• 25.10.2008 17:29

  • von Cathy Elliott

Kolumne: Der arme Jeff Gordon?

Gastkolumnistin und NASCAR-Insiderin Cathy Elliott machte sich Gedanken über Jeff Gordon, dem zum ersten Mal seit 1993 eine sieglose Saison droht

Liebe NASCAR-Fans,

Titel-Bild zur News: Jeff Gordon

NASCAR-Superstar Jeff Gordon droht tatsächlich eine Saison ohne einen Sieg

Direkt nach dem Rennen, vergangene Woche auf dem Martinsville Speedway, rief jemand neben mir: "Dieser arme Jeff Gordon!" Bitte was? Ich dachte, ich hätte mich verhört, denn Gordon war gerade als Vierter ins Ziel gekommen und machte damit in der Gesamtwertung einen Platz gut.

Zudem erschien es mir etwas albern, dass jemand - egal unter welchen Umständen auch immer - Mitleid speziell mit diesem Fahrer haben müsste. Denn wie das Leben von Pigpen, der Figur aus der alten Peanuts-Serie, umgab sich Jeff Gordon sein Leben lang mit einer Wolke aus Staub. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Gordon-Wolke aus Gold besteht.#w1#

In dem äußerst schwierigen NASCAR-Umfeld hat Gordon vier Titel gewinnen können. Das bringt ihn hinter Richard Petty und Dale Earnhardt Sr. - beide mit sieben Meisterschaften - auf Platz drei der ewigen Bestenliste. Und selbst wenn Jimmie Johnson tatsächlich das Triple schaffen würde, dann hätte Jeff Gordon ihm gegenüber immer noch die Nase knapp vorne.

Als NASCAR 1998 seinen 50. Geburtstag feierte, wurde auch eine Liste mit den 50 besten Piloten aller Zeiten herausgegeben. Jeff Gordon - damals gerade einmal 26 Jahre alt - schaffte es auf diese Liste. Das ist eine großartige Leistung. Und als würde er jegliche Zweifel über die Berechtigung dazu im Keim ersticken wollen, gewann er noch im selben Jahr seinen dritten Titel.

Tiger Woods, Lance Armstrong, Eric Clapton - und Jeff Gordon

Jeff Gordon 97

Schon der junge Jeff Gordon - hier 1997 - kam ganz früh zu großen NASCAR-Ehren Zoom

Drei Jahre später setzte er dem Ganzen mit Meisterschaft Nummer vier die Krone auf. Mit seinen 81 Siegen rangiert er in der ewigen Gewinnerliste auf Platz sechs. Zwei weitere Erfolge, und er zieht mit Cale Yarborough als Fünftem gleich. Wenn er noch drei Rennen gewinnen kann, dann steht er mit Darrell Waltrip und Bobby Allison ex aequo auf Platz drei.

Die 'Sports Illustrated' bezeichnete Gordon als einen der 25 reichsten Athleten in den USA. Wohlgemerkt nicht die reichsten NASCAR-Piloten, sondern die finanziell erfolgreichsten Athleten aller Sportarten - inklusive der American Footballer und einem Golfer mit dem Vornamen Tiger.

Nun kann man wahrscheinlich verstehen, warum meine erste Reaktion auf diesen Kommentar war, dass ich zu Hause viele Tränen über das schlimme Schicksal dieses armen Mannes vergießen wolle. Aber dann begann ich nachzudenken und kam darauf, warum dieser Spruch so gesagt wurde.

Es gibt in unserem Leben einen Unterschied zwischen den Dingen die man macht, und den Dingen für die man steht. Wir alle wissen zum Beispiel wie man Fahrrad fährt, aber Lance Armstrong ist ein Fahrradfahrer. Einige von uns können Gitarre spielen, aber Eric Clapton ist ein Gitarrist. Und die meisten unter uns können Auto fahren, aber Jeff Gordon ist ein Rennfahrer.

Erst der Smoking, dann das Daytona 500

Jeff Gordon

Selbst im Fall aller Fälle wird Jeff Gordon 2009 wieder einer der Top- Favoriten sein Zoom

Diese Qualität ist wahrscheinlich schon in seine DNA eingestempelt worden. Und dann gibt es noch das absolute Verlangen und den Unwillen, weniger als die höchste mögliche Auszeichnung zu akzeptieren. Vier Titel sind toll, fünf oder sechs wären besser, und acht Meisterschaften wären das Beste überhaupt.

Wenn Gordon mit Allison und Waltrip irgendwann gleichziehen würde, worauf ich übrigens wette, dann würden sofort Platz zwei und die 105 Siege von David Pearson eine große Verlockung darstellen. Die 50 besten NASCAR-Piloten aller Zeiten? Wie wäre es denn mit den zehn Besten oder gar den besten Fünf?

2008 wird Jeff Gordon den Titel wohl nicht mehr holen können, denn er hat bestenfalls noch eine Außenseiterchance. Er wird seinen Designer-Smoking aus dem Schrank ziehen und auf dem Meister-Bankett in New York eine charmante Rede halten. Aber man kann sich sicher sein, dass ihm innerlich die Galle hochgehen wird, wenn am Abend ein anderer Pilot die Trophäe erhalten wird.

Er wird - und auch das kann er gut - in der Öffentlichkeit ein feierliches Gesicht ziehen, und danach zusammen mit seinem Team in deren Shop sofort damit beginnen, die Probleme solange zu lösen, bis Anfang 2009 das Daytona 500 vor der Türe steht und sie einen erneuten Versuch starten.

Wir alle wissen, dass man Perfektion kaum erreichen kann. Aber mit jedem Versuch kommen wir dem näher und aufgeben gilt nicht. Jeff Gordon hat auf diesem Weg unglaublich viel erreicht. Und nachdem ich einige Male darüber nachgedacht habe, bleibe ich bei meinem Urteil. Der arme Jeff Gordon? Ich denke nicht.

Herzliche Grüße
Ihre
Cathy Elliott