• 12.08.2014 16:55

  • von Pete Fink

Die Allmendinger-Story: Vom Aus in den Chase

Hintergrund: Von Team Red Bull über Richard Petty und Roger Penske - wie A.J. Allmendinger von der Strafbank in die Playoffs fuhr

(Motorsport-Total.com) - Es ist wohl die größte Stehauf-Geschichte der NASCAR in den vergangenen Jahrzehnten. Vor ziemlich genau zwei Jahren stand A.J. Allmendinger vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere. Nun steht er im NASCAR-Chase 2014. Mit seinem ersten Sprint-Cup-Sieg in Watkins Glen sicherte sich der 32-jährige Kalifornier in Diensten von JTG/Daugherty Racing sein Playoff-Ticket. Es ist ohne Zweifel der größte Erfolg seiner Motorsport-Karriere.

Titel-Bild zur News: AJ Allmendinger

A.J. Allmendinger: Watkins Glen war der endgültige Durchbruch Zoom

"Ich traue mich gar nicht einzuschlafen und danach von diesem Traum aufzuwachen", twittterte Allmendinger nach seinem Triumph. "Was für ein unglaubliches Gefühl. Jetzt weiß ich, warum Jimmie Johnson immer so happy ist." Seit seinem Wechsel von den IndyCars in die NASCAR Ende 2006 kämpfte der kleine Kalifornier um diesen Durchbruch. Von dort kam er mit der Empfehlung von fünf ChampCar-Siegen - damals war er der große Konkurrent von Sebastien Bourdais.

Doch Allmendinger war eines klar: Die so zerstrittene IndyCar-Szene stand auf tönernen Füßen, die Honigtöpfe der NASCAR boten einen sicheren Hafen. Red Bull kannte den stämmigen Youngster mit deutschen Vorfahren aus der Driver Search für die Formel 1. Damals lagen er und Scott Speed in etwa gleichauf, nur wollte Allmendinger in den USA bleiben. Als sich Red Bull dann zum NASCAR-Einstieg entschloss, zögerte Allmendinger keine Sekunde. Ein Schnellschuss, der beinahe nach hinten los gegangen wäre.

Das Problem ist weithin bekannt: Ein Formelpilot, der ohne jahrelange Oval-Grundausbildung über Nacht in die NASCAR-Topliga geworfen wird, sieht sich einer gewaltigen Herausforderung gegenüber. Dieser Berg wird in dem Moment zu einem Gebirge, wenn das dahinterstehende Team ebenfalls neu ist. So wie im Fall Red Bull, so wie im Fall von Motorenlieferant Toyota. Ein Fiasko ist quasi vorprogrammiert und genauso kam es im Fall Allmendinger und seiner Startnummer 84.

A.J. Allmendinger

Allmendinger im Red-Bull-Toyota: Zwei erwartbare Horrorjahre 2007 und 2008 Zoom

Konstanz im Petty-Team

Vier Nicht-Qualifikationen in den ersten vier Saisonrennen 2007. Am Jahresende stand die 84 nur in 17 von 36 Saisonläufen, lediglich dreimal fuhr man in die Top 20. 2008 ein ähnliches Fiasko: Keine Qualifikation in den ersten drei Rennen. Red Bull zog die Notbremse und heuerte Routinier Mike Skinner an. Allmendinger war zum Zuschauen verurteilt und kam erst im Mai in Talladega wieder zum Einsatz - ohne großen Erfolg. Im September hatte Dietrich Mateschitz genug: Allmendinger raus, Wunschkandidat Scott Speed rein.

Wenige Wochen später kam der Geschasste beim damaligen Evernham-Team unter, das 2009 dann mit der Petty-Mannschaft fusionierte. Und siehe da: In seinem dritten NASCAR-Jahr stellten sich erste positive Ergebnisse ein. Gleich zu Saisonbeginn Dritter im Daytona 500 und danach noch fünf weitere Top-10-Resultate. Teambesitzer Petty fand Gefallen an Allmendinger und vertraute ihm für die Saison 2010 sogar seine legendäre Startnummer 43 an. Der dankte es dem "King" mit Gesamtrang 19 - vor Kasey Kahne (20.) und Dale Earnhardt Jr. (21.).

A.J. Allmendinger

Erst im Petty-Team fand A.J. Allmendinger eine NASCAR-Heimat Zoom

2011 ein ähnliches Spiel: Allmendinger hatte seine Leistungen stabilisiert und fuhr in zehn von 36 Punkterennen in die Top 10. Wie konstant die Startnummer 43 damals unterwegs war, verdeutlicht eine andere Statistik: 22 Mal (!) fuhr Allmendinger in dieser Saison in die Top 15 und landete am Saisonende auf Gesamtrang 15. Vor einem Greg Biffe, vor einem Jeff Burton und weit vor einem blutjungen Joey Logano. Diese so konstanten zwei Jahre weckten ein Interesse.

Ende 2011 hatte sich Kurt Busch mit Roger Penske überworfen und der "Captain" suchte nach einem Nachfolger. Natürlich kannte Penske Allmendinger seit dessen IndyCar-Zeiten und engagierte ihn. Dies war die ganz große Chance oder wie der Watkins-Glen-Sieger nach dem Rennen am Wochenende formulierte: "Das war die Chance meines Lebens und das wusste ich. Und ich habe auch versucht, mir dies immer wieder vorzusagen. Aber tief in meinem Inneren wusste ich auch, dass ich dazu noch nicht bereit bin."

A.J. Allmendinger

Der Schock: A.J.Allmendinger verliert im Sommer 2012 sein Penske-Cockpit Zoom

"Ein besserer Mensch"

Thema Druck, denn Kurt Busch war ein Siegfahrer und Allmendinger drohte daran zu zerbrechen. In Martinsville 2012 schrammte er als Zweiter um ein Haar an seinem ersten Cup-Erfolg vorbei, aber ansonsten waren seine Resultate eher mau. Dann kam das ominöse Kentucky-Rennen Ende Juni. NASCAR fährt seit Jahren eine knallharte Drogenpolitik mit Zufallstests an jedem Wochenende. In Kentucky wurde Allmendinger ausgelost - und der hatte zuvor von einem "Freund" eine Amphetamin-Pille eingenommen.

Ein Schock, der Allmendinger natürlich sein NASCAR-Cockpit kostete. Er wurde auf das planmäßige "Road-to-Recovery"-Programm gesetzt und quasi bis zum Saisonende 2012 aus dem Verkehr gezogen. Doch Roger Penske ist einer, der auch in schwierigen Zeiten zu seinen Piloten hält: Alllmendinger bekam 2013 seine zweite Chance: Bei den IndyCars und in der Nationwide-Serie. Auch das Phoenix-Team (jetzt HScott Motorsports) erinnerte sich an den kleinen Kalifornier.

"Was damals geschah, hat mich zu einem besseren Menschen gemacht", erinnert sich Allmendinger. "Ich habe versucht zu verstehen, worum es im Leben wirklich geht, denn dieser Sport übernimmt dein Leben komplett." Im Indy 500 sorgte er für Aufsehen, als er nach 23 Führungsrunden Siebter wurde. Danach gewann er die beiden Nationwide-Rennen von Elkhart Lake und Mid-Ohio. Für Roger Penske, der in der Victory Lane von Watkins Glen zu den ersten Gratulanten Allmendingers gehörte.

AJ Allmendinger

Sein bislang größter Erfolg: Allmendinger fährt die 47 in den NASCAR-Chase Zoom

Und noch etwas entwickelte sich im Sommer 2013: Im JTG-Team war man zunehmend unzufrieden mit den Leistungen von Altstar Bobby Labonte, der mit dem neuen Gen 6 nicht zurecht kam. Zunächst kam Allmendinger nur sporadisch zum Einsatz, für die Saison 2014 verpflichtete man den Kalifonier dann als Stammpilot. Ob das Childress-Kundenteam allerdings damit gerechnet hat, nun im NASCAR-Chase 2014 zu stehen, darf durchaus bezweifelt werden. Was für eine NASCAR-Geschichte!