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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Katastrophales Wochenende, Kritik der eigenen Fahrer und eine öffentliche Entschuldigung - Kouji Tsuya hat die schlimmsten Tage seiner Karriere hinter sich

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Valentino Rossi ist mit der Arbeit von Yamaha überhaupt nicht zufrieden Zoom

Liebe Leser,

nachdem ich nach dem Rennen in Brünn gerade erst Maverick Vinales habe "schlecht schlafen lassen", tue ich mich zugegebenermaßen schwer, nur sieben Tage später schon wieder Yamaha in den Mittelpunkt dieser Kolumne zu rücken. Die Ereignisse in Spielberg lassen in meinen Augen aber gar keine andere Wahl zu. Denn M1-Projektleiter Kouji Tsuya musste am Samstag den wohl schwersten Gang seines Lebens antreten.

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass es nie leicht ist, sich für einen Fehler zu entschuldigen. Dies aber auch noch vor der Weltöffentlichkeit zu tun, ist doppelt hart. Und wenn man dann noch die japanische Kultur bedenkt, in der man niemals sein "Gesicht verlieren" darf, mag man ganz sicher nicht mehr in der Haut von Tsuya stecken, als dieser sich öffentlich bei Valentino Rossi und Vinales entschuldigte.

Dass es für Yamaha in Spielberg kein leichtes Wochenende werden würde, war bereits vorher klar. Zu groß waren die Probleme der Japaner, zu sehr kam die Strecke der Konkurrenz entgegen. Dass es am Ende im Qualifying - bei dem Rossi den Sprung in Q2 verpasste - aber gerade einmal für die Startplätze 11 und 14 reichen würde, hatten wohl selbst die größten Pessimisten nicht befürchtet.


Fotos: Yamaha, MotoGP in Spielberg


Yamaha seit Monaten ohne Fortschritte

Platz sechs im Rennen von Rossi am Sonntag als "Schadensbegrenzung" zu bezeichnen, wäre ein ziemlicher Euphemismus. 14 Sekunden fehlten dem "Doctor" im Ziel. Über Teamkollege Vinales (Platz 12 und knapp 23 Sekunden Rückstand) muss man ohnehin gar nicht mehr sagen. Neu sind die Probleme von Yamaha dabei keinesfalls. In Spielberg wurden sie allerdings so deutlich aufgedeckt wie nie zuvor.

Bereits seit Monaten ärgern sich die Japaner mit der Einheitselektronik von Magneti Marelli herum - ohne erkennbare Fortschritte. Während Ducati und Honda die Elektronik mittlerweile - auch dank externer Hilfe - im Griff haben, scheint man bei Yamaha weiterhin im Dunkeln zu tappen. Bereits seit Monaten kritisieren Rossi und Vinales die Herangehensweise des eigenen Teams. Doch Besserung ist nicht in Sicht.

Kouji Tsuya

Kouji Tsuya und Yamaha stehen aktuell mit dem Rücken zur Wand Zoom

Das wirft auch ein großes Fragezeichen auf die Zukunft von Tsuya bei Yamaha. Bereits im Oktober 2017 machte mein Kollege Gerald Dirnbeck die Yamaha-Führungsetage zum Thema dieser Kolumne. Dass die Situation seitdem nicht besser - sondern sogar noch schlimmer - geworden ist, ist kein gutes Zeichen. Man hat aktuell das Gefühl, dass sich Yamaha eher rückwärts als vorwärts bewegt.

Ein Gefühl, dass übrigens auch die Zahlen belegen. Rossi war gestern im Rennen mehr als 2 Sekunden langsamer als 2017 in Spielberg, Vinales war sogar fast 13 Sekunden langsamer als im Vorjahr. Fortschritt sieht anders aus. Dieses Bild spiegelt sich zwar nicht auf allen Strecken so wieder, aber das Problem nur auf die aktuelle Stärke von Honda und Ducati zurückzuführen, reicht definitiv nicht aus.

Honda und Ducati deutlich vorne

Dessen dürfte man sich auch bei Yamaha bewusst sein. Anders ist auch die öffentliche Entschuldigung, die ich in dieser Form in der MotoGP noch nicht erlebt habe, nicht erklärbar. In der Formel 1 gab es ähnliche Szenen in den vergangenen Jahren kurioserweise ausgerechnet von Honda, die sich immer wieder bei Partner McLaren entschuldigen mussten. Der große MotoGP-Rivale dürfte also sicherlich etwas mitfühlen.

Mitleid ist aber wohl das Letzte, was die stolzen Japaner nun haben möchten. Fakt ist jedoch, dass Yamaha nur noch die dritte Kraft in der MotoGP ist. Das hat der WM-Stand lange verschleiert, doch in Spielberg ist das Werksteam von Rang eins in der Teamwertung auf Platz drei abgerutscht. Lange konnte man auf die WM-Tabelle verweisen, um das Team in Schutz zu nehmen. Doch auch dieses Argument greift jetzt nicht mehr.


Fotostrecke: Top 10: Die engsten MotoGP-Finishes seit 2002

P3 in Team- und Herstellerwertung ist momentan Yamahas realistischer Platz in der MotoGP.

Ganz sicher wird nicht nur Kouji Tsuya in der letzten Nacht schlecht geschlafen haben. Das komplette Team dürfte sich schwer getan haben, ein Auge zuzumachen. Die große Frage lautet, ob und wann Yamaha das Ruder wieder herumreißen kann. Ich persönlich habe für die Saison 2018 bereits keine Hoffnung mehr. Und wenn man nicht schnell die Kurve bekommt, könnte auch das Jahr 2019 bereits jetzt in Gefahr sein.

Ihr


Ruben Zimmermann


Ruben Zimmermann