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VW Käfer: Prototyp mit wassergekühltem Motor vom Polo
In den 1980er-Jahren überlegte man bei VW, den Käfer auf Wasserkühlung umzustellen: Wir erzählen die ganze Geschichte dahinter
(Motorsport-Total.com/Motor1) - Ein legendärer Boxermotor im Heck. Ein legendärer Name. Und eine umstrittene Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung. Diesen Moment erlebte der Porsche 911 mit Einführung der 996-Baureihe im Jahr 1997. Falls Sie spontan an den VW Käfer gedacht haben sollten: Auch er stand kurz davor, wie unser brasilianischer Kollege und VW-Experte Jason zu berichten weiß ...

© Motor1.com Hersteller
VW Käfer mit EA111-Motor aus dem Polo Zoom
Wolfsburg, 2017. Die Reise diente dazu, die zweite Generation des Tiguan zu sehen, der im folgenden Jahr in Brasilien auf den Markt kommen sollte. Und natürlich würde ich die Gelegenheit nutzen, um wieder einmal das Volkswagen-Museum zu besuchen.
Damit meine ich aber nicht das ZeitHaus, dieses moderne und prunkvolle Gebäude in der AutoStadt, das auf fünf verglasten Etagen mit hochglänzenden Klassikern verschiedener Marken aufwartet. Mein Anlaufpunkt in Wolfsburg lag rund 2,5 Kilometer entfernt in der grauen Dieselstraße, Nummer 35: die Stiftung AutoMuseum Volkswagen.
Der EA 111-Motor wurde bis 2005 gebaut
Das 1985 eröffnete AutoMuseum ist ein bescheidenes, schlecht beleuchtetes Gebäude mit nur einem Stockwerk, an dem der Zahn der Zeit nagt. Seine Sammlung hingegen umfasst mehrere Prototypen, die nach der Entwicklungs- und Erprobungsphase vor der Verschrottung gerettet wurden - Gott weiß wie. So gibt es zum Beispiel eine Handvoll Kandidaten für die Nachfolge des VW Käfer, die es aber nie in die Serienproduktion geschafft haben.
Aber zurück zum Besuch 2017: Während ich durch die Hauptausstellungshalle des AutoMuseums schlenderte, bemerkte ich, dass eine unwiderstehliche kleine Tür offen stand, die in einen Bereich führte, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich war: die technische Reserve der Stiftung. Dort standen, durch dünne durchsichtige Plastikhüllen vor Staub geschützt, Dutzende von Prototypen und seltenen Fahrzeugen, die selbst denjenigen, die sich mit der Geschichte von VW beschäftigen, unbekannt sind.
Ein Exemplar stach mir besonders ins Auge: ein einfacher weißer "Fafá"-VW-Käfer, aber mit zusätzlichen Öffnungen in der hinteren Motorhaube und einem rechteckigen Vorsprung in der Nummernschildhalterung. Mit den zitternden Händen von jemandem, der das Grab von Tutanchamun schändete, hob ich die dünne Abdeckung an, öffnete die Motorhaube und... statt des klassischen luftgekühlten Boxermotors befand sich dort ein EA 111-Motor - ein wassergekühlter Reihenvierzylinder, der in Brasilien unter anderem den Fox, Versionen der Gol-Familie und den Kombi nach 2005 ausstattete.
Die Motoren-Baureihe EA 111 (EA = Entwicklungsauftrag) waren Drei- und Vierzylinder-Reihenmotoren des Volkswagen-Konzerns. Sie wurden zwischen 1985 und 2015 zunächst in den VW-Modellen Polo und Golf, später auch im Lupo, Touran, Caddy, Scirocco und Passat sowie seit den 1990er-Jahren auch in den Modellen der Konzernmarken Seat, Skoda und Audi verwendet. Sogar im Trabant 1.1 und Wartburg 1.3 wanderte der EA 111 in leicht modifizierter Form unter die Haube.
Was hatte dieser "Wasser"-Motor in der größten Ikone der Luftkühlung zu suchen? Das AutoMuseum war zur Abwechslung mal ziemlich leer. Die wenigen Leute, die dort waren, konnten mir nichts über den geheimnisvollen Käfer erzählen. Auch im Internet konnte ich keine Informationen finden.
Geburtstagsgeschenk
Sieben Jahre später machten wir uns erneut auf den Weg zum AutoMuseum. Es war mein Geburtstag, mein einziger freier Nachmittag in Wolfsburg und es war ein bisschen kühl. Vielleicht war der Verwalter von der Situation gerührt und stimmte zu, die Ausstellung nur für mich zu öffnen. Das Beste daran war, dass es drinnen ein Überraschungsgeschenk gab: der Wasser-Käfer war dieses Mal ausgestellt! Neben dem Auto erklärte ein kleines Schild auf Deutsch: "Käfer mit Polo-Motor". Und es gab kurze Informationen:
"Da der luftgekühlte Boxer aus Emissionsgründen bei VW keine Zukunft hatte, wurde in den 1970er-Jahren mit dem Einbau von wassergekühlten Boxern begonnen. Die Adaption war beim T3 erfolgreich, aber beim VW Käfer kam man über Versuche nicht hinaus."

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VW Käfer mit EA111-Motor aus dem Polo Zoom
"Anfang der 1980er-Jahre wurde ein Polo-Motor (EA111/VM 9581) in einen VW-Käfer aus Mexiko eingebaut. Dazu musste unter anderem die hintere Motorhaube modifiziert werden. Der EA 111-Motor wurde später im brasilianischen Kombi T2C verwendet, aber nicht im VW Käfer."
Auf der gleichen Plakette befindet sich ein Blatt mit einigen Daten. Baujahr: 1984; Motor: Vierzylinder-Reihenmotor, wassergekühlt; Hubraum: 1.043 cm³; Leistung: 45 PS; Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h.
Ein bisschen Geschichte
Bis Ende der 1960er Jahre waren luftgekühlte Motoren das große Verkaufsargument von VW. "Luft kocht nicht", hieß es in den Werbespots. Sie heizt aber auch nicht wirklich, wie manch Kunde im Winter lästerte. Diese Kultur begann sich zu ändern, als das Unternehmen 1965 die Auto Union kaufte und das Projekt Audi F103 erbte.
Mit dem Vormarsch abgedichteter Kühler, elektrischer Lüfter, Thermostatventile und Kühlmittel, die mit extremer Kälte und Hitze besser zurechtkamen, war ein "Luft"-Motor in Bezug auf die Zuverlässigkeit nicht mehr so vorteilhaft. Die Regelung der idealen Betriebstemperatur war einfacher geworden, wodurch Motoren mit Wasserkühlung effizienter und umweltfreundlicher wurden. Ab Anfang der 1970er-Jahre wurden die Abgasemissionen immer strenger geregelt. Hinzu kam, dass die luftgekühlten Motoren lauter waren.
In Europa hatten sowohl der Golf I (1974) als auch der Polo I (1975), die als Nachfolger des VW Käfer angekündigt waren, Reihen-Vierzylindermotoren mit Flüssigkeitskühlung. Und um den T3 Transporter zu verbessern, entwickelte Volkswagen eine weitere Lösung: den Wasserboxer, einen Motor, der das Design des liegenden Vierzylinders beibehielt, aber mit Wasserkühlung ausgestattet war.

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VW Polo I Zoom
Anfang der 1980er-Jahre wurde der gute alte Käfer nur noch in Mexiko und Brasilien produziert und verkaufte sich in beiden Ländern immer noch sehr gut. 1985 endete der offizielle Export nach Deutschland. Um den Motor zu modernisieren, experimentierte das Unternehmen sogar mit einem halbierten Wasserboxer in einem mexikanischen VW Käfer.
Obwohl der wassergekühlte Zweizylinder-Boxermotor bei Cosworth, der britischen Firma, die für die Lieferung von Motoren für die F-1 bekannt war, hergestellt wurde, leistete er mit seinen 956 cm³ nur 34 PS. Das bizarrste Detail des Prototyps war, dass der riesige Kühler dicht an der Innenseite der hinteren Motorhaube verlief. Um mechanische Arbeiten ausführen zu können, musste der Kühler zusammen mit dem elektrischen Gebläse auf eine Seite gekippt werden. Das hat natürlich nicht funktioniert.
Was wäre, wenn wir den Motor des Polo verwenden würden?
Eine einfachere, billigere und realistischere Lösung wäre es gewesen, den Vierzylindermotor des Polo hinten in Längsrichtung zu montieren. Um die Realisierbarkeit dieser Idee zu testen, wurde der weiße mexikanische VW-Käfer zusammengebaut, der heute in Wolfsburg ruht. In der Abgeschiedenheit des Museums (ich war der einzige Besucher, Sie erinnern sich?) konnte ich die Motorhaube öffnen, mich auf den Boden legen und die Technik des Wagens genauer unter die Lupe nehmen. Die Türen waren verschlossen.
Laut Datenblatt wurde die 1.043 ccm große und 45 PS starke Version des EA111 verwendet, mit dem damals das Einstiegsmodell des Polo II ausgestattet war (es gab auch 1.1 und 1.3). Trotzdem konnte der spezielle Käfer 130 km/h erreichen. Erinnern wir uns daran, dass der brasilianische Itamar von 1993-1996 mit seinem 58 PS starken 1.600er-Boxermotor (mit Alkohol betrieben) eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h erreichte, wenn der Wind günstig stand.
Es bedurfte einiger Tricks, um den Motor "aufrecht" in das für einen Boxer ausgelegte Gehäuse einzupassen. Dazu musste die hintere Motorhaube nicht einmal groß modifiziert werden. Ein unauffälliger Vorsprung an der Kennzeichenhalterung ermöglichte es, alles an Ort und Stelle zu montieren.

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VW Käfer mit EA111-Motor aus dem Polo Zoom
Auf jeder Seite wurden zusätzliche Öffnungen angebracht, um die Temperatur im Innenraum zu senken. Die Kennzeichenbeleuchtung musste ein wenig erhöht werden. Beim Prototyp des mexikanischen "wasserbetriebenen" VW Käfer befindet sich der Ausgleichsbehälter auf der linken Seite und die Lichtmaschine auf der rechten Seite.
Das größte Problem war jedoch der Kühler des mexikanischen Prototyps, der sich auf der linken Seite befand und einige Zentimeter unter dem Boden des Fahrzeugs hervorlugte. Eine dicke Platte versuchte, ihn vor Steinen zu schützen, was den Spielraum weiter einschränkte. Ein elektrisches Gebläse drückte den Luftstrom am Kühler vorbei und durch eines der zusätzlichen Gitter auf der hinteren Motorhaube nach draußen. Dr. Ferdinand Porsche muss im Grab Purzelbäume geschlagen haben.
Alles gestrichen
Der 1984 konzipierte Wasserkäfer wurde jedoch abgebrochen, als er noch in den Kinderschuhen steckte, und der mexikanische "Vocho" mit dem luftgekühlten Boxer weitergebaut. In den Jahren 1991 und 1992 wurde das Modell mit einem Katalysator und einer elektronischen Kraftstoffeinspritzung ausgestattet, um die Emissionswerte zu senken. Die Produktion wurde erst im Jahr 2003 eingestellt.
Der brasilianische VW-Käfer bekam nicht einmal eine Einspritzung. Er wurde hier zwischen 1993 und 1996 wieder hergestellt, wobei der klassische Boxer und zwei Vergaser beibehalten wurden. Die größte Neuerung war der Katalysator, der sich jedoch von dem der mexikanischen Version unterschied.
Einem wassergekühlten VW Käfer "ab Werk" am nächsten kamen der New Beetle (1997-2011) und der Beetle (2011-2019), die eigentlich Golf 4 und Golf 6 im Käfer-Gewand waren. Das Werk in Via Anchieta war das letzte auf der Welt, das noch VWs mit dem klassischen Boxermotor produzierte. Im Dezember 2005 verschwand der Kombi von der Bildfläche und machte Platz für die Modelle mit dem EA111-Motor.
Weitere Klassiker von VW:
Zeitreise: VW Scirocco I (1980) im Fahrbericht
Oldtimer-Rallye im VW Derby von 1977: Auf Achsen durch Sachsen


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