• 03.04.2010 22:12

  • von Britta Weddige

Piloten fordern neue Regeln: Stopp dem Taktieren!

Laut Sébastien Loeb haben auch die Fahrer das Taktieren satt: Sie machen sich unter anderem für die Idee stark, den Shakedown zum Qualifying zu machen

(Motorsport-Total.com) - Steht in der WRC eine Schotterrallye an, stöhnen Beobachter und Fans schon im Vorfeld auf. Denn allen ist klar, dass nun wieder am ersten und zweiten Abend mit freiwilligen Bremsmanövern und ins Ziel schleichenden Toppiloten zu rechnen ist. Schuld daran ist das Reglement, das vorsieht, dass ab dem zweiten Tag in der Reihenfolge der Ergebnisliste gefahren wird. Und keiner will freiwillig am folgenden Tag auf die Piste gehen, um für die Konkurrenz den Schotter aus dem Weg zu räumen.

Titel-Bild zur News: Sébastien Loeb

Sébastien Loeb ist auch nicht begeistert von dem, was auf Schotter passiert

Das Rgelement hat sein Für und Wider - auf der einen Seite sorgt es bei Schotterrallyes für etwas mehr Chancengleichheit als früher, als das Spitzenfeld in umgekehrter Startreihenfolge an den Start ging. Denn damals waren diejenigen, die den Spitzenreiter jagen mussten, auch noch durch ihre Startposition gehandicapt. Nun aber haben die Führenden den größeren Nachteil und ihre Verfolger bessere Chancen, ihre Rückstände wieder aufzuholen.#w1#

Auf der anderen Seite führt das aber immer wieder zu extremen Auswüchsen - denn die Teams haben schnell herausgefunden, mit welchen Tricks und Kniffen sie taktieren müssen, damit die Sieganwärter eben nicht den Straßenkehrer spielen müssen. Ein bewährtes Rezept ist, an den ersten beiden Tagen nicht in Führung zu gehen, aber den Zeitrückstand auf die Spitze so gering wie möglich zu halten und dann von einer besseren Startposition aus am Abschlusstag richtig anzugreifen. Im Klartext heißt das: Am ersten und zweiten Tag wird in der letzten Prüfung meist munter gebremst.

"Es langweilt uns, immer wieder über das Thema zu sprechen. Wir wollen das nicht mehr." Sébastien Loeb

Das hielt sich in Jordanien trotz der extrem rutschigen Schotterschicht überraschenderweise noch in Grenzen. Dafür zauberten die Teams am letzten Morgen einen anderen Kniff aus dem Hut. Citroën-Junior Sébastien Ogier kam - auf Podestkurs liegend - erst zu spät zum Service (laut Team wegen eines Elektronikproblems), später kam er zu früh zum Start der ersten Prüfung, um vor Sébastien Loeb starten und für ihn die Straße kehren zu können. Die satte Strafzeit konnte er freilich nicht mehr wettmachen, Ogier musste sich mit Platz sechs begnügen. Ford wiederum ließ Mikko Hirvonen zu früh beim Start erscheinen, damit er vor Jari-Matti Latvala starten konnte.

Die einen sagen, solche Taktiken und Strategien gehören im Sport genauso dazu - andere haben sie inzwischen einfach satt. Und so geht es auch den Piloten selbst. Rekordweltmeister Sébastien Loeb taktiert zwar oft selbst, betont aber immer wieder, wie ungern er das tut. Und nach dem Startplatz-Geschiebe bei der Rallye Jordanien ist auch für den Citroën-Star das Maß voll. Sicher auch, weil er weiß, dass sein eigentlich hart erkämpfter Sieg wohl immer in einem Atemzug mit Teamtaktik genannt werden wird: "Es langweilt uns, immer wieder über das Thema zu sprechen. Wir wollen das nicht mehr. Wir müssen eine Möglichkeit finden, das zu ändern!"


Fotos: WRC: Rallye Jordanien


"Alle Fahrer diskutieren derzeit über eine Möglichkeit, den Shakedown als Qualifying für die Startreihenfolge heranzuziehen", so Loeb weiter. Diese Idee hat die WRC-Kommission um Präsident Morrie Chandler in ihrem Maßnahmenpapier auch schon der FIA vorgeschlagen, doch der Weltrat hat das Thema erst einmal zurückgestellt und hat noch keine Entscheidung dazu getroffen.

"Bei manchen Events verbringen wir zwei Tage damit, im Grunde gar nichts zu tun außer Taktik zu spielen." Sébastien Loeb

Laut Loeb haben die Piloten auch schon konkrete Vorstellungen, wie dieser Qualifying-Shakedown und die Festlegung der Startorder an den folgenden Tagen genau aussehen könnten: "Wir könnten vier Turns fahren in der Startreihenfolge der WM-Tabelle. Die ersten drei Versuche könnten dem Streckenfegen dienen, der vierte wird dann gewertet. Der Fahrer mit der schnellsten Zeit könnte sich für den folgenden Tag eine Startposition aussuchen. Danach könnte der Führende jeweils eine Startposition für den nächsten Tag wählen. Das wäre eine faire Lösung für alle."

"Das würde auch das Interesse für den Shakedown steigern. Für die Medien gibt es eine gute Story her und würde mit dieses Problem beheben", so Loeb. Er ist sich völlig bewusst darüber, dass das, was derzeit bei einigen Schotterrallyes passiert, nicht mehr wirklich im Sinne des Erfinders ist: "Bei manchen Events verbringen wir zwei Tage damit, im Grunde gar nichts zu tun außer Taktik zu spielen - und erst am Sonntag startet dann die echte Rallye."