• 05.09.2008 09:34

  • von Britta Weddige

Schwarz: "Loebs glücklichster Sieg"

Experte Armin Schwarz analysiert das "Waterloo" von Ford, den Ausgang der Rallye Neuseeland und die Tendenz zu Teamtaktiken bei Schotterläufen

(Motorsport-Total.com) - Der turbulente Ausgang der Rallye Neuseeland wird in der WRC noch lange ein Gesprächsthema bleiben. Am Ende feierte Citroën einen Doppelsieg, Sébastien Loeb holte seinen 44. WRC-Sieg und verdoppelte seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft auf Mikko Hirvonen (Ford) auf acht Punkte. Doch der Franzose ging durch ein Wechselbad der Gefühle, bevor er seinen Sieg am Sonntag - wenn auch verhalten - feierte.

Titel-Bild zur News: Sébastien Loeb

Sébastien Loeb feierte in Neuseeland einen seiner wohl glücklichsten Siege

Gleich in der ersten Wertungsprüfung am Freitag bekamen Loebs Siegambitionen einen Dämpfer verpasst. Der Citroën-Pilot musste sich als Erster durch den Schotter graben und hatte damit massive Schwierigkeiten. Fast hätte er schon in der ersten Prüfung einen Überschlag hingelegt. Seine Aufholjagd brachte ihn bis auf 0,7 Sekunden an Spitzenreiter Hirvonen heran, doch dann würgte Loeb vor der sechsten WP den Motor ab und bekam eine 30-Sekunden-Zeitstrafe aufgebrummt.#w1#

Am Samstag übernahm Loeb am Nachmittag die Führung, doch dann wurde taktiert. Der Franzose ging vom Gas, auch Hirvonen gab nicht Vollgas. Damit überließen sie Ford-Pilot Jari-Matti Latvala die Führung und damit die Aufgabe, am Sonntag Straßenkehrer zu spielen. Hirvonen musste am letzten Tag als Zweiter auf die Straße, Loeb als Dritter. "Nach dem Taktieren am Samstag hätte jeder gewettet, dass der Zieleinlauf Loeb, Hirvonen, Latvala heißt", analysiert Experte Armin Schwarz gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Dann kam "Whaanga Coast"

Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Gleich in der Auftaktprüfung des Sonntag drehte sich Loeb und verlor Zeit. Den Sieg hatte er zu dieser Zeit eigentlich abgehakt, der Franzose sah keine Chance mehr, Hirvonen einzuholen und wollte nur noch Latvala von Rang zwei verdrängen. Das Blatt wendete sich in der letzten richtigen Prüfung "Whaanga Coast", in die Loeb als Gesamtvierter startete.

Zuerst rammte Latvala einen Felsen und schied aus, dann zog sich Hirvonen einen schleichenden Plattfuß zu, konnte das Auto kaum noch kontrollieren, drehte sich und verlor fast eine Minute. Gleichzeitig zog Loeb an seinem Teamkollegen Daniel Sordo vorbei. Citroën trennte nur noch die Zuschauerprüfung vom Doppelsieg. Um dem Ganzen für Ford noch eins draufzusetzen, schied auch noch der Gesamtfünfte Francois Duval im Stobart-Focus aus. "Diese letzte Prüfung war komplett das Waterloo für Ford", kommentiert Schwarz.

Der Experte erklärt, warum es in dieser Wertungsprüfung noch einmal so turbulent werden konnte: "Die Prüfung 'Whaanga Coast' ist sowieso immer sehr rollig und sehr überhöht. Sie fällt links und rechts ab, es hat auf dieser Prüfung richtige Steilkurven. Dazu kommt sehr viel loser Split und Schotter. Das ist aber jedes Jahr gleich. Das ist schwierig zu fahren."

Eine gehörige Portion Glück

Loeb holte seinen achten Saisonsieg - nur mit einer gehörigen Portion Glück. "Ich glaube, das war der glücklichste Sieg, den er von seinen 44 überhaupt geholt hat", meint Schwarz. "Sébastien hat selbst gesagt, dass er wohl selten so viel Glück bei einem Sieg hatte. Ihm ist das schon klar."

Denn ohne das Ford-Desaster hätte Loebs Pace und Können wohl nicht zum Sieg gereicht. Schwarz ist davon überzeugt, dass Citroën mit der Taktik am Samstagabend ein gewagtes Spiel gespielt hat. "Citroën hat sich glaube ich selbst ein Bein gestellt, indem sie sich haben zu weit nach hinten fallen lassen. Es war ja nicht unbedingt Sébastiens Entscheidung, sondern das war eine Teamentscheidung. Ich glaube, es war ihm eher ein bisschen zuwider, dass sie das gemacht haben. Wenn es schief gegangen wäre, dann hätte er ein bisschen schlecht ausgesehen."

Plädoyer für das Taktieren

Womit wir bei einem der Themen der Saison sind: dem Taktieren. Loeb erneuerte nach der Rallye Neuseeland seine Kritik am aktuellen Reglement, nach dem an den Tagen zwei und drei in der Reihenfolge der Gesamtwertung auf die Piste gegangen wird. Bei Schotterrallyes mit einem langen Sonntag ist das von Gas gehen am Samstagabend damit die cleverste Lösung. "Vielleicht sollte man ein anderes Reglement finden, damit es gute Fights gibt und nicht mehr nur über Taktik und Straßenfegen gesprochen wird", gab Loeb zu bedenken. Citroën-Sportchef Olivier Quesnel betonte auch, dass sein Team zwar zwangsläufig taktieren musste, er es aber trotzdem nicht gut findet.

Schwarz sieht das anders. Der Experte ist bekennender Befürworter des aktuellen Reglements: "Ich bin einfach der Meinung: Wann hatten wir eine Rallye, bei der zwei Prüfungen vor Schluss noch vier Leute gewinnen konnten? So schlecht kann die Regelung nicht sein. Vor allem hat man es 20 Jahre lang so gehabt, dass das führende Auto immer als Erstes auf der Strecke ist. Punkt."

Einheitsreifen: Keine Vorteile mehr

Bei einem anderen Thema kann Schwarz Citroën aber nur unterstützen: das Verbot des Reifennachschneidens. Wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet, kritisieren Loeb und sein Team lautstark, dass die Einheitsreifen von Pirelli in dieser Saison nicht mehr nachgeschnitten werden dürfen. Ihr Argument ist die Sicherheit. Am Freitag in Neuseeland klagte der Franzose, mit solchen Reifen seien die Schotterpisten kaum befahrbar.

Dass vor allem Citroën sich immer wieder so laut darüber beklagt, dürfte wohl auch daran liegen, dass die Franzosen über ihren Konzern mit BFGoodrich verbunden sind - dem Reifenausrüster, der von Pirelli aus dem Rennen um das Reifenmonopol in der WRC gedrängt wurde. Der Hauptgrund für die Kritik ist nach Schwarz' Überzeugung aber, dass ohne Nachschneiden auch seine Performance nicht mehr individuell steigern kann: "Da kann ich mich nur anschließen. Eine Mischung vorgeben, ja, aber lasst doch die Teams schneiden, was sie wollen", fordert er. "Denn so, wie es ist, kann sich keiner einen Vorteil erarbeiten, sondern es muss einfach so gefahren werden wie es ist. Und ich finde das auch nicht so gut."