100.000 Rennkilometer mit GT3-Audi: So gelang das Kunststück
Die equipe vitesse schrieb 2024 auf der Nürburgring-Nordschleife Geschichte: Die Geschichte des Audi R8 LMS GT3, der 100.000 Rennkilometer überlebte
(Motorsport-Total.com) - Es ist eines der letzten klassischen Gentleman-Teams in der Spitzenklasse SP9 auf der Nürburgring-Nordschleife. Die equipe vitesse tritt als eines der wenigen Teams noch konsequent in der Klasse SP9 Am an. Der meist mit Bronze-Fahrern besetzte Audi R8 LMS GT3 hat in diesem Jahr bereits im Zeittraining zur NLS1 die Schallmauer von 100.000 Kilometern durchbrochen.

© equipe vitesse
Die equipe vitesse durfte schon vor dem ersten NLS-Lauf 2024 jubeln: 100.000 Kilometer mit einem GT3-Rennwagen! Zoom
Diese Laufleistung erreichen während ihres aktiven Rennlebens nur ganz wenige Rennwagen überhaupt. Dass davon mehr als 40.000 Kilometer auf der Nürburgring-Nordschleife absolviert wurden, macht diese Leistung noch beeindruckender.
Das Fahrzeug ist einer der ersten Audi R8 LMS GT3 der zweiten Generation. Er wurde im November 2015 an Johannes Kirchhoff und das Team Car Collection Motorsport ausgeliefert.
Es handelt sich um das Chassis #AS4SAFGT201600032. Teammanagerin Jil Herbst erklärt gegenüber Motorsport-Total.com, dass das nicht bedeutet, dass es sich um das 32. Chassis handelt: "Damals durfte man sich eine Nummer aussuchen. Car Collection wollte zu der 33 eine angrenzende Nummer. Die 34 [die Startnummer für die 24h-Series] war schon vergeben, so ist es die 32 geworden."
Andreas und Jil Herbst arbeiteten damals noch für Car Collection. An 100.000 Kilometer hätten wohl die wenigsten gedacht, als der Audi bei seinem ersten Renneinsatz bei den 24 Stunden von Dubai gleich den dritten Platz in der GT3-Amateurklasse belegte. Es folgten zwei weitere Podiumsplätze bei den 24 Stunden von Le Castellet 2016 und den 24 Stunden von Dubai 2017.
2017 gründete Andreas Herbst das Team equipe vitesse, während der Audi weiterhin von Car Collection Motorsport eingesetzt wurde. Höhepunkte dieser Herbst-losen Zeit waren Klassensiege bei den 24 Stunden von Austin 2017, den 12 Stunden von Silverstone 2018 und den 12 Stunden von Navarra 2018.

© Jil Herbst
Der fabrikneue Audi bei seiner Auslieferung Zoom
Da das Fahrzeug in der 24h-Serie eingesetzt wurde, sammelte es schnell viele Kilometer an. Mit einer Laufleistung von 67.030 Kilometern verkaufte Kirchhoff das Fahrzeug an die equipe vitesse. Ab dem vierten VLN-Lauf 2019 (heute NLS) wurde die Nürburgring-Nordschleife zur neuen Heimat des Boliden. Michael Heimrich und Arno Klasen holten auf Anhieb den Titel in der Klasse SP9 Am.
Die 100.000 fällt beim ersten Qualifying
Einen ganzen Winter lang musste die equipe vitesse auf den großen Moment warten. Und wie es der Zufall so will, kam der Audi nach den Einstellfahrten am Freitag vor NLS1 2024 mit einem Kilometerstand von 99.999 an die Box. Im morgendlichen Zeittraining am Samstag sprang der Kilometerstand dann auf die magische 100.000.
"Die Reaktionen waren der Wahnsinn. Niemals hätten wir mit so viel Zuspruch gerechnet. Weshalb wir uns dazu entschieden haben, den 100.000-KM-Aufkleber auf dem Auto zu lassen", sagt Jil Herbst. "Es gab nicht einen Tag, an dem wir nicht darauf angesprochen wurden und wir freuen uns immer sehr, die Geschichte des Fahrzeugs den Fans zu erzählen."
Nach dem Opel Manta, dessen Karosserie auf einem Serienfahrzeug basiert, hat nun der Audi als reinrassiger Rennwagen diese Marke geknackt. Doch wie ist es möglich, ein vollwertiges Rennauto so lange in Schuss zu halten?
"Der Audi wurde fast ausschließlich von Gentlemen in Langstreckenrennen gefahren, wodurch er auch deutlich mehr geschont wurde als ein DTM-Fahrzeug", erklärt Herbst. "Wir setzen viel Wert auf die regelmäßige Durchsicht der Fahrzeuge und sind vielleicht etwas altmodisch: Bei uns wird noch repariert statt nur ausgetauscht."
"Und dann liegt es ja auch an den Fahrern, dass sie alles ganz lassen - wir versuchen es ihnen mit einem passenden Set-up und der richtigen Strategie so leicht wie möglich zu machen."
Materialschonend unterwegs
Nichts unterstreicht dies besser als das denkwürdige 6-Stunden-Rennen Anfang August: Während die sieben führenden GT3-Fahrzeuge im strömenden Regen allesamt auf Slicks abflogen, war der equipe-vitesse-Audi eines von zwei GT3-Fahrzeugen, das unbeschadet davonkam. Arno Klasen waren bereits Regenreifen aufgezogen worden.
"Wir sind selbstverständlich auch mit Slicks gestartet, aber haben schließlich nach der ersten Runde aufgrund einer fast einstimmigen Teamentscheidung auf Regenreifen gewechselt - lediglich unser Fahrer Arno war dagegen, informierte uns aber schon nach der Boxenausfahrt über unsere richtige Entscheidung" erinnert ich Herbst.
"Zu dieser strategischen Entscheidung haben bei uns klare Faktoren gezählt, die auch all den anderen Teams zur Verfügung standen. Die rote Flagge aufgrund der blockierten Strecke durch den Massenunfall war für uns mehr als unglücklich. Wir wagen mal anzunehmen, dass wir bei Fortführung des Rennens als einzige auf Regenreifen einen enormen Vorsprung ausgefahren hätten."

© VLN
Der Audi hat zwölf 24h-Rennen, zwei Update-Pakete und 40.000 Nordschleifen-Kilometer hinter sich Zoom
Durch den Abbruch fiel der Audi aber hinter den siegreichen Haupt-Mercedes und einige Cup-Porsche zurück: "Die Cup2-Fahrzeuge haben pro Boxenstopp im Schnitt 30 Sekunden geringere Mindeststandzeiten, fahren aber sehr ähnliche Rundenzeiten. Viele der Cup2-Pro-Fahrzeuge sind mit Profis besetzt, hier ist es mit Amateuren schwer, über eine Minute herauszufahren. Zumal die 992 Cup auf der Geraden schneller sind als wir."
Eine Saison, eine SP9-Am-Meisterschaft und einen Goodyear-Wingfoot-Award später stehen 107.254 Kilometer auf dem Tacho, davon 40.224 auf der Nürburgring-Nordschleife. Bemerkenswert ist, dass das Chassis erst einmal am 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring teilgenommen hat - im Jahr 2022.
Besorgt in die Zukunft: "Es wird schwieriger"
Ein Ende ist erst einmal nicht in Sicht - außer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen einen Einsatz unmöglich. Und hier ist Jil Herbst kritisch: "Es ist schwieriger denn je. Die Kosten sind gerade in den letzten zwei Jahren exorbitant angestiegen. 25 Prozent sind hier das Mindeste. Das ist in Zeiten, in denen jeder [potenzielle Sponsor] sparen muss, nicht von Vorteil."
"Ich bin jetzt schon sehr lange im Motorsport, aber gerade in den vergangenen zwei bis drei Jahren ist das Miteinander im Fahrerlager viel rauer geworden. Das Fairplay fehlt immer mehr und wir mussten feststellen, dass Mitbewerber gezielte Maßnahmen ergreifen, um Kunden für ihre Angebote zu gewinnen."
Als Maßnahme will die equipe vitesse 2025 in die italienische GT-Meisterschaft expandieren, weil dort noch Motorsport zu "Kosten, die wir in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr haben" möglich ist. Sie ersetzt für die equipe vitesse das eingestellte GTC Race.
Das ADAC GT Masters ist zwar auf dem Radar. Jil Herbst lobt den ADAC: "Die Jungs und Mädels vom ADAC gehen hier sehr auf die Vorschläge der Teams ein und kommen mit ihrem neuen Konzept ein bisschen 'back to the roots‘ und schaffen wieder mehr Attraktivität für Amateure." Das erforderliche Budget ist für einen Start derzeit dennoch momentan zu hoch.


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