Schwarz schlägt vor: Punkte für jeden Tag
In der Türkei wurde wieder über Reglement und Taktik diskutiert: Ford erfolgreich und Citroën sauer - Experte Armin Schwarz hat einen neuen Vorschlag
(Motorsport-Total.com) - Das wohl am heißesten diskutierte Thema bei der Türkei-Rallye war die erfolgreich umgesetzt Teamtaktik von Ford. Am Abend des ersten Tages überließen Mikko Hirvonen und Jari-Matti Latvala ihrem Citroën-Rivalen Sébastien Loeb freiwillig die Führung - und hatten damit den großen Vorteil, am Samstag nicht als Erste auf die Piste gehen zu müssen und damit die zeitraubende Funktion der Straßenkehrer einzunehmen. Zwischen Loeb und die Ford-Werkspiloten schoben sich auch noch die Piloten aus der Ford-B-Mannschaft von Stobart. Das Spiel ging auf: Am Samstag legten sich die Ford-Piloten damit den Grundstein für den Doppelsieg.

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Experte Armin Schwarz hält eine Rückkehr zum alten Reglement für unnötig
Während viele die - schon in Jordanien angewandte - clevere Taktik von Ford bewunderten, reagierte Citroën-Sportchef Olivier Quesnel zunächst stocksauer und drohte sogar damit, dass Citroën schon am Ende dieser Saison aus der WRC aussteigen könnte. " Was haben wir davon, hier mitzumachen? Wir haben nicht so viele Autos wie Ford", schimpfte Quesnel im Interview mit 'autosport.com'. "Was können wir tun? Wenn es keine Citroëns mehr gibt, dann werden sie glücklich sein - denn dann können sie alle Rallyes gewinnen! Aber was bringt es, gegen sich selbst anzutreten? Vielleicht sollten wir wirklich gehen. Denn wie soll ich zu meinem Chef gehen und ihn darum bitten, den Scheck zu unterschreiben, wenn solche Dinge passieren?"#w1#
Ford-Teamchef Malcolm Wilson verstand die Aufregung nicht: "Das neue Reglement bringt so eine Taktik automatisch mit sich. Ich habe es nicht begrüßt, als man diese Regel beschlossen hat und ich bin jetzt weder dafür noch dagegen. Aber die Regeln sind eindeutig. Das ist einfach ein weiterer Teil dieses Sports und Citroën würde es an unserer Stelle nicht anders machen."
Zurückrudern bei Citroën
Schon am Tag danach ruderte Quesnel deutlich zurück: So habe er das nicht gemeint und Citroën werde natürlich sicher bis mindestens Ende 2009 in der WRC bleiben. "Ich bin verärgert über das Reglement, das so etwas möglich macht. Das war ich gestern Abend und ich bin es immer noch", so Quesnel am Samstag. "Ich bin nicht wütend auf Ford. Ford hat das Reglement so genutzt, wie man das Reglement nutzen muss."
Und auch Loeb, der "Leidtragende", versuchte am Sonntag nach der Rallye diplomatische Worte zu finden: "Es ist sicher nicht schön, die Straßen zu kehren, aber die Taktik ist wirklich gut. Sie haben Platz eins und zwei geholt. Das Reglement stimmt nicht ganz. Für den Sport sind solche Dinge nicht so schön, aber es ist normal, dass Ford eine solche Taktik anwendet. Jeder spricht über die Taktik, es wäre schön, wenn wir wieder über den Speed sprechen würden. Etwas stimmt hier nicht. In dieser Rallye hat es Ford richtig gemacht und wir haben verloren, das ist normal."
Schwarz: "Taktik gehört dazu"
Rallye-Experte Armin Schwarz wundert sich über die zunächst heftige Reaktion aus dem Citroën-Lager überhaupt nicht. Das sei eben so, "wenn einer verliert, der nicht verlieren kann - und das ist nun einmal zweifelsohne Citroën, die Franzosen verlieren eh ungern", sagte er gegenüber 'Motorsport-Total.com': "Wenn dann einer cleverer ist als sie, ist das Geschrei wieder groß. Wobei sie es zweifelsohne auch so gemacht hätten, wenn sie in der Rolle gewesen wären."
"In der Formel 1 ist das ja an der Tagesordnung", sagte Schwarz zum Thema Teamstrategie. "Da bekommt einer noch einen Boxenstopp, damit der andere vorn bleibt und so weiter. Bei allem, was mit Teamsport zu tun hat und wo man gewissen Gegebenheiten unterlegen ist, gehört das dazu. Eine vernünftige Taktik gehört dazu, dass man in Le Mans gewinnt und eine vernünftige Taktik gehört dazu, dass man Rallyes gewinnt."
Punkte für jeden Tag?
Wenigstens haben sich inzwischen alle Beteiligten von Citroën und Ford darauf geeinigt, dass das Reglement schuld an allem ist. Wäre es also der Weisheit letzter Schluss, wieder zu den alten Regeln zurückzukehren, nach denen am zweiten und dritten Tag in umgekehrter Reihenfolge der Top 15 gestartet wurde? Nein, meint Schwarz: "Die Regelung geht für mich in Ordnung, weil der Erste vorne weg fahren muss. Wenn Sébastien Loeb auf Asphalt drei Tage lang vorne weg fährt, beschwert sich auch keiner, dass ab dem dritten Platz die Straße versaut ist. Das hebt sich wieder auf."
Schwarz macht aber einen anderen Vorschlag, mit dem offensichtliche Bremsmanöver vor der Ziellinie künftig vermieden werden könnten: "Wenn es für alle drei Tage volle Punkte geben würde, dann könnte sich keiner erlauben, irgendwann einmal langsam zu fahren. Wenn du jeden Tag eine Wertung hättest, jeden Tag acht Punkte zu vergeben hast und vielleicht noch auf die Gesamtwertung Punkte, dann denke ich, dass jeder Vollgas fahren und jeder versuchen würde, den Tagessieg mitzunehmen."

