• 23.07.2023 09:07

  • von Roland Hildebrandt

Toyota Sera (1990) im Fahrbericht: Kennen Sie den noch?

Futuristische Hülle, bürgerliche Technik: Der Toyota Sera sorgte Anfang der 1990er-Jahre für Aufsehen - Ein Exemplar konnten wir jetzt bewegen

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen. Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig Flops gewesen sein, aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers.

Titel-Bild zur News:

Toyota Sera (1990) Zoom

In unregelmäßiger Folge holen wir hier unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" solche Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens.

Wir kennen die Litanei. Und es stimmt ja auch: Moderne Autos werden immer unübersichtlicher. Warum für große Fenster sorgen, wenn zig Kameras den Blick nach draußen ersetzen? Hauptsache, die Designer sind zufrieden.

Verglaste Kabine und Flügeltüren wirken auch heute futuristisch

Wer aber wie einst in der Bibel verlangt: Fiat Lux! (Es werde Licht!), der sollte sich einmal den Toyota Sera anschauen. Allerdings besteht ein kleines Problem: Den Sera gab es nur in Japan und als Grauimport in Ländern mit Rechtslenkung wie Großbritannien. Ergo ist die Chance, eines von gut 16.000 Exenplaren hierzulande zu erspähen, gleich null.

Dankenswerterweise besitzt Toyota Deutschland ein Exemplar, welches wir im Rahmen des GCOTY 2023 (German Car of the Year) fahren konnten. Die Ursprünge des Sera reichen bis ins Jahr 1983 zurück. Damals waren die meisten Toyota zwar erfolgreich und zuverlässig, aber optisch vom Charme eines Legosteins. Autos für die junge Kundschaft sollten her. Mit dem nötigen Pfiff, bitte schön. Das Resultat wurde 1990 präsentiert: der Sera.

Mit seiner fast vollständig verglasten Fahrgastzelle und den flügelartigen Flügeltüren wirkte der Sera wie ein schneller Raumkreuzer aus einer anderen Galaxie, der den Bewohnern des Planeten Erde futuristischen Fahrspaß versprach. Passend dazu trug das kompakte Fastback-Coupé die Zukunft im Namen, denn Sera leitet sich von der Futurform des französischen Verbs être (sein) ab.

McLaren F1 wurde von Sera inspiriert

Das von Chefingenieur Kaneko Mikio und Karosseriedesigner Yao Hiroyuki aus dem visionären Konzeptfahrzeug Toyota AXV-II entwickelte Coupé führte gleich mehrere zukunftsweisende Technologien und Designkonzepte ein, die von anderen Herstellern adaptiert wurden.

Allen voran das Novum der beiden Schmetterlingstüren, die innovativ über der Frontscheibe und an der A-Säule befestigt waren und in geöffnetem Zustand nur 43 Zentimeter seitlichen Platz beanspruchten - vorteilhaft in engen Parklücken. Selbst Gordon Murray, Chefdesigner des legendären McLaren F1, ließ sich bei der Entwicklung des schnellsten Serienautos der Welt in den 1990er-Jahren von den cleveren Türen des Toyota Sera inspirieren, wie er später verriet.

Allzu bequem gerät der Einstieg in der Praxis allerdings nicht, wenn Sera-Piloten über 1,80 Meter groß sind. Denn irgendwie steht die Tür dann doch im Weg und der gemeine Autoredakteur muss seinen Astralkörper daran vorbeischlängeln. Auf der rechten Seite, versteht sich. Wie bei den meisten alternativen Türkonzepten zeigt sich auch hier: Sieht geil aus, wirklich praktisch ist es nicht.


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Bombastische Rundumsicht

Sitzt man endlich drin, fällt die bombastische Rundumsicht auf. Als wäre man der Inhalt einer Schneekugel oder der Goldfisch im runden Glas. Nur ein kleiner Teil der Seitenscheiben ist aus technischen Gründen versenkbar, das kennt man vom Subaru SVX. Eine Art Fond gibt es im Sera auch, er dient besser als Ablage, zumal sich unter der Heckkuppel nur ein winziger Kofferraum befindet.

Sogar bei Dunkelheit ist der schnelle Sera im Rückspiegel zu identifizieren, denn als eines der ersten Fahrzeuge gab es den Japaner mit hell strahlenden Projektionsscheinwerfern. Dazu passten auch die intensiv leuchtenden Mica-Metallic-Lackierungen wie Silber-Opal, Rot, Grün, Gold-Gelb oder Türkis. Von vorne erinnert der Sera übrigens ein wenig an den späteren, deutlich konventionelleren Paseo. Letzterer wies übrigens den gleichen Motor auf.

Toyota Sera (1990)

Toyota Sera (1990) Zoom

Trotz der großflächigen Verglasung des Sera inklusive komplett gläserner Heckklappe gelang es Toyota, das Leergewicht des 3,86 Meter langen und 1,27 Meter flachen Sportcoupés mit innovativen Leichtbautechniken auf beispielhaft niedrige 890 Kilogramm zu reduzieren.

Vierzylinder-Motor mit 110 PS

Unter der Haube des damals in der Basis gut 1,6 Millionen Yen teuren Sera befindet sich bürgerliche Technik: Ein Vierzylinder-Reihenmotor namens 5E-FHE mit 16 Ventilen und 81 kW (110 PS) Leistung. Leider hat "mein" Fahrzeug die optionale Vierstufen-Automatik an Bord. Sie bremst das Temperament spürbar ein. Mit deutlichen Schaltrucken beschleunigt der Sera eher maßvoll, spritzig ist anders. Und so cruise ich gelassen durch die hessische Landschaft, während mich die Klimaautomatik (!) kühlt. Logenplatz mit Aussicht gewissermaßen.

Kurios muten aus heutiger Sicht einige der damaligen Ausstattungsoptionen an: SLSS-Audiosystem mit digitalem Signalprozessor und zehn Lautsprechern, Faxgerät mit Telefon sowie "CleanAce"-Luftfiltersystem, das den Geruch von Zigaretten neutralisierte.

Toyota Sera (1990)

Toyota Sera (1990) Zoom

Die Bestelleingänge für den Sera übertrafen in der ersten Produktionsphase zunächst alle Erwartungen: Toyota rechnete ursprünglich mit etwa 1.000 verkauften Fahrzeugen im ersten Monat, wurde aber von der Nachfrage überrascht, da bereits in den ersten zwei Wochen 3.600 Bestellungen eingingen. Insgesamt wurden in den ersten 12 Monaten 9.000 Fahrzeuge verkauft. bis 1991 wurde bereits drei Viertel der Gesamtstückzahl dieses Toyota mit dem internen Typencode EXY10 ausgeliefert.

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Dann aber stürzte die japanische Wirtschaft in eine Depression und der Toyota Sera konnte trotz zwei weiterer Produktionsphasen (1991-1992 und 1992-1995) mit frischen Farben und neuen Sicherheitsausstattungen wie Seitenaufprallschutz für die Schmetterlingstüren nicht an seinen Anfangserfolg anknüpfen. Kultstatus hat er sich dennoch bis heute bewahrt, dies nicht nur durch Auftritte in Konsolenspielen, sondern als besondere Ikone der JDM-Community.

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