• 06.01.2008 08:49

  • von Stefan Hausmann

Teamwork: Ohne Crew Chief geht nichts

Fahrer und Crew Chief verbringen in der NASCAR einen sehr großen Teil ihrer Zeit miteinander, deshalb muss die Chemie stimmen - Teamwork ist alles

(Motorsport-Total.com) - Rennfahrern wird ein egoistischer Grundwesenszug nachgesagt, um überhaupt den Weg an die Spitze finden zu können. Wer jedoch in der NASCAR als Fahrer nur auf seine eigenen Fähigkeiten baut, der ist verraten, denn NASCAR ist - wie vielleicht kaum ein anderer Motorsport - vor allem ein Teamsport. 'Motorsport-Total.com' beleuchtet die Rolle der Crew Chiefs und deren Veränderungen in 2008.

Titel-Bild zur News: NASCAR

In der NASCAR braucht es mehr als nur den Fahrer, um Erfolg zu haben

Ende der Saison 2005 bat Rick Hendrick zwei starke Charaktere während der Champions Week in New York zu einem Sechs-Augen-Gespräch: Jimmie Johnson und Chad Knaus. Beide hatten gerade eine nicht unbedingt einfache Saison 2005 beendet, denn mit nur vier Saisonsiegen landete Johnson in der Gesamtwertung auf Platz Fünf.#w1#

Knaus war damals dem Vernehmen nach ein recht schwieriger Charakter, mit dem niemand wirklich gerne zusammen arbeiten wollte - ob Johnson selbst, oder seine eigene Crew. Ein damaliges Hindernis des heutigen Nummer-48-Dream-Teams bestand in der fehlenden Chemie, die sich in mangelnder Kommunikation zwischen dem Fahrer und seinem Crew Chief äußert.

Hendrick droht mit Trennung

Chad Knaus Jimmie Johnson

Chad Knaus und Jimmie Johnson sind heute ein Herz und eine Seele Zoom

Bevor die Konflikte unlösbar wurden bat Rick Hendrick persönlich zum Motivationsmeeting in New York City, bei Milch und Plätzchen. Hendrick erläuterte den Beiden, dass sie sich in der abgelaufenen Saison wie Kinder benommen hatten. Die Drohung des Teamchefs war simpel: Wenn sich die Kommunikation nicht immens bessere, dann werde Hendrick die Beiden trennen.

Solche Worte kamen an: Johnson gewann mit Crew Chief Knaus den Cup 2006 und 2007. Am Donnerstag der New Yorker Champions Week 2007 äußerte sich Knaus: "Ich habe jede Woche eine tolle Truppe, die Leidenschaft, Entschlossenheit und Siegeswillen verkörpert. Es sind meine Teamkollegen und es sind die besten Teamkollegen!" Das hörte sich nicht mehr nach dem selten zufriedenen Einzelgänger an, der Knaus noch 2005 gewesen war.

Johnson beschieb die Fähigkeiten von Knaus in seiner Laudatio so: "Du weißt, wie du das Meiste aus diesem Team und besonders aus mir herausholst. Deine harte Arbeit und deine Intelligenz stellen dich über die Anderen - es ist eine Ehre deine Autos zu fahren. Du bist ein hervorragender Crew Chief und ein echter Freund!"

Die Aufgaben des Crew Chiefs sind umfassend und betreffen die Performance des gesamten Teams und des Fahrzeuges. Anders als in anderen Sportarten ist das Sportgerät, das die Wettbewerber nutzen, nicht identisch oder identisch leicht zu kopieren. Racecars sind keine Lederbälle oder Hockeyschläger. Alle Stock Cars sind eben nicht, wie der Name vermuten ließe, von der Stange - jedes Auto ist ein Unikat.

Der Crew Chief - Mädchen für Alles

Jeff Gordon Steve Letarte

Steve Letarte (hinten) ist der aktuelle Crew-Chief von Jeff Gordon Zoom

Der Crew Chief ist dafür verantwortlich, dem Fahrer das beste Sportgerät unter den jeweiligen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, dies mit der besten denkbaren Strategie am Rennwochenende. Er steuert seine Crew und seinen Fahrer, und entscheidet, wann der Fahrer schnell, und wann er geschickt sein muss.

Für die technischen Belange steht dem Crew Chief ein Car Chief zur Seite, der die mit dem Crew Chief abgesprochenen technischen Änderungen am Fahrzeug überwacht und auch selbst mit Hand anlegt. Der Crew Chief stellt die Pit Crew zusammen, begleitet die technische Abnahme und organisiert das Wochenende. Die wichtigsten beiden Aufgaben allerdings ergeben sich im Finden der richtigen Abstimmung und der jeweils anzupassenden Rennstrategie.

Für die Abstimmung der Fahrzeuge liegen den Teams umfassende historische Daten vor. Während heute diese Erfahrungen datentechnisch exakt ausgewertet und analysiert werden, musste noch vor einigen Jahren Erfahrung und Gefühl des Crew Chiefs die Abstimmung unterstützen. Die richtige Abstimmung hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie zum Beispiel Kurs, Streckenbelag, Reifen- und Außentemperatur oder Fahrstil ab.

Aus dieser Vielzahl von Fakten muss der Crew Chief die optimale Einstellung des Rennfahrzeuges finden: Stossdämpfer, Reifen, Lüftung und Track Bar Einstellung - alle Details müssen passen. Während die Arbeit des Crew Chiefs von Montag bis Donnerstag überwiegend planerisch sein muss, werden seine Aufgaben und Entscheidungen mit dem Erreichen der Rennstrecke immer mehr vom Zeitdruck, seiner Erfahrung und der Auswertung verschiedenster Außenumstände bestimmt.

Strategie ist der Erfolgsschlüssel

Matt Kenseth Robbie Reiser

Matt Kenseth und Robbie Reiser (re.) waren jahrelang ein Gespann Zoom

Vor dem Qualifying muss der Crew Chief das Fahrzeug durch die technische Abnahme bringen. Danach werden die Erkenntnisse des ersten freien Trainings verarbeitet. Je nach dem, ob das Team inner- oder außerhalb der Top 35 liegt, also einen garantierten Startplatz hat, oder durch das Qualifying muss, wählt der Crew Chief die geeignete Qualifikationseinstellung des Fahrzeuges.

Nach dem Qualifying setzt der Crew Chief die gewonnenen Erkenntnisse in das Renn-Setup um, die im samstäglichen freien Training, der sogenannten "Happy Hour" überprüft werden. Das Setup setzt sich zusammen aus der Stärke des Motors, dem Fahrzeughandling, dem Bremsverhalten und den aerodynamischen Qualitäten des Autos.

Am Renntag ist die jeweils anliegende Rennsituation der Maßstab, nach der der Crew Chief entscheiden muss. Schnelligkeit, Entscheidungsfreude und Entschlossenheit sind gefragt. Das Timing der Stopps, das Einhalten der Pit Windows, die Reifen- und Spritstrategie - alles wird letztlich vom Crew Chief verantwortet.

Die Strategien sind unterschiedlich: Einige Crew Chiefs berechnen das Rennen von hinten, also vom mutmaßlichen Rennende her, und legen danach eine Strategie fest. Sie gehen davon aus, dass das Fahrzeug zu Rennende im optimalen Setup unterwegs sein sollte, und legen dazu vor dem Rennen die Dauer zwischen den Stopps fest. Andere Crew Chiefs berechnen die Rennen von vorne, da sie davon ausgehen, dass im Rennen so viele Unwägbarkeiten auftauchen, dass sich die Strategie der jeweiligen Rennsituation anpassen muss.

Während des Rennens wird das Auto gemäß der intensiven Fahrer/Crew Chief Kommunikation abgestimmt. Besonders hektisch wird es dabei häufig für den Crew Chief im letzten Rennviertel, wenn der Spritverbrauch hochgerechnet werden muss und der verbleibende Rennverlauf prognostiziert wird. Der Fahrer muss sich gerade dann zunehmend auf die Erfahrung und Analysefähigkeit seines Crew Chiefs verlassen können.

Tony Stewart und Greg Zipadelli streiten mitunter

Tony Stewart Greg Zipadelli

Zwischen Tony Stewart und Greg Zipadelli kann es auch einmal krachen Zoom

1999 fuhr Tony Stewart seine Rookie-Saison und er war am 11. Juli in New Hampshire dicht davor seinen ersten Cup-Lauf zu gewinnen. Es war erst sein 18. Cup Rennen überhaupt. Er fuhr den ganzen Tag in den Top 5, als im letzten Rennviertel der verbleibende Sprit im Fahrzeug, verglichen zur verbleibenden Renndistanz, knapp wurde. Stewart fragte über den Teamfunk Crew Chief Greg Zipadelli, was zu tun sei. Zipadelli sagte: "Bleib cool und fahr weiter, wir werden es schaffen!"

Er lag in dieser Einschätzung falsch: Drei Runden vor Schluss rollte das Auto ohne Sprit aus. Stewart verließ den New Hampshire Speedway stocksauer auf seine Crew und Zipadelli. Er gab an diesem Tag keine Interviews mehr und kassierte von der NASCAR dafür die erste von vielen Geldstrafen. Trotz dieser Fehleinschätzung blieben Stewart und Zipadelli bis heute zusammen.

Kurze Zeit später gewannen sie für Joe Gibbs Racing ihr erstes Rennen und zusammen zweimal den Cup. So müssen der Crew Chief und sein Fahrer nicht in jeder Situation ein Herz und eine Seele sein, sie müssen aber in den entscheidenden Rennsituationen blind aufeinander vertrauen können.

Auch heute haben Stewart und Zipadelli, mittlerweile beide Superstars ihrer Zunft, unterschiedliche Meinungen. So kommentierte Zipadelli angesichts des drohenden Verlusts von Owner Points nach der Blechschlacht von Stewart und Kurt Busch in Dover: "Mein Team und ich sollten nicht darunter leiden, dass beide Fahrer nicht genügend Respekt füreinander zeigen und sich auf der Strecke bekriegen."

"Schließlich", so der Crew Chief, "fahren sich beide nicht absichtlich in ihre Motorhomes, sie bekämpfen sich in meinem Rennauto. Darunter sollte ich nicht noch zusätzlich leiden!" Vielleicht zählt gerade deshalb die Kombination Stewart/Zipadelli seit fast zehn Jahren zu den Erfolgreichsten im Cup.

Dale Earnhardt Sr. und Larry McReynolds

Dale Earnhardt 1996

Dale Earnhardt Sr. ließ sich nicht mehr vorschreiben, wie er zu fahren hatte Zoom

Doch nicht alle Paarungen funktionieren einfach - und wenn es einmal kompliziert wird, dann wird es meist richtig kompliziert: 1997 verpflichtete Richard Childress Racing den damaligen Top-Crew Chief von Robert Yates Racing, der zuvor Davey Allison und Ernie Irvan im damaligen Texaco Havoline-Ford betreute: Larry McReynolds.

Crew Chief McReynolds führte Allison in seinen beiden erfolgreichsten Jahren 1991 und 1992 zu jeweils fünf Siegen. Mit dem ruhigen und tief gläubigen Fahrer aus Alabama, der 1993 bei einem Helikopterabsturz in Talladega starb, verband McReynolds eine tiefe und enge Freundschaft.

1997 sollte McReynolds nun dem angeschlagenen Team von Dale Earnhardt Sr. wieder auf die Beine helfen. Earnhardt, der zu dieser Zeit bereits eine Legende war, begrüßte die Verpflichtung von McReynolds zunächst. Doch fortan erklärte McReynolds dem Superstar, auf welcher Linie er am schnellsten um den Kurs komme, wie er Gegner am besten überhole und wie er zu fahren habe.

Earnhardt wiederum, zu diesem Zeitpunkt bereits siebenfacher Champion, wurde das Ganze irgendwann zu bunt: Es müsse ihm nun wirklich niemand sagen, wie er zu fahren habe. Die Liaison hielt gerade einmal neun Monate, dann war Schluss und ein junger, unerfahrener Crew Chief übernahm das Earnhardt-Auto.

Jeff Gordon und Ray Evernham

Ray Evernham

Ray Evernham - heute Teamchef, früher Crew Chief bei Jeff Gordon Zoom

Die vielleicht erfolgreichste Crew Chief/Fahrerkombination der letzten 15 Jahre bestand aus Jeff Gordon und Ray Evernham in ihrer gemeinsamen Zeit bei Hendrick Motorsports. Beide gewannen zusammen mit dem DuPont Chevrolet drei Cup-Titel und profitierten von den gegenseitigen Stärken.

Sie waren nicht gerade das designierte Traumpaar: Weder Gordon, noch Evernham stammten aus einer Rennfahrerfamilie. Während Jeff Gordon als Kalifornier in der Nähe von San Francisco heranwuchs, kam Evernham aus einem Vorort von New York City.

Ray Evernham schraubte in der Woche an Rennautos, am Wochenende bewegte er selber seine Modified Cars. Aber nach einem traumatischen Rennunfall in New Jersey erlitt er schwere Kopfverletzungen, seine Karriere als Fahrer war vorbei - statt selber weiter Rennen zu fahren konzentrierte er sich auf seinen Beruf als Mechaniker.

So lernte er 1990 Jeff Gordon kennen, als er in einem seiner ersten Busch-Rennen Gordons Chassis-Spezialist war. John Bickford, Gordons Stiefvater, begleitete Jeff Gordons Karriere und als Gordon gerade 20 Jahre alt war klopfte Jack Roush bei Bickford an: Gordon sollte für Roush im Cup fahren.

"Wir denken, dass Jeff Gordon bereit ist und wir möchten ihn - jetzt!", so Roush im Originalton. Bickford antwortete: "Das ist ein riesiges Kompliment. Aber Eines muss klar sein: Wenn Jeff Gordon zu Euch kommt, dann nur mit Ray Evernham als Crew Chief. Jeff und Ray sind ein Paket." Roush war verwundert: "Moment, Fahrer wählen bei Roush Racing ihre Crew Chiefs nicht selber aus." Bickford bedankte sich daraufhin für den Anruf von Roush, wünschte ihm einen schönen Tag und hängte auf.

Einen Moment später klingelte Bickfords Telefon erneut: "Warum hängen Sie auf?", fragte ein verdutzter Jack Roush am anderen Ende. Bickford blieb entschieden und hart: "Nun, sie haben Ihre Entscheidung getroffen, und die lautet, dass ein Fahrer keinen Crew Chief mitbringen darf. Der Crew Chief von Jeff Gordon im Cup wird Ray Evernham sein. Dieser Punkt ist nicht verhandelbar. So wird es sein!" Diesmal legte Jack Roush auf.

Nicht lange danach begann 1992 in Atlanta die gemeinsame Karriere von Jeff Gordon und Ray Evernham - für Hendrick Motorsports und nicht für Roush Racing. Evernham half Jeff Gordon durch erfolgreiche Rennstrategien auf Autos zu gewinnen, die nie und nimmer die schnellsten Rennautos des Tages waren - und trotzdem waren die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit mehr wert, als ein wenig mehr Speed.

Crew Chiefs 2008

Dale Earnhardt Jun.

Dale Earnhardt Jr. und Tony Eury Jr. gingen gemeinsam zu Hendrick Zoom

Erfolgreiche Crew Chiefs sind fast so begehrt, wie erfolgreiche Fahrer. Die Gehälter der Crew Chiefs liegen zwar unter denen der Fahrer, schließlich ist ihre potenzielle Karriere länger, sind aber ebenfalls beachtlich. Am Ende entscheidet die erfolgreiche Kombination Fahrer/Crew Chief über den Erfolg des gesamten Rennteams - NASCAR ist ein Teamsport.

Für 2008 ergeben sich einige Wechsel bei den Crew Chiefs: Ryan Pemberton, selber ein langjähriger ehemaliger Crew Chief und Bruder von Robin, dem langjährigen Crew Chief von Rusty Wallace wird neuer Crew Chief von David Reutimann bei Michael Waltrip Racing.

Pemberton verließ Dale Earnhardt Inc., wo er nun durch Doug Richert ersetzt wird. Richert wiederum lenkte 2007 die Geschicke von Brian Vickers bei Red Bull. Den vielleicht wichtigsten Wechsel bei den Crew Chiefs gibt es wenig überraschend aus dem Earnhardt-Umfeld: Earnhardt bringt seinen Cousin und langjährigen Crew Chief Tony Eury Jr. mit zu Hendrick Motorsports.

Zwei der erfolgreichen Crew Chiefs wechseln ins Management ihrer jeweiligen Rennorganisation: Robbie Reiser, der mit Matt Kenseth 2003 den Cup gewann, wird General Manager in der Roush Fenway Organisation Er wird ersetzt durch Chip Bolin, der mit der Kenseth-Crew bereits seit 1999 zusammenarbeitet, zuletzt als Car Chief.

Mike Nelson, bisher Ryan Newmans Crew Chief, wechselt ebenfalls ins Management bei Penske Motorsports. Er wird durch Roy McCauley ersetzt. Richard "Slugger" Labbe ist ein Crew Chief Veteran und begleitet Jacques Villeneuves Einstieg in den Cup.

Jeff Meendering war bis Ende 2007 der Car Chief von Jeff Gordon und dem #24 Hendrick Motorsports Chevrolet, nun wird er Crew Chief für Bobby Labonte bei Petty Enterprises. Dieses sind nur die wichtigsten Wechsel im Bereich der Männer, deren Strategien die Fahrer Rennen gewinnen oder verlieren lassen können.

Erfolgreiche Crew Chiefs sind fast so begehrt, wie erfolgreiche Fahrer. Die Gehälter der Crew Chiefs liegen zwar unter denen der Fahrer, schließlich ist ihre potenzielle Karriere länger, sind aber ebenfalls beachtlich. Am Ende entscheidet die erfolgreiche Kombination Fahrer/Crew Chief über den Erfolg des gesamten Rennteams - NASCAR ist ein Teamsport.