• 04.06.2007 10:33

Finnischer Meister im Reifenschach

Marcus Grönholm konnte in Griechenland auch dank cleveren Umgangs mit den Reifen gewinnen - Der ausführliche Rallye-Rückblick von BFGoodrich

(Motorsport-Total.com) - Die materialmordendste Veranstaltung der diesjährigen Rallye-WM wurde wie erwartet durch den cleveren Umgang mit den Pneus entschieden: BFGoodrich Partner und Ford-Werkspilot Marcus Grönholm hat die Rallye Griechenland dank seiner geschickten Reifentaktik gewonnen. Der finnische Tabellenführer teilte sich das Potenzial seiner "g-Force Gravel"-Schotterspezialisten auf den beiden fast 50 Kilometer langen Königsprüfungen des achten Saisonlaufs perfekt ein und legte damit den Grundstein für den 28 WM-Laufsieg seiner bemerkenswerten Karriere. Vor dem Beginn der Sommerpause konnten Grönholm und BP Ford durch diesen Erfolg ihren Vorsprung in beiden Tabellen weiter ausbauen.

Titel-Bild zur News: Marcus Grönholm

Marcus Grönholm setzte im Reifenpoker auf eine Karte - und gewann

Die Hölle hat zumindest aus Sicht eines Rallye-Reifens einen Namen: "Agii Theodori". Diese Wertungsprüfung der diesjährigen Rallye Griechenland ist mit 48,88 Kilometern nicht nur die längste im gesamten WM-Kalender, sondern weist auch einen Untergrund auf, der jede noch so schwarze Laufflächenmischung blass werden lässt. "Das Schlimmste sind die verborgenen Felsstücke, die nur mit einer Kante aus dem Boden hervorragen und auf gut 33 Kilometern typisch sind", analysiert Patrick Letort, der Rallye-Cheftechniker von BFGoodrich. "Sie beschleunigen den Verschleiß der Reifen enorm. Aber auch die groben Steine und Brocken sowie der lose Schotter sind nicht zu verachten."#w1#

Bereits vor dem Beginn des achten von 16 Saisonläufen hatte sich bei Fahrern und Teams die Erkenntnis durchgesetzt: Entschieden werden würde die "Akropolis" auf exakt dieser Sonderprüfung, die am Samstagmorgen als WP 10 und am Nachmittag als WP 14 auf dem Programm stand. Alles, was davor und danach kam, erschien im Vergleich nur noch als lockeres Aufwärmen beziehungsweise Auslaufen - auch wenn sich die weltbesten Rallye-Cracks speziell am Freitag herzerfrischende Duelle lieferten.

Spannender Freitag

Stand nach der ersten Etappe: Ford Focus RS WRC-Pilot Marcus Grönholm führte mit 8,3 Sekunden vor Petter Solberg und Chris Atkinson in den beiden überraschend starken Subaru Impreza sowie Titelverteidiger Sébastien Loeb im Citroën C4 WRC, Mikko Hirvonen im zweiten Focus und Citroën-Youngster Dani Sordo. Dabei trennten gerademal 10,7 Sekunden die ersten Sechs nach acht Wertungsprüfungen voneinander - eine famose Leistungsdichte.

Doch die Prognosen bezüglich Agii Theodori sollten sich bewahrheiten. Während Loeb und Grönholm für die WP 10 auf die härtere "9+"-Mischung des BFGoodrich g-Force Gravel setzten, griff Petter Solberg vor dem ersten Durchgang zu den etwas breiteren "g-Force Gravel H1". Ergebnis: Der Ford-Pilot hatte die Nase am Ende um 10,7 Sekunden vorn und konnte damit seinen Vorsprung verdoppeln, Loeb fuhr die zweitschnellste Zeit, Solberg musste sich weitere 1,1 Sekunden dahinter mit Rang drei begnügen. Noch war nichts entschieden.

Zweite Durchfahrt brachte die Entscheidung

Überraschung vor dem zweiten Durchgang über die Monster-Prüfung: Obwohl die Bodentemperaturen in der Zwischenzeit auf nahezu 50 Grad Celsius geklettert waren und auch die Streckenbedingungen sich drastisch verschlimmert hatten, blieb Marcus Grönholm seinen "9+"-Pneus vom Vormittag treu - Loeb und Solberg hatten auf Nummer sicher gesetzt und sich für härtere Mischungen entschieden.

"Wir sind ganz bewusst ein kalkulierbares Risiko eingegangen." Marcus Grönholm

"Wir sind ganz bewusst ein kalkulierbares Risiko eingegangen", erläuterte der 39-jährige Finne seinen cleveren Schachzug später. "Ich wusste ganz genau, wo ich angreifen konnte und in welchen Passagen ich meine Reifen schonen musste - auch wenn einige Abschnitte wirklich ganz übel und brutal waren."

Dabei förderten die Zwischenzeiten auf der WP Erstaunliches zutage: Statt defensiv zu bummeln ließ es Grönholm forsch angehen - nie trennten ihn mehr als fünf Sekunden von Loeb. Der bis dahin nur drittplatzierte Franzose seinerseits wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, das Ruder noch herumzureißen und nicht nur Solberg, sondern auch den Führenden noch abzufangen.

"Ich habe meine Pneus bereits auf den ersten Kilometern überfordert." Sébastien Loeb

"Ich wollte mir unbedingt einen Vorsprung herausfahren", gestand der dreimalige Weltmeister später. "Dabei habe ich meine Pneus bereits auf den ersten Kilometern überfordert und mir schnell zwei Reifenschäden vorn eingehandelt. Dank des 'Mousse'-Systems von BFGoodrich konnte ich die Prüfung jedoch ohne Probleme zu Ende fahren, musste aber etwas Tempo herausnehmen."

Petter Solberg erwischte es noch übler. Zwar büßte der Norweger "nur" 19,9 Sekunden auf Grönholm ein, doch er hatte sich auf den letzten Metern den vorderen linken Stoßdämpfer seines Subaru Impreza beschädigt - ein Defekt, der erst beim abendlichen Service behoben werden konnte und ihn für die folgenden Wertu ngsprüfungen einbremsen sollte. "Ohne dieses Problem wäre für uns deutlich mehr möglich gewesen", sinnierte der 32-Jährige vor der Übernachtpause.

"Mousse" rettete bei 65 Plattfüßen

Die Schlacht um den Gesamtsieg jedoch war nach WP 14 geschlagen: Grönholm konnte seine Führung auf Loeb auf nahezu 50 Sekunden ausbauen. "Marcus hat sich seine Reifen wirklich bemerkenswert eingeteilt und dabei seine Bestzeit vom Morgen sogar um 14,9 Sekunden unterboten", staunte auch BFGoodrich Experte Patrick Letort. Insgesamt kam das "Mousse"-System - das einst in Griechenland vor 20 Jahren eingeführt worden ist - an diesem Wochenende allein auf den World Rally Cars von Ford, Citroën und Subaru 65 Mal zum Einsatz. Mit Erfolg: Alle Fahrer erreichten den nächsten Service-Punkt ohne Probleme.

Die dritte Etappe am Sonntag brachte in der Gesamtwertung keine nennenswerten Veränderungen mehr: Während Grönholm vor Loeb und Petter Solberg gewann, teilten sich Mikko Hirvonen, Henning Solberg und Chris Atkinson die weiteren Positionen. Chris Atkinson im zweiten Subaru und Citroën-Privatier Manfred Stohl folgten auf Rang sieben und acht.

In der Konstrukteurswertung konnte BFGoodrich Partner Ford - der seinen 60. WM-Laufsieg feierte - durch diesen Erfolg seine Führung vor Citroën nach acht von 16 Saisonläufen auf 25 Punkte ausbauen, während Marcus Grönholm mit einem Vorsprung von neun WM-Zählern in die bis August währende Sommerpause geht.