• 23.10.2020 11:44

  • von Roland Hildebrandt

Audi 100 C4 (1990-1994): Klassiker der Zukunft?

Moderne Optik, aber trotzdem auf dem Papier ein Oldtimer: Der letzte Audi 100 wird jetzt 30 Jahre alt - Wir blicken auf die Historie des C4

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die aber auch schon gut 20 Jahre, aber teilweise auch viel weniger auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer neuen Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.

Beinahe könnte man meinen, dass es schon vor 30 Jahren eine globale Pandemie gegeben hat. Vom 12. bis zum 24. November 1990 fand die Pressevorstellung des neuen Audi 100 ganz bürgerlich in Düsseldorf statt. Auch eine Messepremiere erlebte die Limousine der intern C4 genannten Baureihe nicht: Order von ganz oben in Gestalt von Volkswagen-Konzernchef Carl H. Hahn. Man möge doch bitte ein Auto erst dann präsentieren, wenn die Serie angelaufen sei.

Also musste der neue Audi 100 für sich sprechen. Und er hatte gute Argumente auf seiner Seite: Vollverzinkung wie beim Vorgänger, eine elegante Linienführung und erstmals Sechszylinder-Motoren unter der Haube. Schmale Fugen und ein hochwertiger Innenraum zeigten die Handschrift des damaligen Audi-Chefs Ferdinand Piëch. 

Und das kam gut an: Im ersten halben Jahr nach dem Marktstart am 7. Dezember 1990 fertigte Audi gut 80.000 Einheiten der 100 Limousine. Im Herbst 1991 ergänzte ein neuer 100 Avant das Programm, der nun deutlich mehr nach Kombi aussah als sein Vorgänger. Für den Produktionsanlauf des neuen Audi 100 hatte man übrigens eine halbe Milliarde DM investiert.

Audi 100 C4 (1990-1994)

Audi 100 C4 (1990-1994) Zoom

Interessant lesen sich drei Jahrzehnte später einige Inhalte, mit denen damals die Autozeitschriften versorgt wurden. So heißt es bezüglich der Einstellung der Zielgruppe: "Wir sprechen den Kunden mit Stil und Selbstwertgefühl an, der wahre Werte schätzt und für den vordergründige Statussymbole von untergeordneter Bedeutung sind."

Und nicht minder interessant ist der Blick in einen Prospekt vom Anfang 1993. Dort hob Audi hervor: "Mehr Fahrsicherheit und größerer Abrollkomfort durch 15-Zoll-Räder und Bereifung in 195/65." Heute fast vergessen ist "Procon-Ten", ein System, dass im Audi 100 beim Unfall das Lenkrad vom Fahrer wegzog.

Recht putzig mutet die damalige Bauchpinselung des Lesers an: "Und nicht zuletzt haben so anspruchsvolle Fahrer wie Sie die Marke Audi zu dem gemacht, was sie heute ist: eine Klasse für Kenner."  

Die Fußstapfen, in die der neue Audi 100 anno 1990 trat, waren groß: Fast eine Million Einheiten des aerodynamisch herausragenden Vorgängers hatte man seit 1982 gefertigt. Dennoch waren in den letzten Jahren viele Kunden zum modernen 80/90 gewechselt, wie Audi bekannte.

Audi 100 C4 (1990-1994)

Audi 100 C4 (1990-1994) Zoom

Tatsächlich ähnelt die 4,79 Meter lange Limousine des C4 im Design sowohl seinem Vorgänger als auch dem Audi 80 von 1986, was sich besonders am Heck zeigt. Das Ziel beim neuen Audi 100: Außen- und Innendesign harmonieren. Das ist gelungen, denn noch heute sieht er nicht wirklich alt aus.

Als Konkurrenz hatte man wenig verwunderlich den Mercedes W 124 und die BMW 5er-Reihe im Visier, aber auch den Opel Omega und Ford Scorpio. Gleichzeitig wurde die etwas unklare Trennung zwischen Audi 100 und 200 aufgegeben.

An die Stelle des 200 trat zunächst der 2,8-Liter-Sechszylinder mit 174 PS Leistung, den Audi ab 52.500 Mark anbot. Serienmäßig waren hier ein ABS und elektrische Fensterheber vorne, nicht aber eine Klimaanlage. Auch ein Fahrerairbag war erst ab 1993 inklusive.

Noch eindeutiger schloss ab Juli 1991 der Audi 100 S4 mit Turbo-Fünfzylinder, 2,2 Liter Hubraum und 230 PS bei 350 Newtonmeter maximalen Drehmoment die 200er-Lücke. Im Oktober 1992 schließlich erschien als Topmodell ein 100 S4 mit 4,2-Liter-V8 und 280 PS Leistung. Das Kürzel S4 mag heute verwirren, aber erst im Juli 1994 wurde der Audi 100 zum A6.

Audi 100 C4 (1990-1994)

Audi 100 C4 (1990-1994) Zoom

Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass der C4 der beste Audi 100 aller Zeiten war. Schließlich war er der letzte Audi 100. Qualitativ war er auf Langlebigkeit ausgelegt, Rost ist dank der Vollverzinkung selten.

Trotzdem ist der C4 nicht mehr so häufig im Alltag anzutreffen: Viele wanderten aus nach Osteuropa, zumal die bei uns irgendwann verpönten Diesel. Ein 2,4-Liter-Saugdiesel mit 82 PS und der ungleich beliebtere 2.5 TDI mit 115 PS waren seit 1991 im Programm. 

Und schließlich killte die Abwrackprämie manch schönes Stück aus Rentner-Garagen. Dort findet man mit Glück noch heute gepflegte Audi 100, meist milde 2,0-Liter-Vierzylinder mit 101 oder 115 PS, gerne auch mit Vier-Stufen-Automatik. 

Ungleich interessanter für Youngtimer-Freunde sind der 2.3 E mit Fünfzylinder und 133 PS sowie die beiden V6: 2.6 E mit 150 PS und der bereits erwähnte 2.8 E mit 174 PS. Letzterer kann sich auch heute noch sehen lassen: 8,0 Sekunden auf Tempo 100 und 245 Newtonmeter bei 3.000 U/min sind ein Wort.

Audi 100 C4 (1990-1994)

Audi 100 C4 (1990-1994) Zoom

Wie solide der Audi 100 (C4) war und ist, zeigt ein Zitat des früheren Audi-Entwicklungsvorstands Jürgen Stockmar aus dem Standardwerk über den 100 von Andreas Bauditz und Michael Modrow (antiquarisch erhältlich): Während der Heißlanderprobung in der Sahara ging gar nichts kaputt. 

Weitere Klassiker der Zukunft:

BMW 5er (E39) (1995-2004): Klassiker der Zukunft?
Opel Corsa B (1993-2000): Klassiker der Zukunft?

Nun, das kann heute nach bis zu 30 Jahren schon passieren und auch die Ersatzteillage ist nicht immer optimal. Aber es lohnt sich, den letzten Audi 100 aufzuheben. Produziert wurden genügend: 493.202 Fahrzeuge bis 1994, davon 381.836 Limousinen und 111.366 Avant. Selten und gefragt sind natürlich die S4, nur selten die Diesel. Meistgebaute Motorisierung war der 2.3 E.

Fazit: 6/10

Für den letzten Audi 100 spricht seine Zeitlosigkeit, gegen ihn aber auch. Dank Vollverzinkung sind die Audis jener Zeit langlebig, was man in Osteuropa schon lange erkannt hat. Trotz aller Qualitäten genießen Youngtimer mit den vier Ringen meist nicht den Kultfaktor von gleichalten Mercedes und BMW. Genau hier liegt die Chance für Kenner. Das Projekt Audi 100 plus H-Kennzeichen kann beginnen. Worauf warten Sie noch? 

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