• 20.07.2024 10:52

  • von Benja Hiller

30 Jahre Audi A4: Die Geschichte vom Ingolstädter B-Typ

Von B5 bis B9: 30 Jahre hat der Audi A4 inzwischen auf dem Buckel - ein Rückblick

(Motorsport-Total.com/Motor1) - 30 Jahre Audi A4? Wirklich? Ich habe wahnsinnige Probleme damit, die Autos meiner Jugend als heranwachsende Klassiker oder gar Oldtimer zu identifizieren. Hab ich nicht gefühlt gestern noch daran rumgeschraubt? Sind die Teile nicht vielmehr gute junge Gebrauchte?

Titel-Bild zur News:

Audi A4 alle Generationen seit 1994 Zoom

Und jetzt sitze ich hier und schreibe die 30-jährige Geschichte eines Modells auf, das auf mich noch so jung und frisch wirkt, als hätte ich mir noch gestern mit meinem Dad die Nase an der Scheibe des örtlichen Audi-Autohauses plattgedrückt, während der träumerisch davon schwärmt, wie es wohl sei, so ein Auto als Familienkutsche zu bewegen - natürlich als Kombi.

Aber gut, mit dem Altern müssen wir alle allein klarkommen. Bevor Audi jedoch auf die fossil betriebenen Varianten ihres meistproduzierten Modells ein A5 pappt, schauen wir auf 30 Jahre Audi A4. Es klingt auch beim zweiten Mal schreiben absurd. Aber gut, was soll's. Immerhin bin ich mit diesem Gedanken nicht ganz allein.

Audi A4 B5 (der 80-Erbe)

Und um uns alle ein wenig zu beruhigen: auch Audi kann nicht so richtig loslassen. Nicht nur von den fossilen Antriebsvarianten, sondern auch damals vom Audi 80. Denn schon im November 1994 stellen die Ingolstädter den A4 als Nachfolger vor. Doch es brauchte einige Jahre mehr, bis sie sich auch vollends vom Typ B4 mit 826.000 verkauften Exemplaren lösen konnten.

Der Avant wurde noch bis Dezember 1995 produziert, das Audi Coupé bis Ende 1996. Und das Cabrio? Kurz festhalten: Erst im September 2000 war Schluss mit dem zeitlosen Klassiker. Ganze sechs Jahre nach A4-Vorstellung.

Audi A4 B5 Avant

Audi A4 B5 Avant Zoom

Der A4 B5 war jedoch nicht nur eine Namensänderung, wie es zeitweise beim A6 der Fall war. Er löst designtechnisch das angestaubte 1980er-Jahre-Kleid des Audi 80 ab. Deutlich rundere Proportionen, mehr Mut zu Knicken und Kanten, wie der über den Rückleuchten am Heck der Limousine. Zwar gab es im Innern kaum mehr Platz gegenüber dem Vorgänger, dafür ist das Reisen nun in der Zukunft angekommen.

Denn auch ein komplett neues Fahrwerk mit Vierlenker-Vorderachse wandert in Audis neue Mittelklasse. Wer das im Vergleich noch nicht gefahren ist, es war auch fahrdynamisch ein enormer Schritt hinaus aus den 1980er-Jahren. Knackig, sportlich, direkt. Wenn auch nicht gerade wartungsfreundlich: denn die vier Querlenker neigen dazu, eine innige, nicht lösbare Verbindung mit dem Achsschenkel einzugehen. Die Folge: alles muss raus! Kleiner Hinweis also für die liebäugelnden Klassiker-Liebhaber: Das kann teuer werden.

Audi A4 (1994-2001) im Fahrbericht

Audi A4 (1994-2001) im Fahrbericht Zoom

Zum Start 1994 gibt es drei Vierzylinder-, zwei Sechszylinder-Ottomotoren und einen Vierzylinder-Dieselmotor mit jeweils Front- oder wahlweise Allradantrieb. Darunter schon ab Start der markante 1,8-Liter-Turbo-Fünfventiler mit 150 PS. Erst 1997 gesellt sich auch der 2,5-Liter-Sechszylinder-Diesel ins Portfolio.

Erst Anfang 1996 löst dann auch der A4 Avant den Audi 80 als Kombivariante ab, den mein Dad dann so lechzend anhimmelte. Etwas sportlicher wird es ein Jahr später mit dem S4, der RS4 Avant stößt erst im Juni 2000 mit 2,7-Liter-Bi-Turbo-V6 und stattlichen 380 PS zur A4-Gemeinde. Über die gesamte Zeitspanne von sieben Jahren Bauzeit, bringt Audi nur Modellpflegedetails, bevor der B5 Ende 2000 erneut allmählich vom B6 abgelöst wird. Fast 1,7 Millionen B5-Varianten wurden am Ende auf den Markt untergebracht.

Audi A4 B6 (der "kleine" A6)

An der Front nur zaghaft geändert, passt sich vor allem die höhere seitliche Gürtellinie und das Heck den Linien des A6 an. Der Knick verschwindet und weicht zugunsten eines rundlicheren Wagenabschlusses. Beim Vorgänger stets bemängelt, wachsen in dieser Generation auch die Außenmaße um ein paar Zentimeter. Der Avant folgt 2001 der angepassten Designsprache.

Audi A4 B6 Avant

Audi A4 B6 Avant Zoom

Die Vierlenker-Vorderachse wird überarbeitet, mit Aluminium als Werkstoff spart Audi hier zusätzlich über acht Kilo Gewicht. Die Verbundlenkerhinterachse weicht zugunsten einer Doppelquerlenker-Hinterachse mit Einzelradaufhängung, die zuvor dem Quattro vorbehalten war. Erstmals wanderte das stufenlose "Multitronic"-Automatikgetriebe für die Fronttriebler in die Auswahllisten.

Weitere Verbesserungen gibt es zudem bei Sicherheit, Bremssystem, Geräuschdämmung, Steifigkeit und Ausstattung. So rutschen Kopfairbags beispielsweise in die Serienversionen. Die Motorenpalette ergänzen ein 2,0-Liter-Vierzylinder mit 130 PS und ein 3,0-Liter-V6 mit 220 PS. Jeweils mit der aus dem B5 bekannten Fünfventiler-Technik.

Nachdem das Audi 80 Cabriolet bis ins neue Jahrtausend durchgehalten hatte, wird es 2002 endlich von einer A4-Variante vom Karosseriebauer Karmann beerbt und in Rente geschickt. Ganze acht Jahre nach der Limousine. Heute vermutlich kaum noch vorstellbar.

Erneut überarbeitet Audi den B6 kaum. Ende 2003 wird das Navi inklusive Technik überarbeitet, die optionalen Xenon-Scheinwerfer werden durch Bi-Xenon-Technologie ersetzt. Die im Herbst 2004 folgende Modellpflege nennen die Ingolstädter kurzerhand direkt B7. Mit 108.595 Einheiten war 2001 das erfolgreichste Verkaufsjahr des A4 in Deutschland.

Audi A4 B7 (der mit dem Kühlergrill)

Der weit in den Stoßfänger hinuntergezogene Singleframe-Kühlergrill feiert Ende 2004 im A4 seine Premiere. Die vorderen Scheinwerfer zogen sich nun schlank zulaufend bis in die Seitenlinie. Die knubbeligen A6-Heckleuchten verschwinden wieder. Die neue Variation ist schmaler und zweiteilig auch noch in der Heckklappe wiederzufinden. Im Innern ändern sich gegenüber dem Vorgänger nur Lenkrad, Sitze und die Zeiger des Kombiinstruments.

Erneut bastelt Audi an Verbesserungen des Fahrwerks, der Lenkung, der Bremsen und der Sicherheitseinrichtung - Serien- und Sonderausstattung bleiben weitestgehend unverändert. Neu hinzu kommen lediglich das adaptive Kurvenlicht, ein Regensensor und eine automatisch öffnende Heckklappe.

Audi A4 B7 Limousine

Audi A4 B7 Limousine Zoom

Die Motorenpalette erhält einen neuen 2,0-Liter-Ottomotor mit Turboaufladung und 200 PS, der den 1,8er ablöst und einen neu entwickelten 3,2-Liter-Sechszylinder mit 255 PS, der beide älteren Varianten ersetzt. Für die Dieselfraktion werden ein neuer 2,0-Liter mit 170 PS und ein 3,0-Liter mit 204, später 233 PS angeboten. Auch der beliebte 2,5-Liter TDI wird von einer 2,7-Liter-Variante mit 180 PS in die wohlverdiente Rente geschickt.

Mitte der 2000er manifestiert sich dann langsam ein Bewusstsein für Klimafragen in den gesellschaftlichen Debattenkulturen, weshalb Audi Ende 2005 einen Rußpartikelfilter in das Programm aufnimmt, ehe dieser schon Anfang 2006 in die Serie wandert. 2007 führen diese Debatten ebenfalls zur Vorstellung des 2,0-Liter TFSI e. Kleines E für "economy" - so einfach war das damals. Schaltanzeige im Kombiinstrument, ein lang übersetzter sechster Gang, Aluhaube, Leichtlaufreifen, ein wenig Aero und "you're good to go". Der TDI e erhält das selbe "Umweltpaket".

Aber es half: 2007 war der A4 nicht nur das meistproduzierte Fahrzeug des Unternehmens, er lag gleich auf Platz 4 der deutschen Zulassungsstatistik hinter den Dauerverkaufsschlagern VW Golf, VW Passat und BMW 3er. Noch ein Fun Fact gefällig? Der 2005 vorgestellte RS 4 mit inzwischen 420 PS kostete damals schlanke 69.900 Euro. 2006 gibt es den sogar als Cabrio. Anfang 2008 ist dann aber schon wieder Schluss mit dieser "Facelift-Reihe", der B8 übernimmt das Zepter.

Audi A4 B8 (der Gewerbeliebling)

Der A4 der vierten Generation feiert seine Premiere 2007 auf der IAA, als diese noch groß und pompös in Frankfurt gastiert. Der Avant folgt Anfang 2008 auf dem Genfer Autosalon. Der intern B8 genannte A4 folgt dem A5 auf den VW-Gruppenbaukasten, die MLB-Plattform - mundgerecht auch "Modularer Längsbaukasten" genannt.

Das äußere Design ist auch im vierten Anlauf eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Der große Kühlergrill bleibt, die untere Front bekommt markantere Ecken und Kanten mit aerodynamischem Kniff. Front und Heckscheinwerfer entspannen sich wieder etwas, die Außenspiegel kommen nun mit integrierten Seitenblinkern daher.

Audi A4 B8 Limousine

Audi A4 B8 Limousine Zoom

Noch einmal legt der A4 fast elf Zentimeter in der Länge und fünf Zentimeter in der Breite zu. Im Innern gibt es vieles, das bereits aus dem A5 bekannt ist. Die Mittelkonsole orientiert sich Richtung Fahrer, zentral im Cockpit erscheint jetzt je nach Naviausstattung ein 6,5- oder 7-Zoll-Bildschirm. Wegen des A5 muss beim B8 auch das A4 Cabriolet wieder den Löffel abgeben.

Erstmals bietet Audi Ausstattungspakete namens Attraction, Ambition und Ambiente als Basis-, Sport- und Komfort-Version an. Auch "Audi drive select" ist eine Neuheit. Mit dieser lassen sich Gaspedalkennlinie, Automatikgetriebeabstimmung und Servolenkungsunterstützung individuell einstellen. Durch ein Fahrwerkspaket mit elektronischer Stoßdämpferregelung auch in der Härte.

Ebenfalls optional: Eine im Lenkwinkel einstellbare Lenkung, die in Gefahrensituationen selbst das Zepter übernimmt. Klingt nach langsam einkehrendem Fahrhilfenzeitalter? Stimmt, Spurhalteassistent, Spurwechselassistent und Abstandsregeltempomat stehen zudem auf der Aufpreisliste.

Durch eine Neuanordnung wandert die Vorderachse 15 Zentimeter weiter nach vorne. Die Folge: verbesserte Fahrdynamik und Gewichtsverteilung, besserer Fußgängerschutz und ein längerer Radstand. Ein neu entwickelter 1,8-Liter-Turbomotor mit 160 PS läutet den Klang vom gemächlichen Downsizing ein.


Fotostrecke: Audi A4 alle Generationen seit 1994

Der überarbeitete 3,2-Liter-Sechzylinder entfiel mit einem Facelift im November 2011 gänzlich. Der 2,0-Liter-Diesel erhielt Common-Rail-Einspritzung. Das ikonische Pumpe-Düse-Aggregat ist tot. Anfang 2009 feiert das neue Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen Premiere.

Durch eine weitere Modellpflege 2013, auch wegen anstehender Euro-6-Normen, wird der Lebenszyklus des A4 gegenüber den vorherigen Generationen deutlich verlängert. 2014 wurden 88,1 Prozent aller in Deutschland verkauften Audi A4 gewerblich zugelassen. Doch nicht nur der A4 war zu dieser Zeit ein absoluter Gewerbeliebling. 87,6 Prozent aller A4 wurden im selben Jahr mit einem Dieselmotor ausgeliefert. Noch so ein Fakt, der inzwischen fast unmöglich klingt. Erst 2015 übernimmt die letzte fossile Generation, der B9.

Audi A4 B9 (der Preisträger)

Aus MLB-Plattform wird MLB-Evo-Plattform. Der im Juni 2015 vorgestellte B9 ist mit seinen 4,73 Meter inzwischen gute 30 Zentimeter länger und zehn Zentimeter breiter als die erste A4-Generation. Das waren 1994 noch nahezu die Ausmaße des A6. Ein Novum gibt es in der langen Geschichte dennoch: erstmals werden Avant und Limousine gleichzeitig ausgeliefert.

Audi A4 B9 Avant

Audi A4 B9 Avant Zoom

Der Singleframe-Kühlergrill ist jetzt weiter nach vorne ausgestellt. An seinen Kanten beginnt nun schon die Seitenlinie, an der sich auch die Scheinwerfer orientieren. Die Aerodynamik bedankt sich und lässt den Wind entspannt in Richtung Heck gleiten. Dort erhalten die Heckleuchten abermals ein schlankeres Antlitz. Damit gewinnen die Ingolstädter noch im selben Jahr das Goldene Lenkrad in der Mittelklasse.

Mehr Änderungen gibt es im Innenraum. Blickfänger ist jetzt der zentral auf dem Armaturenbrett stehende 7- oder 8,3-Zoll fassende Infotainmentbildschirm. Über eine zusätzliche Schalterreihe können die wichtigsten Fahrzeugfunktionen eingestellt werden. Je nach Ausstattung ist neben Dreh- und Drücksteller auch die Bedienung über eine Joystick- und Touchpad-Funktion möglich. Die Grundausstattungslinien heißen jetzt A4, A4 Sport und A4 Design.

Audi A4 B9 Limousine

Audi A4 B9 Limousine Zoom

Xenon und Tagfahrlicht wandern in die Serie, optional stehen LED- oder Matrix-LED-Scheinwerfer zur Verfügung. Das analoge Kombiinstrument hat ausgedient und wird durch einen 12,3-Zoll großen LCD-Bildschirm ersetzt. Kopplung via Blutooth, Apple CarPlay und Google Android Auto zeugen von einem neuen Zeitalter. Der Notbremsassistent ist jetzt in der Serie wiederzufinden. Head-Up-Display, Verkehrszeichenerkennung und Einparkassistent werden optional angeboten.

Ansonsten dominieren Gewichtsreduktion und Optimierungsmaßnahmen. Ein neuer 1,4-Liter-Turbovierzylinder erzählt von Effizienz, eine Erdgas betriebene Variante von alternativen Kraftstoffen. Multitronic ist passé, es lebe hoch das Doppelkupplungsgetriebe.

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2018 und 2019 warten Aufwertung und Modellpflegemaßnahmen. Alle Benziner werden mit 12-Volt-Mildhybrid-System ausgestattet, Kombiinstrument und Infotainment wachsen erneut in ihren Ausmaßen. Es können jetzt einzelne Abomodelle für die Ausstattung dessen abgeschlossen werden. Mit dem ursprünglichen A4 B5 hat der A4 B9 nur noch den Namen gemein.

Die Evolution wird 2024 zur Revolution. Der A4 wird bald rein elektrisch unterwegs sein, die Hybriden werden als Superverbrenner zum A5 - vorerst. Und mein Dad? Der drückt sich noch immer die Nase am Autohausfenster platt, obwohl seine Familie schon längst auf eigenen Rädern fährt.

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