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Oldsmobile Delta 88 mit V8-Diesel: Das schlechteste Auto der USA
Der Oldsmobile Delta 88 Diesel von GM war ein derartiger Misserfolg, dass er sogar ein Gesetz losgetreten hat: Wir fahren das schlechteste Auto der USA
(Motorsport-Total.com/Motor1) - Unsere US-Kollegin Victoria Scott hatte gerade das Auto ihrer Freundin für diese Reportage fotografiert, als diese sie nach Hause bringen wollte. Sie drehte also den Schlüssel und aktivierte die Zündung. Jedoch: die Lampe für die Glühkerzen leuchtete nicht auf. Sie schaute auf das Armaturenbrett, dann zu ihr und schmunzelte.

© Motor1.com Deutschland
1981er Oldsmobile Diesel Zoom
Sie gab den Kerzen eine Anlaufzeit, doch sie weigerten sich noch immer. Sie drehte also einfach weiter und ließ den Anlasser seine Arbeit verrichten. Doch der massive V8 blieb stumm. Sie öffnete den Kofferraum und begann, nach Werkzeug zu suchen. Unsere Kollegin ließ ihren Chef wissen, dass sie später zur Arbeit komme - denn das Auto, das sie gerade für diese Reportage gefahren war, hatte den Geist aufgegeben. Völlig normal für das schlechteste Auto Amerikas. Ihr Bericht ist dennoch äußerst lesenswert:
Richard Nixons Amerika
Die 1970er Jahre waren ein schwieriges Jahrzehnt für die Big Three (General Motors, Ford und Chrysler). Im Jahr 1970 wurde die neu geschaffene EPA (Environmental Protection Agency, Behörde für Umweltschutz und zum Schutz der menschlichen Gesundheit) mit der Aufgabe betraut, die Luftverschmutzung zu verringern. Sie erließ strenge neue Emissionsgesetze und schrieb die Umstellung auf bleifreies Benzin vor. Die Autohersteller hatten nur fünf Jahre Zeit, um die Vorschriften zu erfüllen.
Während sich die Hersteller bemühten, die neuen Auflagen umzusetzen, ließ das OPEC-Embargo von 1973 die Ölpreise praktisch über Nacht um 300 Prozent in die Höhe schnellen (die Ölkrise führte in Deutschland sogar zu autofreien Sonntagen). 1975 wurden Gesetze zum durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch (Corporate Average Fuel Economy, CAFE) verabschiedet, die für die gesamte Produktpalette der Automobilhersteller eine höhere Kraftstoffeffizienz vorschrieben. Verbraucher und Gesetzgeber verlangten jetzt nach sparsameren Fahrzeugen. Weltweite Hersteller produzierten diese, während die US-Automobilbauer dies weitgehend nicht taten.
Diese Turbulenzen führten zur Ära der Missstimmung. Pferdestärken sanken auf breiter Front, da die Hersteller das Verdichtungsverhältnis verringerten, um die Motoren mit oktanärmerem Benzin ohne Bleizusätze betreiben zu können (weniger Kompression gleich weniger Leistung). Katalysatoren und Systeme zum Verringern der Emission zogen weiter Leistung ab, ohne die Effizienz zu steigern.
Das Fahrzeugdesign stagnierte, da die US-Ingenieure viel Zeit damit verbrachten, bestehende Motoren für die neuen Vorschriften zu modifizieren, statt Fahrzeugplattformen zu aktualisieren, um gegen die starke Konkurrenz aus Japan und Deutschland bestehen zu können.
Und General Motors? Als wollten sie die Ausmaße dieser Ära noch einmal verdeutlichen, bastelte der US-Autobauer einen völlig neuen Dieselmotor ... auf der Basis eines V8-Benziners.
"GM ist nicht in der Lage, Autos zu bauen..."
Der "neue" Motor von GM war der Oldsmobile Diesel. Anstatt einen kompakteren, kraftstoffsparenden Motor zu entwickeln - wie es viele der weltweiten Hersteller taten - nahm General Motors seinen vorhandenen benzinbetriebenen Oldsmobile 5,7-Liter-V8 und baute ihn für den Betrieb auf Diesel um. Dieselmotoren unterlagen nicht den gleichen Emissions- oder CAFE-Vorschriften, sodass GM durch die Umrüstung die neuen Vorschriften der EPA umgehen konnte. (Zur gleichen Zeit brachte Mercedes eine S-Klasse mit Diesel auf den US-Markt.)
Außerdem war Dieselkraftstoff in den 1970er Jahren viel günstiger als Benzin. Was bedeutete, dass die US-Verbraucher sich weniger Gedanken über eine schlechte Reichweite machten als beim Benziner.
Der Oldsmobile Diesel kam 1978 auf den Markt, nachdem fünf Jahre lang in rasantem Tempo geforscht und entwickelt worden war. So wenig wie möglich sollte an der bestehenden Konstruktion des Benziners geändert werden (die auffälligste Änderung war ein wesentlich robusterer Motorblock, um dem hohen Druck der Dieselverbrennung standzuhalten).
Zunächst war er ein Erfolg. GM rühmte sich mit einem effizienteren Kraftstoffverbrauch. In etwa elf Liter verbrauchte der Diesel kombiniert auf 100 Kilometern. Dem gegenüber standen 15 Liter bei den Benzinern. Die Verkaufszahlen waren anfangs sehr gut, obwohl die Dieseloption 800 Dollar Aufpreis kostete (etwa zehn Prozent des durchschnittlichen Preises einer Oldsmobile Limousine zu dieser Zeit). Doch dann ging es nur noch bergab.
"... Es geht darum, Geld zu verdienen"
Die extrem überstürzte Markteinführung des Olds-Dieselmotors bedeutete, dass er kein Vorzeigemotor war. Zunächst einmal war er völlig untermotorisiert. Der 5,7-Liter-V8 mit Eisenblock und Eisenkopf leistete bei der Markteinführung nahezu lächerliche 120 PS. Knackige 21 PS pro Liter. 1981, vier Jahre nach seiner Einführung, wurde der Motor auf 105 PS gedrosselt. Was weniger ein Problem dargestellt hätte ...
... wenn die Fahrzeuge, die er bewegen sollte, leicht gewesen wären. Stattdessen wurde der Diesel-V8 in Oldsmobile-"Body-On-Frame"-Limousinen, also solche mit Leiterrahmen eingebaut (sowie in den Rest der Olds-Palette und einigen Cadillacs). Erschwerend kam hinzu, dass die meisten Oldsmobile-Diesel mit einem THM 200-Automatikgetriebe gekoppelt waren, einem trägen Dreiganggetriebe ohne sperrbaren Drehmomentwandler.

© Motor1.com Hersteller
1981er Oldsmobile Diesel Zoom
Der Oldsmobile Delta 88, den ich für diese Geschichte gefahren bin, wiegt etwa 1.630 Kilogramm. Als Modell aus dem Jahre 1981 wurde er wie oben bereits bemerkt auf 105 PS gedrosselt. Er schafft den Spurt von 0 auf 100 in etwa 20 Sekunden. Auf einigen steilen Hügeln in Seattle weigerte er sich, über 40 km/h hinaus zu beschleunigen, selbst mit nur einem Beifahrer und einem leeren Kofferraum. Die Höchstgeschwindigkeit, wenn man sie denn jemals erreichen sollte, liegt irgendwo bei 120 km/h.
Wie die meisten Diesel der 1970er Jahre bläst er sichtbaren Ruß aus seinem Endrohr und klappert im Leerlauf wie Silberbesteck in einer Waschmaschine. Das Dreiganggetriebe schaltet relativ leichtgängig, aber die große Gedenkpause zwischen den Gängen verschlimmert den ohnehin schon langsamen Charakter des Autos.
Schlechte Deals und Autos, die sich selbst zerlegen!
GMs Sparmaßnahmen waren nicht nur schlecht für die Leistung, sondern führten auch zu einem Dutzend von häufig auftretenden, schwerwiegenden Problemen. Der 5,7-Liter-Diesel verwendete die gleichen Kopfschrauben, angezogen mit dem gleichen Drehmoment wie der Benziner. Während dies für Letzteren mit niedrigem Druck ausreichend war, wurden die Kopfschrauben des Hochdruck-Dieselmotors in Folge dessen schneller gedehnt oder brachen sogar ganz ab. Dies führte zu Schäden an der Zylinderkopfdichtung.
Bei einem Diesel mit seinen exakt abgestimmten Abmessungen, kann ein Versagen der Kopfdichtung leicht zu einer Katastrophe führen. Bei den exakten Abmessungen, die für die Hochdruckverbrennung notwendig sind, heißt es sonst bei eintretendem Wasserschlag frei nach Manta-Manta-Gerd: "Kolbenfresser ... aus!"

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1981er Oldsmobile Diesel Zoom
Als der Motor auf den Markt kam, wurde er aus Kostengründen zusätzlich ohne Wasserabscheider verkauft. Dieselkraftstoff enthält immer einen bestimmten Anteil an im Diesel gelöstem Wasser. In den 1970er Jahren besaß der Dieselkraftstoff in Amerika zudem eine mindere Qualität. Selbst eine kleine Menge Wasser würde schnell dazu führen, dass die Hochdruckeinspritzdüsen mit ihrer geringen Toleranz rosten und ausfallen.
Eine tickende Zeitbombe. Diese Entscheidung zugunsten der geringeren Produktionskosten kostete Besitzer des Oldsmobile Diesel häufig ihre Motoren, bis 1981 endlich ein Wasserabscheider eingebaut wurde. Viele Käufer wiederum verwendeten "Trockengas" (ein gängiger Zusatz aus der Zeit vor der Ethanol-Ära), um das Wasser aus ihren Kraftstofftanks zu entfernen. Leider führte dieser Zusatz auf Alkoholbasis dazu, dass die Dichtungen der Kraftstoffleitungen austrockneten und rissen.
Die Liste der Probleme setzte sich fort: Eine schwache und verformbare Steuerkette dehnte sich und führte dazu, dass der Motor schlechter lief. Das Dreigang-Automatikgetriebe war dem Drehmoment eines Dieselmotors nicht gewachsen, Ausfälle waren an der Tagesordnung. Trotz der höheren Beanspruchung des Ventiltriebs verwendete GM die gleichen Nockenwellen und Lager wie bei den Benzinmotoren, was bedeutete, dass alles, was nicht mit frischem, speziell für Diesel geeigneten Ölen geschmiert wurde, zu Ausfällen führen würde.
Das Auto, das Verbraucherschutzgesetze ins Leben rief
Der Grund dafür, dass mein Testwagen nicht ansprang, war viel einfacher, hatte aber immer noch mit fragwürdigen Kosteneinsparungen zu tun. Die Kurbelwellengehäuseentlüftung des Oldsmobile-Diesels wurde in den Öldeckel integriert, um Einzelteile zu minimieren und die Entwicklungskosten zu senken. Dadurch bläst der Ruß direkt über die Oberseite des Motors. An einem Anschluss für das Glühkerzensteuergerät hatte sich Dieselschmiere festgesetzt, die verhinderte, dass die Glühkerzen heiß wurden.
Zum Glück weiß meine Freundin, wie man diesen Motor repariert. Ich konnte also an meinen Schreibtisch zurückkehren. Aber in den 1970er Jahren, als die Oldsmobile V8-Dieselmotoren der Käufer unweigerlich ausfielen, waren die Mechaniker der Händler nahezu hilflos - hatten sie doch leider keine Ahnung, wie diese Biester instandgesetzt würden. Sie reparierten oft falsch, und selbst wenn sie sie richtig reparierten, wurde bei GM lange nichts unternommen, um die zugrundeliegenden Probleme zu beheben. Das ging noch Jahre lang so weiter.

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1981er Oldsmobile Diesel Zoom
Was bedeutete, dass die Ausfallraten des V8-Diesels wirklich spektakulär hoch waren. Die kalifornische Umweltbehörde EPA ließ den Olds-Diesel sogar nach seiner Markteinführung über zwei Jahre nicht zum Verkauf zu. Nicht wegen der Emissionswerte, sondern weil jeder einzelne der neun von der EPA zu Testzwecken gekauften Fahrzeuge kaputt ging, bevor die Tests abgeschlossen werden konnten.
Es gab so viele Sammelklagen wegen des Motors, dass die Käufer bis 1983 die Federal Trade Commission (zuständig für die Zusammenschlusskontrolle und den Verbraucherschutz in den USA) überforderten. Mehrere Bundesstaaten entwarfen als direkte Reaktion auf den Motor die ersten Versionen dessen, was wir heute als "Lemon Laws" (einzelstaatliche Verbraucherschutz-Gesetze) kennen. Der Wiederverkaufswert von Autos mit Dieselmotor sank, sodass die Besitzer mit wertlosen Fahrzeugen zurückblieben. Das führte wiederum zu weiteren Klagen.
Bis 1981 hatte GM die meisten der schwerwiegenden Probleme mit der Konstruktion des V8-Diesels behoben - was wahrscheinlich auch der Grund dafür ist, dass dieser Testwagen hier, ein 81er, heute noch lebt - und brachte später einen stark verbesserten V6-Diesel auf den Markt. Viel zu spät. Die US-Öffentlichkeit war dem Diesel gegenüber gänzlich abgeneigt. GM zog sich 1985, sieben Jahre nach der Markteinführung des Oldsmobile Diesel, ganz aus der Produktion von Diesel-PKW zurück.
Die GM-Verkäufe erreichten 1978 mit der Einführung des Olds-Diesels einen Höchststand von 9,5 Millionen Fahrzeugen. Es dauerte bis 2005, bis die Verkaufszahlen wieder die Marke von neun Millionen Fahrzeugen überschritten.
Was haben wir also gelernt, Kinners?
Erst Mitte der 2010er Jahre versuchte sich GM mit dem Chevrolet Cruze an einem weiteren Diesel-PKW. Zu dieser Zeit war ein hocheffizienter Diesel mit hoher Reichweite sehr gefragt, dank des wieder einmal teuren Benzins und des Finanzkollapses von 2008. Die Kritiker lobten ihn für seine unglaubliche Sparsamkeit und seinen sanften Motor.
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Leider wurde dieses Vorhaben durch den Dieselgate-Skandal von VW vorzeitig gestoppt, der das Vertrauen der US-Verbraucher in Dieselmotoren erneut erschütterte und einen möglichen Markt für Diesel-PKW völlig leerfegte. Da wir uns gerade auf dem Weg in eine Ära der effizienten Antriebe befinden, die immer strengere Emissionsvorschriften erfüllen müssen, können wir nur hoffen, dass die Autobauer ihre Lehren aus dem Oldsmobile Diesel gezogen haben. Ich wäre allerdings überrascht, wenn dies der Fall wäre.


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