• 20.10.2009 13:02

  • von Stefan Ziegler

Turkington im Interview: "BMW ist eine große Hilfe"

BTCC-Titelträger Colin Turkington im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über seinen Triumph in Brands Hatch und den Lockruf der Tourenwagen-WM

(Motorsport-Total.com) - Während die BMW Piloten in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) starke Wochenenden in Japan und Macao benötigen, um SEAT die WM-Titel noch streitig zu machen, hat es Colin Turkington in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC) bereits vorgemacht, wie man Titel gewinnt: Der nordirische Rennfahrer sicherte sich im BMW 320si vom Team RAC den Gesamtsieg in der heiß umkämpften Serie und ließ einige prominente Konkurrenten hinter sich. Jetzt träumt der 27-Jährige von der WM.

Titel-Bild zur News: Colin Turkington

Colin Turkington darf jubeln: Er holte sich den Titel in der konkurrenzfähigen BTCC

'Motorsport-Total.com' sprach mit dem sympathischen Rennfahrer über die spannende Schlussphase in der BTCC und die entscheidenden Stationen seiner Saison - erst im letzten Rennen von Brands Hatch fiel die Titelentscheidung zugunsten des Piloten aus Portadown. Ob Turkington allerdings auch im kommenden Jahr in der BTCC unterwegs sein wird, konnte er im exklusiven Interview noch nicht sagen.#w1#

Das große Ziel ist erreicht

Frage: "Colin, sprechen wir zunächst über deinen Meistertitel: Du hast die BTCC 2009 für dich entschieden. Wie fühlt sich das an?"
Colin Turkington: "Ich kann dir sagen: Das fühlt sich einfach fantastisch an! Ich fahre nun schon acht Jahre lang in dieser Rennserie. Das ist eine lange Zeit. Das war schon immer mein Ziel, seit ich mit dem Kartsport angefangen habe. Da steckt eine Menge harter Arbeit drin - und endlich haben wir unser Ziel erreicht. Das ist ein großartiges Gefühl!"

Colin Turkington

Hier feiern die Sieger: Das RAC-Team bejubelt den Erfolg von Colin Turkington Zoom

Frage: "Du bist der erste Nordire, dem es gelungen ist, den BTCC-Titel zu erobern. Bedeutet dir das etwas?"
Turkington: "Ja, das bedeutet mir schon sehr viel. Hoffentlich verschafft das dem Rennsportnachwuchs meines Landes eine gewisse Portion Motivation, mir nachzueifern. Der irische Motorsport spielt sich hauptsächlich in der Rallyeszene ab, und auch der Motorradsport ist groß. Autorennen spielen in Irland eher eine Nebenrolle. Zumindest sehen die Jungs jetzt, dass es möglich ist."

Frage: "Letztendlich hast du den Titel mit fünf Punkten Vorsprung geholt. Es war eine extrem knappe Entscheidung. Wie hast du es beim Saisonfinale in Brands Hatch geschafft, cool zu bleiben?"
Turkington: "Das war keineswegs einfach - vor allem nicht im letzten Rennen. Fabrizio Giovanardi lag unmittelbar hinter mir, und Jason Plato fuhr direkt vor mir. Es war sehr schwierig, dieses Rennen zu bestreiten."

"Ich wusste, dass ich den Titel holen würde, wenn ich nur Giovanardi hinter mir halten könnte. Ich war daher fest entschlossen, ihn nicht vorbei zu lassen. Das war aber ganz klar das schwierigste Rennen meines Lebens. Ich musste sehr defensiv fahren, um sicherzustellen, dass Giovanardi hinter mir blieb."

Mehrere wichtige Stationen zum Titelgewinn

Frage: "Wie bist du die drei letzten Saisonläufe am Finalwochenende angegangen? Hast du dich vollkommen auf den Titelgewinn konzentriert, oder hast du diesen Gedanken ausgeblendet?"
Turkington: "Mein Fokus lag ganz klar darauf, die Meisterschaft für mich zu entscheiden. So war das aber schon die gesamte Saison."

"Ich habe einfach versucht, mich permanent auf das große Ziel zu konzentrieren. Es war jedenfalls wichtig, nicht in Panik zu verfallen, denn im ersten Rennen von Brands wurde ich nur Achter. Das lag am Erfolgsballast - ich war das schwerste Auto im Feld. Als das Gewicht erst wieder raus war, hatte ich ein viel besseres Fahrzeug."

Frage: "Wenn du auf deine BTCC-Saison zurückblickst, gab es da eine Art Wendepunkt? Gab es einen Augenblick, ab dem du davon überzeugt warst, es ganz sicher zu packen?"
Turkington: "Möglicherweise beim Rennwochenende in Croft. Das war unmittelbar vor der Sommerpause und etwa zur Halbzeit der Meisterschaft."

"Natürlich ist es für das Selbstvertrauen deutlich besser, an der Tabellenspitze zu liegen." Colin Turkington

"Ich konnte dort zwei Rennen gewinnen, und das bescherte mir die Führung in der Gesamtwertung. Ich hatte ein sehr gutes Wochenende. Aber natürlich ist es für das Selbstvertrauen noch deutlich besser, an der Tabellenspitze zu liegen. Ab diesem Moment fühlte ich, dass ich es schaffen könnte."

Frage: "Welches Rennwochenende war 2009 das wichtigste für dich? War es die letzte Saisonstation in Brands Hatch, wo du den Titel geholt hast?"
Turkington: "Nein, ich denke nicht. Das wichtigste Wochenende war für mich wahrscheinlich Rockingham. Das war das Wochenende vor Brands Hatch. Es war auch ein sehr schwieriges Wochenende, denn ich qualifizierte mich nur auf dem 14. Rang."

"Das lag auch wieder am Erfolgsballast, und so musste ich am restlichen Wochenende wieder sehr hart arbeiten. Ich musste mich also durch das Feld vorarbeiten und konnte am Ende doch noch den Anschluss zu Giovanardi und Plato herstellen. Das war ein wichtiges Wochenende für mich."

BMW Fahrzeug als Schlüssel zum Erfolg

Frage: "Welche Rolle hat dein BMW Rennwagen im Titelkampf gespielt?"
Turkington: "Mein Rennwagen war sehr wichtig, denn ich hatte eine hundertprozentige Zuverlässigkeit. Ich hatte 2009 keinerlei Probleme mit meinem BMW 320si. Mein Team setzt dieses Fahrzeug nun schon drei Jahre lang ein, und wir kennen dieses Auto mittlerweile sehr genau."

"Meine Jungs wissen, wie man das Beste aus diesem Wagen herausholt. Das war sehr wichtig für mich, denn nur so konnte ich mich im Auto vollkommen wohl fühlen. Es ist schwierig, eine hundertprozentige Zuverlässigkeit zu erreichen. Daher denke ich, dass mein Team einen sehr guten Job gemacht hat. Allerdings ist auch das Auto einfach nur spitze."

Frage: "Würdest du anderen Piloten den BMW Rennwagen empfehlen?"
Turkington: "Naja, nur ein paar Fahrern vielleicht. Ich würde nicht wollen, dass zu viele Piloten in einen BMW Rennwagen unterwegs sind, denn das würde mir das Leben wesentlich schwieriger machen (lacht; Anm. d. Red.)! Ich würde sagen, der BMW ist das vielleicht beste Auto in dieser Rennserie."

Colin Turkington, Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor), Andy Priaulx

Beim BMW Sportpokal zählt Colin Turkington alljährlich zu den Gewinnern Zoom

Frage: "2007 hast du den BMW Sportpokal gewonnen. Wie wichtig ist dir diese besondere Auszeichnung für Privatfahrer?"
Turkington: "Es ist immer schön, wenn man Anerkennung erfährt. Der Gewinn des BMW Sportpokals hat noch einmal verdeutlicht, wie gut wir schon 2007 abgeschnitten hatten. Das war unser erstes Jahr mit BMW. Es war richtig toll, dass unser Einsatz belohnt wurde. Ich war sehr glücklich über diese Trophäe - und natürlich hat mir auch das Preisgeld geholfen."

Frage: "Jetzt hast du einen weiteren Titel gesammelt. Damit bist du wohl erneut der Top-Favorit auf den BMW Sportpokal..."
Turkington: "Das ist schwer zu sagen und hängt natürlich auch davon ab, wie gut die anderen Kandidaten in ihren Meisterschaften abgeschnitten haben. Ich weiß nicht, ob ich erneut gewinnen kann. Ich hatte jedenfalls eine sehr gute Saison. Vielleicht sind meine Chancen ganz gut, aber das kommt wirklich ganz auf die Konkurrenz an."

Tipps und Tricks von BMW

Frage: "Hältst du eine solche Förderung von Privatfahrern für eine gute Sache? Motiviert dich das zusätzlich?"
Turkington: "Ja, das tut es. Es ist einfach fantastisch, dass BMW die Leistungen der Leute anerkennt, die in ihren Autos rund um den Globus Rennen bestreiten. Außerdem ist es großartig, am Jahresende alle in München zu treffen. Da sieht man sich endlich einmal und kann sämtliche Höhepunkte der Saison noch einmal Revue passieren lassen."

"Mein Team RAC und ich wurden sehr gut von BMW unterstützt." Colin Turkington

Frage: "Wie fällt die Unterstützung von BMW während der Saison aus?"
Turkington: "Mein Team RAC und ich wurden sehr gut von BMW unterstützt. Wann auch immer wir eine Frage stellen - wir bekommen garantiert eine Antwort. BMW ist uns eine große Hilfe, sie haben immer einige Tipps und Ratschläge parat."

"Das ist sehr wichtig. Man darf nicht vergessen, dass die BTCC eine sehr konkurrenzfähige Meisterschaft ist, in der es einige sehr gute Fahrer und einige sehr gute Autos gibt. Da brauchst du einfach so viel Wissen, wie du nur kriegen kannst. Wir genießen eine tolle Unterstützung - obwohl wir 'nur' ein Privatteam sind. Ihre Hilfe ist wirklich unschätzbar."

Die Tourenwagen-WM lockt...

Frage: "Sprechen wir etwas über andere Serien: 2008 bist du in Brands Hatch in der WTCC an den Start gegangen und bist prompt auf das Podium gefahren. Wie hat dir diese Erfahrung gefallen?"
Turkington: "Das war einfach brillant! Ich hatte wirklich sehr viel Spaß. Vor den Rennen wusste ich allerdings nicht, wie gut wir sein könnten."

"Ich komme ja aus der BTCC, und auf einmal hatten wir es mit der WM zu tun. Ich hatte also keinerlei Erwartungen und konnte ein Traumdebüt in der WTCC hinlegen. Damit habe ich mich selbst überrascht. Das hat definitiv Lust auf mehr gemacht."

Colin Turkington

Der BMW als Meistermacher: Folgt nun der Aufstieg in die Tourenwagen-WM? Zoom

Frage: "Würdest du gerne noch einmal in der WTCC an den Start gehen?"
Turkington: "Aber klar! Ich würde furchtbar gerne noch einige weitere Rennen in der Tourenwagen-WM bestreiten. Es ist allerdings nicht gerade einfach für mein Team, das nötige Budget aufzutreiben, um in der WTCC zu fahren."

"2007 konnten wir dank eines Sponsorings in Macao antreten, doch seither ist es deutlich schwieriger geworden, das Geld zusammen zu bekommen. Hoffentlich habe ich eines Tages die Chance, es noch einmal zu versuchen."

Frage: "Du wärst also durchaus daran interessiert, eine komplette Saison in der WTCC zu bestreiten?"
Turkington: "Ja, das würde ich sehr gerne ausprobieren. Es wäre eine großartige Erfahrung für mich, wenn ich mich mit den besten Tourenwagen-Piloten messen könnte. Das ist definitiv ein Ziel für mich."

Die WTCC als Bewährungsprobe?

Frage: "Was macht die WTCC aus Fahrersicht so interessant?"
Turkington: "Zunächst einmal muss man festhalten, dass es eine Weltmeisterschaft ist. Sämtliche Topfahrer sind in der WTCC unterwegs. Für mich wäre es eine willkommene Gelegenheit zu zeigen, dass ich mit diesen Jungs mithalten kann."

"Ich könnte viele neue Erfahrungen sammeln und noch eine Menge lernen. Ich fahre nun schon acht Jahre lang Rennen in Großbritannien - ein Tapetenwechsel wäre da sicherlich nicht verkehrt."

Frage: "Was sind deiner Meinung nach die größten Unterschiede zwischen BTCC und WTCC?"
Turkington: "Ich denke, die Strecken der Tourenwagen-WM sind einfach größer, breiter und schneller. Die Kurse der BTCC sind da vergleichsweise kleiner und kurvenreicher. Dazu kommt, dass wir in der BTCC überhaupt keine Straßenkurse befahren."

"In der BTCC kommt es in meinen Augen auch etwas häufiger zu Lackaustausch." Colin Turkington

"In der BTCC kommt es in meinen Augen auch etwas häufiger zu Lackaustausch. Man könnte sagen, dass man in Großbritannien einen etwas anderen Stil und eine andere Herangehensweise an den Tag legen muss."

Frage: "Wie würde es dir gefallen, traditionelle Rennstrecken wie Imola, Monza oder Macao unter die Räder zu nehmen?"
Turkington: "Das wäre ganz nach meinem Geschmack. Ich hatte ja bereits die Gelegenheit, in Macao zu fahren. Auf den anderen Strecken war ich noch nicht, doch die sehen allesamt fantastisch aus. Das ist überaus verlockend."

Frage: "Welche ist deine Lieblingsstrecke?"
Turkington: "Mein Lieblingskurs ist ganz klar Oulton Park. Das ist eine richtig tolle Strecke, auf der es auf und ab geht. Sie ist wunderschön in die Landschaft eingebettet und einfach ein herrlicher Ort. Im Rahmen der diesjährigen Testfahrten war ich im Februar auch an der Algarve unterwegs. Dieser Kurs hat mir ebenfalls sehr gefallen."

Noch ist die Zukunftsplanung nicht abgeschlossen

Frage: "Wenn du dir ein Auto und eine Rennstrecke aussuchen könntest, um ein paar Stunden Spaß zu haben - welches Fahrzeug würdest du wählen und auf welcher Rennbahn würdest du Gas geben?"
Turkington: "Dann würde ich wahrscheinlich meinen BMW M3 auf der Grand-Prix-Variante von Brands Hatch bewegen."

Colin Turkington

Noch sucht Colin Turkington eine Herausforderung für die kommende Saison Zoom

Frage: "Brands Hatch zählt zu den traditionellen Orten im Rennsport. Was macht diesen Ort so besonders?"
Turkington: "Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass dort einmal Formel-1-Grands-Prix ausgetragen wurden. Die Strecke hat Charakter und einige sehr schnelle Kurven. In Brands Hatch musst du wirklich sehr aufmerksam sein. Deswegen ist dieser Kurs speziell."

Frage: "Wie lauten deine Pläne für die Zukunft?"
Turkington: "Ich habe im Augenblick keine Pläne. Ich will dem Tourenwagen-Sport auf alle Fälle erhalten bleiben. Ich muss nun sehen, welche Möglichkeiten sich mir in der kommenden Saison bieten. Ich kann also im Moment noch nicht sehr viel über meine Zukunft sagen."

Frage: "Würdest du gerne ein weiteres Jahr in der BTCC fahren?"
Turkington: "Das weiß ich noch nicht. Die BTCC ist jedenfalls eine großartige Meisterschaft. Ich wäre sehr froh darüber, wenn ich meinen Titel verteidigen könnte. Schauen wir einfach einmal, welche Möglichkeiten sich auftun. Dann werden wir schon eine Entscheidung treffen."