• 02.10.2023 11:16

  • von Roland Hildebrandt

NSU/Wankel Spider (1963-67) im Fahrbericht: Putziger Pionier

Vor 60 Jahren debütierte auf der IAA 1963 das erste Serienfahrzeug der Welt mit Wankelmotor: Wir sind den NSU/Wankel Spider gefahren

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Diesen Satz kennen wir alle. Doch manchmal trifft es auch die Zufrühkommer. Seit den 1950er-Jahren hatte NSU daran gearbeitet, die von Felix Wankel stammende Idee eines rotierenden Motors salonfähig zu machen. Anfang 1960 erfolgte die große Weltpremiere des Kreiskolbenmotors im Deutschen Museum in München.

Titel-Bild zur News:

NSU Wankel-Spider (1963-1967) im Test Zoom

Man war beeindruckt. Und wartete auf ein Auto mit dem vermeintlichen neuen Wundermotor. Und wartete. NSU geriet langsam in Zugzwang, als "Erfinder" liefern zu müssen. Vor 60 Jahren war es dann endlich soweit.

Er war einer der Stars auf der IAA 1963 in Frankfurt: der NSU/Wankel Spider. Das eigentlich Sensationelle an dem offenen Zweisitzer war dabei nicht seine schöne Formensprache - sondern vielmehr seine inneren Werte, die das Publikum begeisterten. Herzstück des kleinen Roadsters war der weltweit erste Kreiskolbenmotor in einem Serienauto.

So schwierige war die Entwicklung des Wankelmotors

Rückblende: Anfang der 1950er Jahre arbeitete NSU an einem völlig neuen Motorenkonzept - gemeinsam mit Felix Wankel. Der 1902 im badischen Lahr geborene Wankel startete nach dem Abbruch der Schullaufbahn seine berufliche Karriere mit einer Lehre zum Verlagskaufmann. Zunächst autodidaktisch begann Wankel Ende der 1920er-Jahre mit dem Versuch einer Drehschiebersteuerung für einen Motorradmotor.

Bereits während des Zweiten Weltkriegs lernte Wankel an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt Walter Froede kennen. Der promovierte Ingenieur widmete seine ganze Energie der Firma NSU und legte dort eine steile Karriere hin: 1941 trat Froede als Leiter in der Versuchsabteilung ins Unternehmen ein, 1975 ging er als Entwicklungschef von NSU in den Ruhestand. Im Jahr 1951 trafen sich Froede und Wankel und wurden sich schnell handelseinig, es kam zum Vertragsabschluss und zur gemeinsamen Entwicklungsarbeit.

NSU erweiterte später den Vertrag mit Felix Wankel - Ziel der Zusammenarbeit war jetzt die Entwicklung von Drehkolbenmotoren. Für sie ist die Abkürzung "DKM" gebräuchlich. Der 1. Februar 1957 war dann ein großer Tag bei NSU in Neckarsulm: Auf einem Prüfstand lief der DKM 54, der erste Drehkolbenmotor der Welt. Der Drehkolbenmotor bestach durch seinen ruhigen Lauf.

Erste Tests des Motors im NSU Prinz

Nach 15 Stunden auf dem Prüfstand traten jedoch erste Dichtungsprobleme auf. Hinzu kamen ganz praktische Probleme: Drehzahlen von bis zu 30.000 U/min überforderten die damaligen Nebenaggregate, zudem sind Arbeiten am DKM wie etwa der Zündkerzenwechsel sehr umständlich.


Fotostrecke: NSU/Wankel Spider (1963-67) im Fahrbericht: Putziger Pionier

Und so kamen die NSU-Entwicklungsingenieure zur Überzeugung, dass das Motorenkonzept grundlegend überarbeitet werden muss. Um die Komplexität zu reduzieren und die Chancen zu erhöhen, den Motor zur Serienreife zu bringen, arbeitete der Kolben im Nachfolgeaggregat in einem nunmehr feststehenden Gehäuse. Unter Federführung von Hanns Dieter Paschke entstand der Kreiskolbenmotor (KKM). Felix Wankel schäumte: "Sie aus meinem Rennpferd einen Ackergaul gemacht!" NSU-Chef Stieler von Heydekampf entgegnete: "Hätten wir doch bloß schon den Ackergaul!"

Zu Beginn des Jahres 1959 beginnen für diesen Kreiskolbenmotor mit der Bezeichnung KKM 250 erste Läufe auf dem Prüfstand. Das Aggregat wurde in der Folge technisch immer weiterentwickelt, verfeinert und verbessert - nach jahrelanger Entwicklungsarbeit wird der Motor schließlich erstmals in ein Testfahrzeug eingebaut: in einen NSU Prinz.

Premiere 1963 auf der IAA

Niemandem im Werk Neckarsulm fiel der unscheinbare hederagrüne Prinz damals sonderlich auf und nur wenige Eingeweihte wussten, was sich in seinem Heck verbarg. Und so ging das Auto mit seinem neuartigen Motor im Sommer 1959 auf Erprobungsfahrt in und um Neckarsulm. Den Nachfolgemotor des KKM 250, den KKM 400, bauten die Ingenieure wenig später in einen NSU Sport-Prinz ein. Jener Sport-Prinz wurde zur optischen Grundlage des ersten Serienautos mit Wankelmotor ...

 NSU Wankel-Spider (1963-1967)

NSU Wankel-Spider (1963-1967) Zoom

Im September 1963, kurz vor der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, stand im Werk Neckarsulm für eine Stunde alles still. Der damalige NSU-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerd Stieler von Heydekampf stellte den Beschäftigten den "NSU-Spider" vor, wie er damals offiziell hieß.

Auf der IAA wurde der Wagen euphorisch gefeiert, vor allem wegen seines revolutionären Motors. Dieser war leicht - mit Getriebe, Lichtmaschine und Anlasser liegt das Gesamtgewicht bei gerade einmal 125 Kilogramm. Er brauchte wenig Platz und konnte deshalb als Unterflurmotor im Heck eingebaut werden.

Kofferraum vorne und hinten

Durch diese Konstruktion besitzt der sportliche Spider sowohl einen Kofferraum vorn als auch einen Kofferraum hinten. Zudem soll der neuartige Motor extrem vibrationsarm laufen und laut NSU-Werbung so ruhig wie ein Sechszylinder. Bei vielen heißt das neue Aggregat künftig salopp einfach nur "Wankelmotor".

 NSU Wankel-Spider (1963-1967)

NSU Wankel-Spider (1963-1967) Zoom

Genau ihn suche ich und mein Fotograf am Spider. Entriegelungshebel finden und bitte schön die Motorhaube von hinter den beiden Sitzen in Richtung Heck öffnen. Da kauert er unter einer Abdeckplatte, der tatsächlich übersichtliche Kreiskolbenmotor mit einer Scheibe. Er hat es etwas bequemer als der Fahrer: Im nur 3,58 Meter langen NSU ist es eng, der linke Arm dient als Seitenaufprallschutz.

Aber mit langen Beinen stehen der Radkasten und die Lenksäule im Weg. Und so platziert man das rechte Bein rechts neben der Lenksäule (Bremse und Gas), das linke links daneben (Kupplung). An einen möglichen Unfall sollte man nicht denken ...

Und so fährt er sich

Und los gehts! Zündschlüssel umgedreht, der Spider klötert vor sich hin. Das Leerlaufgeräusch des Wankelmotors klingt leicht zweitaktig, diese Grundnote bleibt auch während der Fahrt. Doch je höher man dreht, desto mehr singt der kreisende Kolben im Stil einer Turbine. Denn wie bei praktisch allen Wankel-Autos ohne Turbo gilt auch hier: Bei niedrigen Drehzahlen passiert nicht viel. Etwa bis 3.000 U/min, der rote Bereich fängt bei 6.500 U/min an.

 NSU Wankel-Spider (1963-1967)

NSU Wankel-Spider (1963-1967) Zoom

Also fleißig mit der knackigen Schaltung arbeiten und immer schön auf dem Gas bleiben. Wenn ich mal mein Notizbuch zitieren darf: "Motor klingt zuerst nach altem Fiat 500, der bei höheren Drehzahlen ein Rendezvous mit einer Turbine hat." Der Klang ist einmalig, man muss ihn einmal gehört haben. Tipp: YouTube hilft ...

Im Gegensatz zum späteren NSU Ro 80, der einen Zweischeiben-Wankel hatte, läuft der Spider unrunder. Eine gewisse Parallele zum klassischen Verbrenner, bei dem gerade Zylinderzahlen laufruhiger arbeiten. Aber der Spider bleibt dennoch recht laufruhig. Und flott: 14,5 Sekunden konnten sich in der damaligen Käfer-Kolonie sehen lassen. Zudem ist der kleine offene Wagen auch ohne Servolenkung überraschend wendig.

Vorzüge des Wankelmotors sprechen sich herum

Die Vorzüge des Wankelmotors sprachen sich in den 1960er-Jahren schnell herum, namhafte Auto- und Motorenhersteller erwarben Lizenzen für die neue Kreiskolbenmotortechnik aus Neckarsulm - darunter General Motors, Daimler-Benz, Porsche, Nissan, Toyota und Toyo Kogyo alias Mazda.

 NSU Wankel-Spider (1963-1967)

NSU Wankel-Spider (1963-1967) Zoom

Das Lizenzgeschäft war für die Neckarsulmer (und Felix Wankel) einträglich - der Absatz des NSU/Wankel Spider hingegen lief eher schleppend. Ein Problem war der Preis: Ab Herbst 1964 konnte man den flotten Sportwagen in den Farben Alfarot oder Lilienweiß für rund 8.500 Deutsche Mark kaufen. Inklusive fettem NSU/Wankel-Emblem auf dem Heck.

Doch die Spider-Fahrer mussten sich darüber im Klaren sein, dass sie zwar Pioniere, aber auch eine Art Versuchskaninchen für NSU waren. Quasi zahlende Testpiloten in einem nicht immer zuverlässigen Fortbewegungsmittel. Über die anfänglichen Malaisen des Motors geriet ganz in Vergessenheit, wie erfolgreich der Spider im Motorsport war: 1966 wurde Karl-Heinz Panowitz Deutscher Rallyemeister aller Klassen sowie 1967 und 1968 Siegfried Spieß Deutscher Bergmeister aller Klassen.

Unterwegs mit Wankelmotor:

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Bis Juli 1967 wurden vom ersten Wankel-Auto exakt 2.375 Exemplare gebaut. Dann folgt das womögliche berühmteste NSU-Modell aller Zeiten: der Ro 80. Das Konzept des Einscheiben-Motors feiert 60 Jahre nach dem Spider-Debüt sein Comeback: Als Range Extender im Mazda MX-30 R-EV. Der Kreis ... Verzeihung: Die Trochoide schließt sich.

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