Räikkönen-Interview: "Alles viel entspannter und offener"
Kimi Räikkönen schildert im Vorfeld seines ersten Truck-Rennens seine Eindrücke von der NASCAR-Szene - Kein Vergleich zur Formel 1
(Motorsport-Total.com) - Ex-Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen wagt sich an diesem Wochenende auf dem Charlotte Motor Speedway erstmals ins kalte NASCAR-Wasser. Vor dem Fahren im Pulk hat der Finne im Vorfeld großen Respekt. Im ersten Schritt geht es für ihn nur darum, so viel wie möglich Erfahrung zu sammeln.
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Kimi Räikkönen fühlt sich in der NASCAR-Welt auf Anhieb wohl
Im Interview spricht Räikkönen über die Gründe für seinen Abstecher für den Großen Teich, die Herausforderungen am Steuer eines NASCAR-Trucks, die Unterschiede zur Formel 1 und zur Rallye-Szene sowie seine Zukunftsplanungen.
Frage: "Kimi, was führt dich in die NASCAR?"
Kimi Räikkönen: "Was mich hierher führt? Da gibt es mehrere Gründe. Seitdem ich der Formel 1 den Rücken gekehrt habe, interessieren mich viele verschiedene Rennserien. Ich möchte einfach unterschiedliche Dinge ausprobieren. Es ist nicht das erste Mal, dass man mir angeboten hat, hierher zu kommen. Erfreulicherweise hatte ich im Vorfeld Gelegenheit rüber zu kommen, um zu sehen was mich hier erwartet. Dabei habe ich viel gelernt. Der Hauptgrund ist wohl: es hat mich einfach interessiert, wie es ist, in der NASCAR an den Start zu gehen."
Frage: "Wie stellst du dir deine NASCAR-Zukunft vor?"
Räikkönen: "Das weiß ich noch nicht. Ich habe derzeit keine großen Pläne. Was ich im nächsten Jahr machen werde, weiß ich noch nicht. Jetzt schaue ich mir erst einmal an, wie es hier so läuft. Ich bin ohne jede Erwartung hierher gekommen. Die Situation erinnert mich ein wenig an meinen Einstieg in die Rallye-Weltmeisterschaft. Damals hatte ich auch keine großen Erwartungen. Ich wollte einfach herausfinden, wie es ist. Das Gleiche gilt nun für die NASCAR."
"Natürlich ist die NASCAR ein völlig anderer Sport -einfach komplett anders, als das, was wir in Europa gewohnt sind. Mir ist klar, dass der Sport hierzulande sehr populär ist. Es sieht vielleicht einfach aus. In Wahrheit ist es jedoch alles anderes als einfach, hier schnell zu sein. Wir müssen abwarten, wie es läuft und was die Zukunft für mich bereithält. Ich gehe die Sache Schritt für Schritt an."
Respekt vor dem Fahren im 40-Wagen-Pulk
Frage: "Was war für dich bisher die größte Herausforderung am Steuer des Trucks?"
Räikkönen: "Der Unterschied von der Formel 1 zur Rallye-Szene war riesengroß. Ich glaube, der Schritt von einem Rallye-Fahrzeug in die NASCAR ist nicht ganz so groß. Im Moment lerne ich ständig dazu. Ich bin auf dieser Strecke hier noch nie zuvor gefahren. Bisher war es kein besonders guter Tag, aber wir müssen schließlich irgendwo beginnen. Hoffentlich können wir uns im Rennen steigern."
"In Bezug auf das Auto gibt es natürlich sehr viel zu lernen. Die Strecken sehen alle recht ähnlich aus, das sind sie aber nicht. Du musst auf jeder einzelnen Strecke die optimale Linie finden. Dies kann nur über Wissen und Erfahrung geschehen. Unser Ziel für dieses Wochenende ist es, heil durch das Rennen zu kommen und unser Bestes zu geben. Wenn wir nach dem Rennen sagen können, dass wir schlauer sind und mehr Dinge wissen als vorher, war es ein guter Tag."
Frage: "Warst du im Training bereits im Verkehr unterwegs?"
Räikkönen: "Kaum. Ich wäre gern etwas mehr im Verkehr gefahren, aber das Handling meines Trucks war nicht so, wie es erwartet hatte. Gegen Ende des Trainings lag der Wagen etwas besser, aber zufrieden bin ich noch nicht. Ich hätte gern etwas mehr Trainingszeit zur Verfügung gehabt. Es wird interessant sein zu sehen, wie es im Rennen läuft, denn dann werde ich erstmals wirklich mit anderen Autos neben mir zu tun haben und werde überholen können. Es ist etwas komplett anderes, wenn das ganze Feld auf einmal lossticht. Den Start und die ersten Runden muss ich erst noch lernen. Hoffentlich geht alles glatt."
Keine Pläne für eine Formel-1-Rückkehr
Frage: "Wirst du jemals in die Formel 1 zurückkehren?"
Räikkönen: "Es gab einige Gründe, warum ich aufgehört habe. Ich will nicht sagen, dass es ein Abschied für immer war. Im Moment vermisse ich die Formel 1 nicht. Ich wollte einfach etwas Neues ausprobieren und bekam in der Rallye-Weltmeisterschaft eine großartige Chance."
"Nun habe ich etwas Zeit hierher zu kommen, um mir die NASCAR-Szene anzusehen. Ich bin glücklich damit, wie sich die Dinge entwickeln. Ich habe nie gesagt, dass ich niemals in die Formel 1 zurückkehren würde. Vielleicht kehre ich irgendwann dorthin zurück, vielleicht auch nicht. Die Zukunft wird es zeigen. Wie schon gesagt, für das kommende Jahr habe ich noch keine Pläne. Ich hatte auch für dieses Jahr vor dem Monat Januar keine wirklichen Pläne. Ich könnte mir vorstellen, dass es etwas Zeit braucht, bis ich weiß, was ich wirklich tun möchte."
Frage: "Wie hast du die Atmosphäre in der Boxengasse am Freitagmorgen empfunden?"
Räikkönen: "Im Großen und Ganzen war es so, wie ich es erwartet hatte. Ich war im vergangenen Jahr beim Rennen in Miami vor Ort und wusste daher zumindest, wie es hier aussieht. Was das Team betrifft, so bin ich sicher, dass es ein gutes ist, mit dem ich hervorragend mit meinem eigenen Team zusammenarbeiten kann. Die Leute versuchen wo es nur geht, mir zu helfen. Es ist allerdings ziemlich schwierig, da ich noch nicht weiß, wie man diese Autos wirklich fahren muss. Die Leute wollen einem natürlich Tipps geben. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das in diesem Stadium schon so viel bringt. Bisher lief es ganz gut. Zumindest habe ich keinen großen Schaden angerichtet."
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Die großen Pulks in den US-Ovalen nötigen Räikkönen Respekt ab Zoom
Frage: "Welches Auto macht mehr Spaß zu fahren, das World Rally Car oder der NASCAR-Truck?"
Räikkönen: "Das sind zwei komplett verschiedene Dinge. Hier gibt es nicht sehr viele Kurven. Das wird sich allerdings ändern, sobald das Rennen startet und rund 40 Fahrzeuge gleichzeitig im Oval unterwegs sind. Im Training kommt es schon mal vor, dass dich einer überholt oder das du jemanden überholst. Wenn du aber im Rennen mehrere Runden lang Seite an Seite fährst, ist das eine ganz andere Geschichte."
"In der Rallye-Weltmeisterschaft gibt es dagegen alles: Schnee, Schotter, Asphalt - jede Kurve ist anders. Normalerweise fährst du mitten durch den Wald. Man kann die beiden Serien nicht vergleichen. Das Fahrgefühl ist allerdings manchmal ähnlich. Es hilft auf jeden Fall, zu wissen, dass es noch kein Grund zur Sorge ist, wenn das Auto einmal ausbricht. Das ist mit einem Rallye-Fahrzeug normal. Dennoch ist es ein großer Unterschied zu diesem Sport hier."
Entspannte Atmosphäre macht NASCAR aus
Frage: "Warst du überrascht, wie freundlich die Leute in der NASCAR sind?"
Räikkönen: "Das hat mich nicht wirklich überrascht. Die ganze NASCAR-Atmosphäre ist einfach anders als in vielen anderen Sportarten. Im Vergleich zur Formel 1 geht es hier sehr viel entspannter und offener zu. Im Rallyesport ist es ähnlich wie hier. Die Leute sind offen und freundlich, ganz ähnlich wie hier. In der Formel 1 laufen die Dinge einfach anders, aber das ist ja so gewollt."
"Es war toll, meinen ehemaligen McLaren-Teamkollegen Juan Pablo Montoya wieder einmal zu sehen. Ich habe ihn jetzt eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Ich habe einige Ergebnisse von ihm gesehen, aber in Europa ist es nicht so einfach, am Ball zu bleiben. Im europäischen Fernsehen sieht man die Jungs hier nicht sehr oft."
Frage: "Wäre ein kompletter NASCAR-Wechsel eine Option für dich oder schwebt dir eher vor, hier nur ein paar Rennen zu fahren, um weiterhin Rallyes fahren zu können?"
Räikkönen: "Mein Plan war von Beginn des Jahres an, die Rallye-WM zu bestreiten. Was NASCAR betrifft, so wollte ich einfach herausfinden, wie ich mich hier schlage. Sollte ich hier komplett versagen, gibt es wahrscheinlich keinen Grund wiederzukommen. Hoffentlich läuft es in Zukunft besser als im Training, das kann ich allerdings noch nicht sagen. Wie schon gesagt, gehe ich die Sache Schritt für Schritt an und werde sehen, was unter dem Strich dabei herauskommt. Im Moment ist es noch etwas zu früh, darüber nachzudenken."
Demnächst im Sprint Cup?
Frage: "Wie sehen deine weiteren NASCAR-Pläne aus?"
Räikkönen: "Ich bin an diesem und hoffentlich auch am nächsten Wochenende hier in Charlotte. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Hoffentlich kann ich das eine oder andere Cup-Rennen fahren, das wäre eine tolle Sache. Bisher gibt es allerdings keine großen Pläne. Ich möchte im Moment nichts überstürzen, stattdessen einfach erst einmal sehen, was passiert."
Frage: "Ist dir die Kommunikation mit dem Team schwergefallen?"
Räikkönen: "Wir haben im Vorfeld getestet. Ich habe ihnen gesagt, was ich gewohnt bin und sie haben mir gesagt, was sie gewohnt sind zu hören. Wir haben eine gute Lösung gefunden. Manchmal schildere ich die Dinge natürlich noch so, wie ich es im Rallye-Fahrzeug oder im Formel-1-Boliden tun würde. Es ist allerdings nicht so, dass wir einander überhaupt nicht verstehen. Im Verlauf eines Rennens gibt es natürlich sehr viel zu lernen, vor allem wenn es darum geht, welche Veränderungen am Truck vorgenommen werden sollen und wie diese dem Team am einfachsten klarzumachen sind. Das ist letztlich der Grund, warum wir hier sind - Erfahrung sammeln und gemeinsam den bestmöglichen Job machen."