen werden." Damit rechnet auch Marcello Lotti.

Der WTCC-Promoter ist darauf bedacht, sein Starterfeld trotz des BMW Rückzuges beisammen zu halten und sieht die Unterstützung des Kundensports als wichtige Hilfestellung. Theissen und BMW erhoffen sich vom BMW 320 TC aber noch ein wenig mehr: "Wir sehen das natürlich auch als ein Paket, das dann in Zukunft in die Länderserien nach S2000-Regeln hineinwachsen wird."

"Ich gehe davon aus, dass wir 2011 viele BMW Fahrzeuge in der WTCC sehen werden." Mario Theissen

Bleibt noch die Frage zu klären, welche Teams 2011 mit BMW Fahrzeugen an den Start gehen werden. Die beiden deutschen Mannschaften, Engstler und Wiechers, werden auch im kommenden Rennjahr wieder in der Tourenwagen-WM erwartet. Poulsen, Proteam und WSR haben schon bisher auf BMW gesetzt und werden das wohl auch 2011 tun. Wie viele Autos es dann sind, ist noch offen.