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  • 03.04.2010 19:27

  • von Pete Fink

Wie die kleine NASCAR nach Deutschland kommt

Ein NASCAR-Rennen wird es in Deutschland kaum geben, aber Marcus Schareina und SCOM-Racing bringen zumindest die kleine NASCAR ins Land

(Motorsport-Total.com) - Bis vor wenigen Jahren führte die NASCAR in Deutschland ein absolutes Mauerblümchendasein. Wenn Daytona, Talladega und Co. überhaupt ein Thema waren, dann wurde in erster Linie über die Piloten gelästert, die offenbar nur in der Lage waren, Linkskurven zu fahren. Selbst vermeintliche Fachmagazine titelten vielsagend und in geradezu selbstherrlicher Unkenntnis von "Plastikbombern in Suppenschüsseln."

Titel-Bild zur News: Marcus Schareina Scom Racing

Marcus Schareina und SCOM bringen die Mini-NASCAR nach Deutschland

Was in den USA zu einem absoluten Motorsportgiganten herangewachsen war, erntete hierzulande nur ein mitleidsvolles Lächeln. Veraltete Technik, nur schwer nachvollziehbare Regeln - Unverständnis war an der Tagesordnung. Lediglich eine Handvoll sogenannter "Die-Hard-Fans" hielt die NASCAR-Fahne hoch.#w1#

Das änderte sich ab dem Sommer 2006 schlagartig. Erst Juan Pablo Montoya und später so prominente Fahrerkollegen wie Jacques Villeneuve oder Dario Franchitti wechselten zur allgemeinen Überraschung der europäischen Motorsportgemeinde in die NASCAR. Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz hob gar ein eigenes Team aus der Taufe. Wohl wissend, welch riesigen Markt er sich damit eröffnete. Und plötzlich stieg das Interesse auch in Deutschland eminent.

Einer, der diese Entwicklung am eigenen Leib verspürte, ist Marcus Schareina. Der 36-jährige Niedersachse aus Alfeld ("Das liegt etwa auf halbem Weg zwischen Hannover und Göttingen") betreibt seit 2008 eine eigene Firma mit dem Namen SCOM-Racing. Sein Tätigkeitsgebiet besteht darin, die NASCAR nach Deutschland zu holen. Im Kleinen. Und Schareina ist genau einer aus dem Kreis der NASCAR-Verrückten.

Stroker Ace und Cars

"1983 war ich als kleiner Steppke vom Film 'Stroker Ace' mit Burt Reynolds fasziniert", erzählt Schareina. In dieser Actionkomödie im NASCAR-Milieu spielt Reynolds einen erfolgreichen NASCAR-Piloten, der - sehr zu seinem Leidwesen - aus Werbezwecken für seinen Sponsor in einem Hühnerkostüm auftreten muss. Daher auch der deutsche Titel "Der rasende Gockel."

Dale Earnhardt Jr. Richmond 2006

Mit dem roten DEI-Chevrolet von Dale Earnhardt Jr. begann alles Zoom

Für den damals Neunjährigen bedeutete dies den ersten Kontakt zur NASCAR. Das Feuer brennt heute noch. Auch die glorreichen Zeiten, als 'Eurosport' in den 1990er Jahren die NASCAR nach Europa übertrug, sind ihm noch in allerbester Erinnerung. Doch es war ein anderer Film, der ihn letztlich auf seine Geschäftsidee brachte.

"Wir waren im Kino und haben uns 'Cars' angesehen", erzählt Schareina. "Nach der Vorstellung fragte mich mein Sohn Colin (das C im Firmennamen SCOM; Anm. d. Red.), ob es das Auto von Dale Earnhardt Jr. denn auch in echt gäbe. Ich antwortete mit 'Ja' und Colin wollte dieses Auto unbedingt haben."

Also machte sich Schareina in den USA auf die Suche nach einem Händler. Und weil der gelernte Systemtechniker, der heute im Vertrieb arbeitet, auch über einen gesunden Geschäftssinn verfügt, bestellte er sich gleich mehrere Exemplare. "Die gingen weg wie die warmen Semmeln", lacht der Jungunternehmer. "Das war die eigentliche Geburtsstunde von SCOM-Racing."

Via eBay zum Zoll

Was folgte, waren unzählige Gespräche über den großen Teich. Seine damalige Verkaufsplattform war zunächst das Internetauktionshaus eBay. Schareina verkaufte die NASCAR-Modelle reihenweise quasi aus dem Nichts, aber die größten Probleme bestanden im Nachschub und in der Verzollung.

Sprint Cup Logo

Natürlich stammen Schareinas Artikel alle aus dem offiziellen NASCAR-Fundus Zoom

"Zum einen wollte ich natürlich bessere Preise. Zum anderen kam irgendwann der Punkt, an dem mir die Herren vom Deutschen Zoll verständlicherweise sagten, dass diese Warenmengen keinen Eigenbedarf mehr darstellen würden. Sie wollten einen Gewerbeschein sehen. Also ging ich zu meinem Chef und fragte ihn, ob ich ein Nebengewerbe eröffnen könne."

Der stimmte glücklicherweise zu und so lautet der offizielle Gründungstermin von SCOM-Racing auf den 1. Mai 2008. "Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen: Mein erstes NASCAR-Auto hatte ich via eBay erst im Februar 2008 verkauft. Die ganze Sache ist geradezu explodiert."

Seine genauen Bezugsquellen in den USA will er selbstverständlich nicht nennen. "Fakt ist aber, dass alle meine Lieferanten im Besitz einer offiziellen NASCAR-Lizenz sind. Auch alle einzelnen Produkte sind zu 100 Prozent offizielle NASCAR-lizensierte Ware." Mittlerweile steht Schareina natürlich mit der Merchandise-Abteilung der NASCAR selbst in engem Kontakt.

Kunden in ganz Europa

"2008 ging es dann ab wie Schmidts Katze", erinnert er sich. "Zunächst habe ich hauptsächlich Modellautos importiert. Erst 2009 habe ich mich dann getraut, auch an Zubehörartikel wie Aufkleber, Textilien oder Caps heranzugehen." Diese Entwicklung wird von seinen Zahlen untermauert. Hatte er Ende 2008 noch 88 Artikel im Sortiment, so waren es ein Jahr später knapp 300. Heute sind es über 500 verschiedene Artikelgruppen. Von Montoya bis Danica Patrick, von Kyle Busch bis Jeff Gordon. Nur NASCAR selbstverständlich.

Danica Patrick

Einer der Bestseller: Danica Patricks giftgrüner Nationwide-Chevy Zoom

Mittlerweile hat SCOM-Racing etwa 250 Kunden aus ganz Europa. "Wir verschicken NASCAR-Artikel von Madrid bis Wales und von Dänemark bis Italien." An Privatleute ebenso wie an Firmenkunden. Vor allem an deutsche Dependancen von US-Firmen, die in der NASCAR als Hauptsponsoren auftreten, die aber - aus welchen Gründen auch immer - ihre eigenen Sachen nicht im US-Hauptquartier bestellen können.

"Die hören aus den USA immer: Seht zu wie ihr das macht, das ist euer Bier", erzählt Schareina. Zum Beispiel wird es im mitteleuropäischen Raum bald ein Fast-Food-Restaurant geben, das nur die NASCAR zum Thema hat, also komplett mit NASCAR-Utensilien bestückt und dekoriert ist. SCOM-Racing lieferte die Autos, die Shirts und die Caps.

In der Nische mitwachsen

Als eines seiner Erfolgsgeheimnisse bezeichnet er den offenen Umgang mit seinen Kunden. "Ich gehe auf meine Leute zu. Ich frage sie nach ihren Wünschen: Was würde Euch gefallen? Welche Artikel hättet ihr gerne in meinem Sortiment." Das führt zu einer großen Kundenzufriedenheit. "Ein einfacher Schüler wird bei mir genauso behandelt, wie ein Großkunde. Es ist nicht mein Streben, ein Teil der Servicewüste Deutschland zu sein."

Marcus Schareina Scom Racing

Vom Fan zum Unternehmer: Marcus Schareina hat noch viel Arbeit vor sich Zoom

So ist es nachvollziehbar, dass der NASCAR-Fan Schareina ein ganz großes Ziel vor Augen hat. "Irgendwann möchte ich das hauptberuflich machen können. Ich will SCOM-Racing soweit ausbauen, dass ich davon leben kann. Aber das dauert noch." Nach zwei Jahren zieht der 36-Jährige trotzdem eine "extrem zufriedene Zwischenbilanz. Es ist ausbaufähig bis zum Umfallen."

In seinem Sortiment finden sich vereinzelte Dragster-Modelle. An die Formel 1 verschwendet er "überhaupt keinen Gedanken." IndyCars? "Da bin ich am Überlegen. Gleiches gilt für die australische V8-Supercar-Serie." Doch das Kerngeschäft ist und bleibt die NASCAR. "Klar ist das nach wie vor eine Nische", weiß Schareina. "Aber diese Nische wird immer schneller immer größer. Und ich möchte mitwachsen."